Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

vergessen ließ. "Doch nun, so erzählt der edle
Mann,
Doch nun kam die Vernunft allmählig wieder.
Sie sprach mit sanfter Stimm': "und doch ist
Gott!
Doch war auch Gottes Rathschluß das! Wohl-
an!
Komm! übe, was du längst begriffen hast,
Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
Steh auf!" -- Jch stand, und rief zu Gott:
ich will!
Willst du nur, daß ich will. -- -- --

Jndem er so von der Vernunft sich zureden
ließ, kam ein Reuter und überreichte ihm ein un-
bekanntes Kind, welches er in seinen Mantel ge-
hüllt hatte. Und Nathan nahm
Das Kind, trugs auf sein Lager, küßt' es, warf
Sich auf die Knie' und schluchzte: Gott! auf
Sieben
Doch nun schon Eines wieder!

Sammle in deine Phantasie angenehme
Vorstellungen, sieh von jedem Dinge die beste
Seite, und übe dich im Uebel selbst das Gute
zu entdecken; dann wird deine Einbildungs-
kraft dir eine Quelle der Freuden werden.

II.

vergeſſen ließ. „Doch nun, ſo erzaͤhlt der edle
Mann,
Doch nun kam die Vernunft allmaͤhlig wieder.
Sie ſprach mit ſanfter Stimm': „und doch iſt
Gott!
Doch war auch Gottes Rathſchluß das! Wohl-
an!
Komm! uͤbe, was du laͤngſt begriffen haſt,
Was ſicherlich zu uͤben ſchwerer nicht,
Als zu begreifen iſt, wenn du nur willſt.
Steh auf!„ — Jch ſtand, und rief zu Gott:
ich will!
Willſt du nur, daß ich will. — — —

Jndem er ſo von der Vernunft ſich zureden
ließ, kam ein Reuter und uͤberreichte ihm ein un-
bekanntes Kind, welches er in ſeinen Mantel ge-
huͤllt hatte. Und Nathan nahm
Das Kind, trugs auf ſein Lager, kuͤßt' es, warf
Sich auf die Knie' und ſchluchzte: Gott! auf
Sieben
Doch nun ſchon Eines wieder!

Sammle in deine Phantaſie angenehme
Vorſtellungen, ſieh von jedem Dinge die beſte
Seite, und uͤbe dich im Uebel ſelbſt das Gute
zu entdecken; dann wird deine Einbildungs-
kraft dir eine Quelle der Freuden werden.

II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0302" n="278"/>
verge&#x017F;&#x017F;en ließ. &#x201E;<cit><quote>Doch nun, &#x017F;o erza&#x0364;hlt der edle<lb/>
Mann,<lb/>
Doch nun kam die Vernunft allma&#x0364;hlig wieder.<lb/>
Sie &#x017F;prach mit &#x017F;anfter Stimm': &#x201E;und <hi rendition="#b">doch</hi> i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#b">Gott</hi>!</hi><lb/>
Doch war auch Gottes Rath&#x017F;chluß das! Wohl-<lb/><hi rendition="#et">an!</hi><lb/>
Komm! u&#x0364;be, was du la&#x0364;ng&#x017F;t begriffen ha&#x017F;t,<lb/>
Was &#x017F;icherlich zu u&#x0364;ben &#x017F;chwerer nicht,<lb/>
Als zu begreifen i&#x017F;t, wenn du nur will&#x017F;t.<lb/>
Steh auf!&#x201E; &#x2014; Jch &#x017F;tand, und rief zu Gott:<lb/><hi rendition="#et">ich will!</hi><lb/>
Will&#x017F;t du nur, daß ich will. &#x2014; &#x2014; &#x2014;</quote></cit></p><lb/>
            <p>Jndem er &#x017F;o von der Vernunft &#x017F;ich zureden<lb/>
ließ, kam ein Reuter und u&#x0364;berreichte ihm ein un-<lb/>
bekanntes Kind, welches er in &#x017F;einen Mantel ge-<lb/>
hu&#x0364;llt hatte. Und Nathan nahm<lb/>
Das Kind, trugs auf &#x017F;ein Lager, ku&#x0364;ßt' es, warf<lb/>
Sich auf die Knie' und &#x017F;chluchzte: <cit><quote><hi rendition="#b">Gott! auf<lb/><hi rendition="#et">Sieben</hi><lb/>
Doch nun &#x017F;chon Eines wieder!</hi></quote></cit></p><lb/>
            <p> <hi rendition="#b">Sammle in deine Phanta&#x017F;ie angenehme<lb/>
Vor&#x017F;tellungen, &#x017F;ieh von jedem Dinge die be&#x017F;te<lb/>
Seite, und u&#x0364;be dich im Uebel &#x017F;elb&#x017F;t das Gute<lb/>
zu entdecken; dann wird deine Einbildungs-<lb/>
kraft dir eine Quelle der Freuden werden.</hi> </p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">II</hi>.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0302] vergeſſen ließ. „Doch nun, ſo erzaͤhlt der edle Mann, Doch nun kam die Vernunft allmaͤhlig wieder. Sie ſprach mit ſanfter Stimm': „und doch iſt Gott! Doch war auch Gottes Rathſchluß das! Wohl- an! Komm! uͤbe, was du laͤngſt begriffen haſt, Was ſicherlich zu uͤben ſchwerer nicht, Als zu begreifen iſt, wenn du nur willſt. Steh auf!„ — Jch ſtand, und rief zu Gott: ich will! Willſt du nur, daß ich will. — — — Jndem er ſo von der Vernunft ſich zureden ließ, kam ein Reuter und uͤberreichte ihm ein un- bekanntes Kind, welches er in ſeinen Mantel ge- huͤllt hatte. Und Nathan nahm Das Kind, trugs auf ſein Lager, kuͤßt' es, warf Sich auf die Knie' und ſchluchzte: Gott! auf Sieben Doch nun ſchon Eines wieder! Sammle in deine Phantaſie angenehme Vorſtellungen, ſieh von jedem Dinge die beſte Seite, und uͤbe dich im Uebel ſelbſt das Gute zu entdecken; dann wird deine Einbildungs- kraft dir eine Quelle der Freuden werden. II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/302
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/302>, abgerufen am 21.11.2024.