Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.edel und groß ist in dem Herzen des Menschen. Es *) Wer Ehre verlangt, verlangt auch Lob und Ruhm; denn beydes sind Ausdrücke derselben. Sie unter- scheiden sich in doppelter Hinsicht: einmal als Aus- drücke der Ehre, und hernach in Beziehung auf das, was als Ehre bringend ausgedrückt wird. Jn erster Hinsicht ist Lob stiller und besondrer, Ruhm lauter und allgemeiner. Wenn ein Schü- ler seinem Lehrer eine gute Arbeit liefert, und die- ser sie als gut anerkennt, so erhält jener Lob; wenn jemand eine Abhandlung über eine Preisfrage einschickt, und diese gekrönt wird, so hat er sich dadurch Ruhm erworben. Wenn daher eine Hand- lung, ein Werk, eine That so beschaffen ist, daß ihre Güte und ihr Werth nur von Wenigen erkannt werden kann, weil sie gar nicht in die Augen fallend ist, oder der, welcher ihr Urheber war, nur in ei- nem kleinen Kreise gekannt ist, so bringen sie Lob. Wenn Bb 4
edel und groß iſt in dem Herzen des Menſchen. Es *) Wer Ehre verlangt, verlangt auch Lob und Ruhm; denn beydes ſind Ausdruͤcke derſelben. Sie unter- ſcheiden ſich in doppelter Hinſicht: einmal als Aus- druͤcke der Ehre, und hernach in Beziehung auf das, was als Ehre bringend ausgedruͤckt wird. Jn erſter Hinſicht iſt Lob ſtiller und beſondrer, Ruhm lauter und allgemeiner. Wenn ein Schuͤ- ler ſeinem Lehrer eine gute Arbeit liefert, und die- ſer ſie als gut anerkennt, ſo erhaͤlt jener Lob; wenn jemand eine Abhandlung uͤber eine Preisfrage einſchickt, und dieſe gekroͤnt wird, ſo hat er ſich dadurch Ruhm erworben. Wenn daher eine Hand- lung, ein Werk, eine That ſo beſchaffen iſt, daß ihre Guͤte und ihr Werth nur von Wenigen erkannt werden kann, weil ſie gar nicht in die Augen fallend iſt, oder der, welcher ihr Urheber war, nur in ei- nem kleinen Kreiſe gekannt iſt, ſo bringen ſie Lob. Wenn Bb 4
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edel und groß iſt in dem Herzen des Menſchen.
Bang und ſchuͤchtern, wie der Geizige auf ſeinen
Geldkaſten ſitzt, wirft er die Augen umher, ob
auch niemand ſeinen kleinen Vorrath beraube, und
wird bis zum Wahnſinn erzuͤrnt, wenn er meynt,
daß es geſchehen ſey. Wo er nur Gefahr ahn-
det, zieht er ſich aͤngſtlich zuruͤck, und keine noch
ſo wahrſcheinliche Hofnung ſeine Ehre durch edle
aber Muth erfodernde Unternehmungen zu ver-
mehren, bekaͤmpft die bange Furcht, nur einen
kleinen Theil zu verlieren *).
Es
*) Wer Ehre verlangt, verlangt auch Lob und Ruhm;
denn beydes ſind Ausdruͤcke derſelben. Sie unter-
ſcheiden ſich in doppelter Hinſicht: einmal als Aus-
druͤcke der Ehre, und hernach in Beziehung auf
das, was als Ehre bringend ausgedruͤckt wird.
Jn erſter Hinſicht iſt Lob ſtiller und beſondrer,
Ruhm lauter und allgemeiner. Wenn ein Schuͤ-
ler ſeinem Lehrer eine gute Arbeit liefert, und die-
ſer ſie als gut anerkennt, ſo erhaͤlt jener Lob;
wenn jemand eine Abhandlung uͤber eine Preisfrage
einſchickt, und dieſe gekroͤnt wird, ſo hat er ſich
dadurch Ruhm erworben. Wenn daher eine Hand-
lung, ein Werk, eine That ſo beſchaffen iſt, daß
ihre Guͤte und ihr Werth nur von Wenigen erkannt
werden kann, weil ſie gar nicht in die Augen fallend
iſt, oder der, welcher ihr Urheber war, nur in ei-
nem kleinen Kreiſe gekannt iſt, ſo bringen ſie Lob.
Wenn
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