ihrer Person eingeengtes Bewußtseyn sie in eine so eigne Situation versetzt, daß wenn nachher das Bewußtseyn aller ihrer äußern Verhältnisse wieder kommt, sie sich für jene nicht orientiren und die Vorstellung derselben also nicht wieder vor ihre Seele führen können.
Als der König der Franzosen auf dem Thron im Hotel de Ville in Paris saß, und von allen Seiten Beweise der Umkehrung seines bisherigen Verhältnisses erhielt, lebte er einzig und allein in dem neuen Gefühl, der erste Diener seiner Na- tion zu seyn. Wie klar wird dieses aus folgender vom Hrn. R. Schultz erzählten Anecdote.*) Der Maire von Paris überreichte dem auf dem Thron sitzenden König die National-Kokarde. Der König nahm sie in die Hand und hob sie empor, um sie dem Volke zu zeigen. Dieses antwortete mit einem Geschrey der Begeisterung und des Dankes darauf. Er bestrebte sich, durch Hände- klatschen seine Freude zu bezeigen, da ihm aber die Kokarde in der einen Hand und der Hut unter dem andern Arm, dabey im Wege waren, ließ er letztern fallen und nahm erstre in den Mund, stand auf und klatschte in die Hände.
3. Re-
*) Geschichte der großen Revolution in Frankreich, S. 194.
ihrer Perſon eingeengtes Bewußtſeyn ſie in eine ſo eigne Situation verſetzt, daß wenn nachher das Bewußtſeyn aller ihrer aͤußern Verhaͤltniſſe wieder kommt, ſie ſich fuͤr jene nicht orientiren und die Vorſtellung derſelben alſo nicht wieder vor ihre Seele fuͤhren koͤnnen.
Als der Koͤnig der Franzoſen auf dem Thron im Hotel de Ville in Paris ſaß, und von allen Seiten Beweiſe der Umkehrung ſeines bisherigen Verhaͤltniſſes erhielt, lebte er einzig und allein in dem neuen Gefuͤhl, der erſte Diener ſeiner Na- tion zu ſeyn. Wie klar wird dieſes aus folgender vom Hrn. R. Schultz erzaͤhlten Anecdote.*) Der Maire von Paris uͤberreichte dem auf dem Thron ſitzenden Koͤnig die National-Kokarde. Der Koͤnig nahm ſie in die Hand und hob ſie empor, um ſie dem Volke zu zeigen. Dieſes antwortete mit einem Geſchrey der Begeiſterung und des Dankes darauf. Er beſtrebte ſich, durch Haͤnde- klatſchen ſeine Freude zu bezeigen, da ihm aber die Kokarde in der einen Hand und der Hut unter dem andern Arm, dabey im Wege waren, ließ er letztern fallen und nahm erſtre in den Mund, ſtand auf und klatſchte in die Haͤnde.
3. Re-
*) Geſchichte der großen Revolution in Frankreich, S. 194.
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ihrer Perſon eingeengtes Bewußtſeyn ſie in eine
ſo eigne Situation verſetzt, daß wenn nachher
das Bewußtſeyn aller ihrer aͤußern Verhaͤltniſſe
wieder kommt, ſie ſich fuͤr jene nicht orientiren und
die Vorſtellung derſelben alſo nicht wieder vor ihre
Seele fuͤhren koͤnnen.
Als der Koͤnig der Franzoſen auf dem Thron
im Hotel de Ville in Paris ſaß, und von allen
Seiten Beweiſe der Umkehrung ſeines bisherigen
Verhaͤltniſſes erhielt, lebte er einzig und allein in
dem neuen Gefuͤhl, der erſte Diener ſeiner Na-
tion zu ſeyn. Wie klar wird dieſes aus folgender
vom Hrn. R. Schultz erzaͤhlten Anecdote. *) Der
Maire von Paris uͤberreichte dem auf dem Thron
ſitzenden Koͤnig die National-Kokarde. Der
Koͤnig nahm ſie in die Hand und hob ſie empor,
um ſie dem Volke zu zeigen. Dieſes antwortete
mit einem Geſchrey der Begeiſterung und des
Dankes darauf. Er beſtrebte ſich, durch Haͤnde-
klatſchen ſeine Freude zu bezeigen, da ihm aber
die Kokarde in der einen Hand und der Hut unter
dem andern Arm, dabey im Wege waren, ließ
er letztern fallen und nahm erſtre in den Mund,
ſtand auf und klatſchte in die Haͤnde.
3. Re-
*) Geſchichte der großen Revolution in Frankreich,
S. 194.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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