Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


achten -- gegen den Beleidiger von Ansehn seine
Ehre vertheidigen, aber, wenn derselbe das Un-
gerechte der Beleidigung erkennt, mit Freuden
verzeihen. Fern von Eigennutz und kleinli-
cher Denkungsart
flieht er besonders den Schein,
durch gemeine Motive bestimmt zu werden, und
haßt erniedrigende Habsucht, Gewinnsucht und
Kargheit*). Das Lob des uninteressirten Man-

nes
*) Ein schönes Beyspiel von Ehrliebe gaben die fran-
zösischen Gardisten bey Gelegenheit des Aufstandes
in Versailles, der den Erzbischof von Paris in Le-
bensgefahr brachte. Jhre Ehrliebe war gereizt,
weil man fremde Truppen um den König zusammen-
zog, und sie zu entfernen schien. Sie erhielten bey
jenem Aufstande Befehl, auf das Volk zu schießen,
aber sie schossen nicht, denn, sagten sie, wir ge-
brauchen unsre Waffen nicht gegen unsre Brüder,
sondern nur gegen die Feinde unsers Königs und
Vaterlands. Jndeß, ohnerachtet der Erzbischof,
da er den dritten Stand beleidigt hatte, sie auch
mit angegriffen hatte, entfernten sie doch das Volk,
und riefen dem Erzbischof zu, nun auch großmüthig
zu seyn. Dieser wünschte, sie auf seine Seite zu
ziehen, und ließ ihnen auf die delicateste Weise den
Tag darauf eine Belohnung an Geld für den ihm
geleisteten Dienst anbieten. Die Gardisten schlugen
sie aus. Jhr Oberster wollte ihren Sold täglich
um einige Sous erhöhen, sie verbaten diese Erhö-
hung. -- Das Theater wollte ihnen den Ertrag
einer
Bb


achten — gegen den Beleidiger von Anſehn ſeine
Ehre vertheidigen, aber, wenn derſelbe das Un-
gerechte der Beleidigung erkennt, mit Freuden
verzeihen. Fern von Eigennutz und kleinli-
cher Denkungsart
flieht er beſonders den Schein,
durch gemeine Motive beſtimmt zu werden, und
haßt erniedrigende Habſucht, Gewinnſucht und
Kargheit*). Das Lob des unintereſſirten Man-

