Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Schulz*) von ihm entwirft. Mirabeau, sagt
er, ist ein Engel, wenn sich der Genuß seiner
Ehrsucht auf wohlthätige Plane gründet, und
wird zum Teufel, wenn er sich denselben auf Ko-
sten irgend eines Dinges, irgend eines Menschen,
irgend einer Gesellschaft verschaffen muß. Jetzt,
da er an der Spitze des dritten Standes steht,
reißt er auch allen Glanz, alle Ehre an sich, die
dem Retter desselben auf ewig bevorstehen: schont
seiner Gesundheit und seines Lebens nicht, um auf
dem Wohl desselben seinen Ruhm zu bauen; statt
daß er, wenn er an der Spitze des Adels stände,
mit eben dem Geiste, mit eben dem alles hinrei-
ßenden, zerstörenden und erwürgenden Feuereifer
dem dritten Stande den Fuß auf dem Nacken se-
tzen, und aus seiner gänzlichen Zertretung die schön-
sten Lorbeeren für sich hervorschießen sehen würde.

Jn der Ehrbegierde und Ehrsucht sticht das
heftige Verlangen nach Vermehrung der Ehre
hervor -- in dem Ehrgeiz das ängstliche Be-
wachen
derselben. Wo das Gefühl des eignen
Werths, den man von Andern gern erkannt wis-
sen will, gering ist, da nimmt der Ehrtrieb die
Gestalt und Natur des Ehrgeizes an, weil man
fühlt, daß man nichts verlieren kann, wenn man
nicht ganz arm werden will. Der Ehrgeiz ist
kleinlich wie der Geldgeiz, und erstickt alles, was

edel
*) Geschichte der Revolution etc.

Schulz*) von ihm entwirft. Mirabeau, ſagt
er, iſt ein Engel, wenn ſich der Genuß ſeiner
Ehrſucht auf wohlthaͤtige Plane gruͤndet, und
wird zum Teufel, wenn er ſich denſelben auf Ko-
ſten irgend eines Dinges, irgend eines Menſchen,
irgend einer Geſellſchaft verſchaffen muß. Jetzt,
da er an der Spitze des dritten Standes ſteht,
reißt er auch allen Glanz, alle Ehre an ſich, die
dem Retter deſſelben auf ewig bevorſtehen: ſchont
ſeiner Geſundheit und ſeines Lebens nicht, um auf
dem Wohl deſſelben ſeinen Ruhm zu bauen; ſtatt
daß er, wenn er an der Spitze des Adels ſtaͤnde,
mit eben dem Geiſte, mit eben dem alles hinrei-
ßenden, zerſtoͤrenden und erwuͤrgenden Feuereifer
dem dritten Stande den Fuß auf dem Nacken ſe-
tzen, und aus ſeiner gaͤnzlichen Zertretung die ſchoͤn-
ſten Lorbeeren fuͤr ſich hervorſchießen ſehen wuͤrde.

Jn der Ehrbegierde und Ehrſucht ſticht das
heftige Verlangen nach Vermehrung der Ehre
hervor — in dem Ehrgeiz das aͤngſtliche Be-
wachen
derſelben. Wo das Gefuͤhl des eignen
Werths, den man von Andern gern erkannt wiſ-
ſen will, gering iſt, da nimmt der Ehrtrieb die
Geſtalt und Natur des Ehrgeizes an, weil man
fuͤhlt, daß man nichts verlieren kann, wenn man
nicht ganz arm werden will. Der Ehrgeiz iſt
kleinlich wie der Geldgeiz, und erſtickt alles, was

