Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.sucht werden müßte; da dies aber nicht geschähe, Eilfte *) Der französische Philosoph führt zum Beweise sei-
ner Behauptung folgende Gründe an: Wenn der Ehrtrieb aus dem Verlangen ent- spränge, sich von seiner Achtungswürdigkeit zu über- zeugen (desir de s'assurer de son exellence), und nicht blos aus dem Wunsch, geachtet zu werden (desir d'etre estime), so würde man ja 1) den größten Werth auf dasjenige setzen, was von den größten persönlichen Vorzügen (superio- rite la plus personelle) zeigte, und dem Ohngefähr am wenigsten unterworfen wäre. Man würde z. B. wenn man zwischen der Ehre der Gelehrsam- keit und der Waffen zu wählen hätte, jene vorzie- hen. ſucht werden muͤßte; da dies aber nicht geſchaͤhe, Eilfte *) Der franzoͤſiſche Philoſoph fuͤhrt zum Beweiſe ſei-
ner Behauptung folgende Gruͤnde an: Wenn der Ehrtrieb aus dem Verlangen ent- ſpraͤnge, ſich von ſeiner Achtungswuͤrdigkeit zu uͤber- zeugen (deſir de ſ'aſſurer de ſon exellence), und nicht blos aus dem Wunſch, geachtet zu werden (deſir d'être eſtimé), ſo wuͤrde man ja 1) den groͤßten Werth auf dasjenige ſetzen, was von den groͤßten perſoͤnlichen Vorzuͤgen (ſuperio- rité la plus perſonelle) zeigte, und dem Ohngefaͤhr am wenigſten unterworfen waͤre. Man wuͤrde z. B. wenn man zwiſchen der Ehre der Gelehrſam- keit und der Waffen zu waͤhlen haͤtte, jene vorzie- hen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="398"/> ſucht werden muͤßte; da dies aber nicht geſchaͤhe,<lb/> ſo ſey klar, daß nicht Ehre um ihrer ſelbſt willen,<lb/> ſondern nur als ein Mittel, andre Vortheile zu<lb/> erlangen, geſucht werde. — Es iſt aber dies<lb/> Argument ſehr leicht zu widerlegen, ſobald man<lb/> erwegt, daß es allerdings Viele giebt, welche Ehre<lb/> oder eigentlicher <hi rendition="#b">Ehrenſtellen</hi> nur deswegen ſu-<lb/> chen, um eine andre Neigung, welche auch das<lb/> Verlangen nach ſinnlichen Vergnuͤgungen ſeyn<lb/> kann, zu befriedigen, daß man aber ſolchen nicht<lb/> eigentlich Ehrtrieb beylegen kann, und daß endlich<lb/> die Begierde nach anderweitigen Vortheilen mit<lb/> unter die Gruͤnde dieſes Triebes gezaͤhlt, aber<lb/> darum doch nicht der einzige Grund deſſelben ge-<lb/> nannt werden darf<note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="*)"><p>Der franzoͤſiſche Philoſoph fuͤhrt zum Beweiſe ſei-<lb/> ner Behauptung folgende Gruͤnde an:</p><lb/><p>Wenn der Ehrtrieb aus dem Verlangen ent-<lb/> ſpraͤnge, ſich von ſeiner Achtungswuͤrdigkeit zu uͤber-<lb/> zeugen (<hi rendition="#aq">deſir de ſ'aſſurer de ſon exellence</hi>),<lb/> und nicht blos aus dem Wunſch, geachtet zu werden<lb/> (<hi rendition="#aq">deſir d'être <hi rendition="#i">eſtimé</hi></hi>), ſo wuͤrde man ja</p><lb/><p>1) den groͤßten Werth auf dasjenige ſetzen, was<lb/> von den groͤßten <hi rendition="#fr">perſoͤnlichen Vorzuͤgen</hi> (<hi rendition="#aq">ſuperio-<lb/> rité la plus perſonelle</hi>) zeigte, und dem Ohngefaͤhr<lb/> am wenigſten unterworfen waͤre. Man wuͤrde<lb/> z. B. wenn man zwiſchen der Ehre der Gelehrſam-<lb/> keit und der Waffen zu waͤhlen haͤtte, jene vorzie-</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">hen.</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Eilfte</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [398/0114]
ſucht werden muͤßte; da dies aber nicht geſchaͤhe,
ſo ſey klar, daß nicht Ehre um ihrer ſelbſt willen,
ſondern nur als ein Mittel, andre Vortheile zu
erlangen, geſucht werde. — Es iſt aber dies
Argument ſehr leicht zu widerlegen, ſobald man
erwegt, daß es allerdings Viele giebt, welche Ehre
oder eigentlicher Ehrenſtellen nur deswegen ſu-
chen, um eine andre Neigung, welche auch das
Verlangen nach ſinnlichen Vergnuͤgungen ſeyn
kann, zu befriedigen, daß man aber ſolchen nicht
eigentlich Ehrtrieb beylegen kann, und daß endlich
die Begierde nach anderweitigen Vortheilen mit
unter die Gruͤnde dieſes Triebes gezaͤhlt, aber
darum doch nicht der einzige Grund deſſelben ge-
nannt werden darf *).
Eilfte
*) Der franzoͤſiſche Philoſoph fuͤhrt zum Beweiſe ſei-
ner Behauptung folgende Gruͤnde an:
Wenn der Ehrtrieb aus dem Verlangen ent-
ſpraͤnge, ſich von ſeiner Achtungswuͤrdigkeit zu uͤber-
zeugen (deſir de ſ'aſſurer de ſon exellence),
und nicht blos aus dem Wunſch, geachtet zu werden
(deſir d'être eſtimé), ſo wuͤrde man ja
1) den groͤßten Werth auf dasjenige ſetzen, was
von den groͤßten perſoͤnlichen Vorzuͤgen (ſuperio-
rité la plus perſonelle) zeigte, und dem Ohngefaͤhr
am wenigſten unterworfen waͤre. Man wuͤrde
z. B. wenn man zwiſchen der Ehre der Gelehrſam-
keit und der Waffen zu waͤhlen haͤtte, jene vorzie-
hen.
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