Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.fährliche Vorstellungen auszureden, und thut ihnen Der gegenwärtige Prediger, Herr Jakobs- man- *) Jch kann nicht unterlassen, hier öffentlich meine
Freude zu bezeugen, die ich empfand, als ich das erwähnte Jnstitut besuchte. Auf dem Gesicht aller Zöglinge mahlte sich Gesundheit, Fröhlichkeit und Unschuld. Besonders entzückte mich der häusliche Sinn, den ich bey allen wahrnahm, und der leider so oft in öffentlichen Erziehungs- und Schulanstal- ten verloren geht. Die jungen Leute waren, wie, wenn sie in ihrer Eltern Hause wären. Man hätte den braven Director für ihren Vater, und seine würdige Gattin für ihre Mutter halten sollen. Offen und frey unterhielten sie sich mit mir, und un- terhalten sich eben so mit jedem Fremden. Die Ar- tigkeit ihres ganzen Betragens, der fast bey allen wahrzunehmende esprit de conduite bewies, daß sie Gelegenheit hatten, in gebildeten Gesellschaften auch ihre äußeren Sitten zu bilden. Die Anzahl der Zöglinge belief sich auf zwanzig: ein Beweis, daß diese Anstalt, die anfänglich nur klein war, geschätzt wird. faͤhrliche Vorſtellungen auszureden, und thut ihnen Der gegenwaͤrtige Prediger, Herr Jakobs- man- *) Jch kann nicht unterlaſſen, hier oͤffentlich meine
Freude zu bezeugen, die ich empfand, als ich das erwaͤhnte Jnſtitut beſuchte. Auf dem Geſicht aller Zoͤglinge mahlte ſich Geſundheit, Froͤhlichkeit und Unſchuld. Beſonders entzuͤckte mich der haͤusliche Sinn, den ich bey allen wahrnahm, und der leider ſo oft in oͤffentlichen Erziehungs- und Schulanſtal- ten verloren geht. Die jungen Leute waren, wie, wenn ſie in ihrer Eltern Hauſe waͤren. Man haͤtte den braven Director fuͤr ihren Vater, und ſeine wuͤrdige Gattin fuͤr ihre Mutter halten ſollen. Offen und frey unterhielten ſie ſich mit mir, und un- terhalten ſich eben ſo mit jedem Fremden. Die Ar- tigkeit ihres ganzen Betragens, der faſt bey allen wahrzunehmende eſprit de conduite bewies, daß ſie Gelegenheit hatten, in gebildeten Geſellſchaften auch ihre aͤußeren Sitten zu bilden. Die Anzahl der Zoͤglinge belief ſich auf zwanzig: ein Beweis, daß dieſe Anſtalt, die anfaͤnglich nur klein war, geſchaͤtzt wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0256" n="232"/> faͤhrliche Vorſtellungen auszureden, und thut ihnen<lb/> zu Gefallen, was er nur kann.</p><lb/> <p>Der gegenwaͤrtige Prediger, Herr Jakobs-<lb/> hagen, bekleidet ſeine Stelle erſt ſeit einigen Mo-<lb/> naten. Er war vorher Lehrer an dem wohleinge-<lb/> richteten Jnſtitut des Herrn Predigers Wich-<lb/> mann hieſelbſt<note place="foot" n="*)">Jch kann nicht unterlaſſen, hier oͤffentlich meine<lb/> Freude zu bezeugen, die ich empfand, als ich das<lb/> erwaͤhnte Jnſtitut beſuchte. Auf dem Geſicht aller<lb/> Zoͤglinge mahlte ſich Geſundheit, Froͤhlichkeit und<lb/> Unſchuld. Beſonders entzuͤckte mich der <hi rendition="#fr">haͤusliche<lb/> Sinn</hi>, den ich bey allen wahrnahm, und der leider<lb/> ſo oft in oͤffentlichen Erziehungs- und Schulanſtal-<lb/> ten verloren geht. Die jungen Leute waren, wie,<lb/> wenn ſie in ihrer Eltern Hauſe waͤren. Man haͤtte<lb/> den braven Director fuͤr ihren Vater, und ſeine<lb/> wuͤrdige Gattin fuͤr ihre Mutter halten ſollen.<lb/> Offen und frey unterhielten ſie ſich mit mir, und un-<lb/> terhalten ſich eben ſo mit jedem Fremden. Die Ar-<lb/> tigkeit ihres ganzen Betragens, der faſt bey allen<lb/> wahrzunehmende <hi rendition="#aq">eſprit de conduite</hi> bewies, daß<lb/> ſie Gelegenheit hatten, in gebildeten Geſellſchaften auch<lb/> ihre aͤußeren Sitten zu bilden. Die Anzahl der<lb/> Zoͤglinge belief ſich auf zwanzig: ein Beweis, daß<lb/> dieſe Anſtalt, die anfaͤnglich nur klein war, geſchaͤtzt<lb/> wird.</note>. Wenn er beſtaͤndig den Zu-<lb/> ſtand und die Beduͤrfniſſe der ihm anvertrauten<lb/> Gemeinde im Auge hat, und dabey ſich nach<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man-</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0256]
faͤhrliche Vorſtellungen auszureden, und thut ihnen
zu Gefallen, was er nur kann.
Der gegenwaͤrtige Prediger, Herr Jakobs-
hagen, bekleidet ſeine Stelle erſt ſeit einigen Mo-
naten. Er war vorher Lehrer an dem wohleinge-
richteten Jnſtitut des Herrn Predigers Wich-
mann hieſelbſt *). Wenn er beſtaͤndig den Zu-
ſtand und die Beduͤrfniſſe der ihm anvertrauten
Gemeinde im Auge hat, und dabey ſich nach
man-
*) Jch kann nicht unterlaſſen, hier oͤffentlich meine
Freude zu bezeugen, die ich empfand, als ich das
erwaͤhnte Jnſtitut beſuchte. Auf dem Geſicht aller
Zoͤglinge mahlte ſich Geſundheit, Froͤhlichkeit und
Unſchuld. Beſonders entzuͤckte mich der haͤusliche
Sinn, den ich bey allen wahrnahm, und der leider
ſo oft in oͤffentlichen Erziehungs- und Schulanſtal-
ten verloren geht. Die jungen Leute waren, wie,
wenn ſie in ihrer Eltern Hauſe waͤren. Man haͤtte
den braven Director fuͤr ihren Vater, und ſeine
wuͤrdige Gattin fuͤr ihre Mutter halten ſollen.
Offen und frey unterhielten ſie ſich mit mir, und un-
terhalten ſich eben ſo mit jedem Fremden. Die Ar-
tigkeit ihres ganzen Betragens, der faſt bey allen
wahrzunehmende eſprit de conduite bewies, daß
ſie Gelegenheit hatten, in gebildeten Geſellſchaften auch
ihre aͤußeren Sitten zu bilden. Die Anzahl der
Zoͤglinge belief ſich auf zwanzig: ein Beweis, daß
dieſe Anſtalt, die anfaͤnglich nur klein war, geſchaͤtzt
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