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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Unverkennbar ist die Einwirkung des Klima
auf die Bildung des Menschen überhaupt und sei-
ne Einbildungskraft insbesondre. Von ihm hängt
zum Theil mit die Stärke oder Feinheit der Fibern,
die Raschheit oder Trägheit des Nervensafts und
des Bluts, die Stärke oder Schwäche der Mus-
keln, u. s. w. mithin die Beschaffenheit der Quelle
ab, aus welcher die Einbildungskraft schöpft.
Langsam fließt das dicke Blut in den Adern der
Bewohner des rauhen Nordens, seine Nerven
sind hart, fest und zähe, daher weniger reiz-
bar und empfindlich. -- Arm, wie die Natur
in seinem Lande, ist seine Phantasie an Vorstel-
lungen. -- Seine Nahrung und was dazu ge-
hört, sein Brandtwein, seine Hütte, sein Feuer und
seine Ruhe sind die verschiednen Scenen auf der
Bühne seiner Einbildungskraft: zwischen welchen
zu Zeiten noch Götter und Geister herumschwär-

men,
Sey klug und spann den alten Klepper noch
in Zeiten aus, bevor er auf der Bahn,
wo einst der Sieg ihn krönte, lahm und keuchend
nicht weiter kann und zum Gelächter wird.
Gehorsam dieser Warnung hab' ich nun
der Verse mich und alles andern Spielwerks
entschlagen, und, was Wahr und Schön, beschäfftigt
mich ganz und gar; ich leb' und webe drinn.

Horaz, 1. Brief. 1. Buchs, nach der vortreff-
lichen Wielandschen Uebersetzung.

Unverkennbar iſt die Einwirkung des Klima
auf die Bildung des Menſchen uͤberhaupt und ſei-
ne Einbildungskraft insbeſondre. Von ihm haͤngt
zum Theil mit die Staͤrke oder Feinheit der Fibern,
die Raſchheit oder Traͤgheit des Nervenſafts und
des Bluts, die Staͤrke oder Schwaͤche der Mus-
keln, u. ſ. w. mithin die Beſchaffenheit der Quelle
ab, aus welcher die Einbildungskraft ſchoͤpft.
Langſam fließt das dicke Blut in den Adern der
Bewohner des rauhen Nordens, ſeine Nerven
ſind hart, feſt und zaͤhe, daher weniger reiz-
bar und empfindlich. — Arm, wie die Natur
in ſeinem Lande, iſt ſeine Phantaſie an Vorſtel-
lungen. — Seine Nahrung und was dazu ge-
hoͤrt, ſein Brandtwein, ſeine Huͤtte, ſein Feuer und
ſeine Ruhe ſind die verſchiednen Scenen auf der
Buͤhne ſeiner Einbildungskraft: zwiſchen welchen
zu Zeiten noch Goͤtter und Geiſter herumſchwaͤr-

men,
Sey klug und ſpann den alten Klepper noch
in Zeiten aus, bevor er auf der Bahn,
wo einſt der Sieg ihn kroͤnte, lahm und keuchend
nicht weiter kann und zum Gelaͤchter wird.
Gehorſam dieſer Warnung hab' ich nun
der Verſe mich und alles andern Spielwerks
entſchlagen, und, was Wahr und Schoͤn, beſchaͤfftigt
mich ganz und gar; ich leb' und webe drinn.

Horaz, 1. Brief. 1. Buchs, nach der vortreff-
lichen Wielandſchen Ueberſetzung.
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[50/0074] Unverkennbar iſt die Einwirkung des Klima auf die Bildung des Menſchen uͤberhaupt und ſei- ne Einbildungskraft insbeſondre. Von ihm haͤngt zum Theil mit die Staͤrke oder Feinheit der Fibern, die Raſchheit oder Traͤgheit des Nervenſafts und des Bluts, die Staͤrke oder Schwaͤche der Mus- keln, u. ſ. w. mithin die Beſchaffenheit der Quelle ab, aus welcher die Einbildungskraft ſchoͤpft. Langſam fließt das dicke Blut in den Adern der Bewohner des rauhen Nordens, ſeine Nerven ſind hart, feſt und zaͤhe, daher weniger reiz- bar und empfindlich. — Arm, wie die Natur in ſeinem Lande, iſt ſeine Phantaſie an Vorſtel- lungen. — Seine Nahrung und was dazu ge- hoͤrt, ſein Brandtwein, ſeine Huͤtte, ſein Feuer und ſeine Ruhe ſind die verſchiednen Scenen auf der Buͤhne ſeiner Einbildungskraft: zwiſchen welchen zu Zeiten noch Goͤtter und Geiſter herumſchwaͤr- men, *) *) Sey klug und ſpann den alten Klepper noch in Zeiten aus, bevor er auf der Bahn, wo einſt der Sieg ihn kroͤnte, lahm und keuchend nicht weiter kann und zum Gelaͤchter wird. Gehorſam dieſer Warnung hab' ich nun der Verſe mich und alles andern Spielwerks entſchlagen, und, was Wahr und Schoͤn, beſchaͤfftigt mich ganz und gar; ich leb' und webe drinn. Horaz, 1. Brief. 1. Buchs, nach der vortreff- lichen Wielandſchen Ueberſetzung.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/74>, abgerufen am 18.12.2024.