nes
*) Ein ſchoͤnes Beyſpiel von Ehrliebe gaben die fran-
zoͤſiſchen Gardiſten bey Gelegenheit des Aufſtandes
in Verſailles, der den Erzbiſchof von Paris in Le-
bensgefahr brachte. Jhre Ehrliebe war gereizt,
weil man fremde Truppen um den Koͤnig zuſammen-
zog, und ſie zu entfernen ſchien. Sie erhielten bey
jenem Aufſtande Befehl, auf das Volk zu ſchießen,
aber ſie ſchoſſen nicht, denn, ſagten ſie, wir ge-
brauchen unſre Waffen nicht gegen unſre Bruͤder,
ſondern nur gegen die Feinde unſers Koͤnigs und
Vaterlands. Jndeß, ohnerachtet der Erzbiſchof,
da er den dritten Stand beleidigt hatte, ſie auch
mit angegriffen hatte, entfernten ſie doch das Volk,
und riefen dem Erzbiſchof zu, nun auch großmuͤthig
zu ſeyn. Dieſer wuͤnſchte, ſie auf ſeine Seite zu
ziehen, und ließ ihnen auf die delicateſte Weiſe den
Tag darauf eine Belohnung an Geld fuͤr den ihm
geleiſteten Dienſt anbieten. Die Gardiſten ſchlugen
ſie aus. Jhr Oberſter wollte ihren Sold taͤglich
um einige Sous erhoͤhen, ſie verbaten dieſe Erhoͤ-
hung. — Das Theater wollte ihnen den Ertrag
einer
Bb
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="385"/><lb/>
achten &#x2014; gegen den Beleidiger von An&#x017F;ehn &#x017F;eine<lb/>
Ehre vertheidigen, aber, wenn der&#x017F;elbe das Un-<lb/>
gerechte der Beleidigung erkennt, mit Freuden<lb/>
verzeihen. <hi rendition="#b">Fern von Eigennutz und kleinli-<lb/>
cher Denkungsart</hi> flieht er be&#x017F;onders den Schein,<lb/>
durch <hi rendition="#b">gemeine</hi> Motive be&#x017F;timmt zu werden, und<lb/>
haßt erniedrigende Hab&#x017F;ucht, Gewinn&#x017F;ucht und<lb/>
Kargheit<note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="*)">Ein &#x017F;cho&#x0364;nes Bey&#x017F;piel von Ehrliebe gaben die fran-<lb/>
zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Gardi&#x017F;ten bey Gelegenheit des Auf&#x017F;tandes<lb/>
in Ver&#x017F;ailles, der den Erzbi&#x017F;chof von Paris in Le-<lb/>
bensgefahr brachte. Jhre Ehrliebe war gereizt,<lb/>
weil man fremde Truppen um den Ko&#x0364;nig zu&#x017F;ammen-<lb/>
zog, und &#x017F;ie zu entfernen &#x017F;chien. Sie erhielten bey<lb/>
jenem Auf&#x017F;tande Befehl, auf das Volk zu &#x017F;chießen,<lb/>
aber &#x017F;ie &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en nicht, denn, &#x017F;agten &#x017F;ie, wir ge-<lb/>
brauchen un&#x017F;re Waffen nicht gegen un&#x017F;re Bru&#x0364;der,<lb/>
&#x017F;ondern nur gegen die Feinde un&#x017F;ers Ko&#x0364;nigs und<lb/>
Vaterlands. Jndeß, ohnerachtet der Erzbi&#x017F;chof,<lb/>
da er den dritten Stand beleidigt hatte, &#x017F;ie auch<lb/>
mit angegriffen hatte, entfernten &#x017F;ie doch das Volk,<lb/>
und riefen dem Erzbi&#x017F;chof zu, nun auch großmu&#x0364;thig<lb/>
zu &#x017F;eyn. Die&#x017F;er wu&#x0364;n&#x017F;chte, &#x017F;ie auf &#x017F;eine Seite zu<lb/>
ziehen, und ließ ihnen auf die delicate&#x017F;te Wei&#x017F;e den<lb/>
Tag darauf eine Belohnung an Geld fu&#x0364;r den ihm<lb/>
gelei&#x017F;teten Dien&#x017F;t anbieten. Die Gardi&#x017F;ten &#x017F;chlugen<lb/>
&#x017F;ie aus. Jhr Ober&#x017F;ter wollte ihren Sold ta&#x0364;glich<lb/>
um einige Sous erho&#x0364;hen, &#x017F;ie verbaten die&#x017F;e Erho&#x0364;-<lb/>
hung. &#x2014; Das Theater wollte ihnen den Ertrag<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einer</fw></note>. Das Lob des unintere&#x017F;&#x017F;irten Man-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Bb</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0101] achten — gegen den Beleidiger von Anſehn ſeine Ehre vertheidigen, aber, wenn derſelbe das Un- gerechte der Beleidigung erkennt, mit Freuden verzeihen. Fern von Eigennutz und kleinli- cher Denkungsart flieht er beſonders den Schein, durch gemeine Motive beſtimmt zu werden, und haßt erniedrigende Habſucht, Gewinnſucht und Kargheit *). Das Lob des unintereſſirten Man- nes *) Ein ſchoͤnes Beyſpiel von Ehrliebe gaben die fran- zoͤſiſchen Gardiſten bey Gelegenheit des Aufſtandes in Verſailles, der den Erzbiſchof von Paris in Le- bensgefahr brachte. Jhre Ehrliebe war gereizt, weil man fremde Truppen um den Koͤnig zuſammen- zog, und ſie zu entfernen ſchien. Sie erhielten bey jenem Aufſtande Befehl, auf das Volk zu ſchießen, aber ſie ſchoſſen nicht, denn, ſagten ſie, wir ge- brauchen unſre Waffen nicht gegen unſre Bruͤder, ſondern nur gegen die Feinde unſers Koͤnigs und Vaterlands. Jndeß, ohnerachtet der Erzbiſchof, da er den dritten Stand beleidigt hatte, ſie auch mit angegriffen hatte, entfernten ſie doch das Volk, und riefen dem Erzbiſchof zu, nun auch großmuͤthig zu ſeyn. Dieſer wuͤnſchte, ſie auf ſeine Seite zu ziehen, und ließ ihnen auf die delicateſte Weiſe den Tag darauf eine Belohnung an Geld fuͤr den ihm geleiſteten Dienſt anbieten. Die Gardiſten ſchlugen ſie aus. Jhr Oberſter wollte ihren Sold taͤglich um einige Sous erhoͤhen, ſie verbaten dieſe Erhoͤ- hung. — Das Theater wollte ihnen den Ertrag einer Bb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/101
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/101>, abgerufen am 21.11.2024.