edel
*) Geſchichte der Revolution ꝛc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="390"/><hi rendition="#b">Schulz</hi><note place="foot" n="*)">Ge&#x017F;chichte der Revolution &#xA75B;c.</note> von ihm entwirft. <hi rendition="#b">Mirabeau</hi>, &#x017F;agt<lb/>
er, i&#x017F;t ein Engel, wenn &#x017F;ich der Genuß &#x017F;einer<lb/>
Ehr&#x017F;ucht auf wohltha&#x0364;tige Plane gru&#x0364;ndet, und<lb/>
wird zum Teufel, wenn er &#x017F;ich den&#x017F;elben auf Ko-<lb/>
&#x017F;ten irgend eines Dinges, irgend eines Men&#x017F;chen,<lb/>
irgend einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver&#x017F;chaffen muß. Jetzt,<lb/>
da er an der Spitze des dritten Standes &#x017F;teht,<lb/>
reißt er auch allen Glanz, alle Ehre an &#x017F;ich, die<lb/>
dem Retter de&#x017F;&#x017F;elben auf ewig bevor&#x017F;tehen: &#x017F;chont<lb/>
&#x017F;einer Ge&#x017F;undheit und &#x017F;eines Lebens nicht, um auf<lb/>
dem Wohl de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;einen Ruhm zu bauen; &#x017F;tatt<lb/>
daß er, wenn er an der Spitze des Adels &#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
mit eben dem Gei&#x017F;te, mit eben dem alles hinrei-<lb/>
ßenden, zer&#x017F;to&#x0364;renden und erwu&#x0364;rgenden Feuereifer<lb/>
dem dritten Stande den Fuß auf dem Nacken &#x017F;e-<lb/>
tzen, und aus &#x017F;einer ga&#x0364;nzlichen Zertretung die &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;ten Lorbeeren fu&#x0364;r &#x017F;ich hervor&#x017F;chießen &#x017F;ehen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p>Jn der <hi rendition="#b">Ehrbegierde</hi> und <hi rendition="#b">Ehr&#x017F;ucht</hi> &#x017F;ticht das<lb/>
heftige Verlangen nach <hi rendition="#b">Vermehrung der Ehre</hi><lb/>
hervor &#x2014; in dem <hi rendition="#b">Ehrgeiz</hi> das <hi rendition="#b">a&#x0364;ng&#x017F;tliche Be-<lb/>
wachen</hi> der&#x017F;elben. Wo das Gefu&#x0364;hl des eignen<lb/>
Werths, den man von Andern gern erkannt wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en will, gering i&#x017F;t, da nimmt der Ehrtrieb die<lb/>
Ge&#x017F;talt und Natur des Ehrgeizes an, weil man<lb/>
fu&#x0364;hlt, daß man nichts verlieren kann, wenn man<lb/>
nicht ganz arm werden will. Der Ehrgeiz i&#x017F;t<lb/>
kleinlich wie der Geldgeiz, und er&#x017F;tickt alles, was<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">edel</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0106] Schulz *) von ihm entwirft. Mirabeau, ſagt er, iſt ein Engel, wenn ſich der Genuß ſeiner Ehrſucht auf wohlthaͤtige Plane gruͤndet, und wird zum Teufel, wenn er ſich denſelben auf Ko- ſten irgend eines Dinges, irgend eines Menſchen, irgend einer Geſellſchaft verſchaffen muß. Jetzt, da er an der Spitze des dritten Standes ſteht, reißt er auch allen Glanz, alle Ehre an ſich, die dem Retter deſſelben auf ewig bevorſtehen: ſchont ſeiner Geſundheit und ſeines Lebens nicht, um auf dem Wohl deſſelben ſeinen Ruhm zu bauen; ſtatt daß er, wenn er an der Spitze des Adels ſtaͤnde, mit eben dem Geiſte, mit eben dem alles hinrei- ßenden, zerſtoͤrenden und erwuͤrgenden Feuereifer dem dritten Stande den Fuß auf dem Nacken ſe- tzen, und aus ſeiner gaͤnzlichen Zertretung die ſchoͤn- ſten Lorbeeren fuͤr ſich hervorſchießen ſehen wuͤrde. Jn der Ehrbegierde und Ehrſucht ſticht das heftige Verlangen nach Vermehrung der Ehre hervor — in dem Ehrgeiz das aͤngſtliche Be- wachen derſelben. Wo das Gefuͤhl des eignen Werths, den man von Andern gern erkannt wiſ- ſen will, gering iſt, da nimmt der Ehrtrieb die Geſtalt und Natur des Ehrgeizes an, weil man fuͤhlt, daß man nichts verlieren kann, wenn man nicht ganz arm werden will. Der Ehrgeiz iſt kleinlich wie der Geldgeiz, und erſtickt alles, was edel *) Geſchichte der Revolution ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/106
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/106>, abgerufen am 21.11.2024.