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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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fall zu erwecken, so gehen seine Prätensionen,
wie seine Einbildung, ins Unendliche.

So war es bey dem reisenden Virtuosen un-
sers Gotters:

Er kam an einen Hof (ein Höfchen wollt'
ich sagen,
Das meine Chronika nicht nennt,)
Und, ob die Außenwerk' ihm gleich nicht sehr be-
hagen,
So nöthigt ihn doch ein zerbrochner Wagen,
Der Appetit, sein Element,
Und ach! ein Ding, noch leerer, als sein Magen,
Sein Beutel sich beym Marschall anzusagen;
Beym Marschall, der auch Kanzler, Präsident,
Und General, und Haupt der Jägereyen,
Der Kirchen, hohen Schulen, Stutereyen
Und Sekretär des Luftballordens war;
Ein Orden, der so fein zum Staatssysteme paßte,
Daß er so Hof als Stadt und gar
Die Nachbarschaften in sich faßte;
Mit Ausschluß der Montur und Liverey

Stand
von seiner Krankheit geheilt. Möge ihn doch die
Vernunft bald heilen! --
Das beste Mittel den Eingebildeten zur Er-
kenntniß der Wahrheit zu bringen ist, Auge und Ohr
vor seinen Thorheiten zu verschließen, und ihn in
solche Umstände zu setzen, wo er mit seiner Einbil-
dung zu schanden wird.
Cc 5

fall zu erwecken, ſo gehen ſeine Praͤtenſionen,
wie ſeine Einbildung, ins Unendliche.

So war es bey dem reiſenden Virtuoſen un-
ſers Gotters:

Er kam an einen Hof (ein Hoͤfchen wollt'
ich ſagen,
Das meine Chronika nicht nennt,)
Und, ob die Außenwerk' ihm gleich nicht ſehr be-
hagen,
So noͤthigt ihn doch ein zerbrochner Wagen,
Der Appetit, ſein Element,
Und ach! ein Ding, noch leerer, als ſein Magen,
Sein Beutel ſich beym Marſchall anzuſagen;
Beym Marſchall, der auch Kanzler, Praͤſident,
Und General, und Haupt der Jaͤgereyen,
Der Kirchen, hohen Schulen, Stutereyen
Und Sekretaͤr des Luftballordens war;
Ein Orden, der ſo fein zum Staatsſyſteme paßte,
Daß er ſo Hof als Stadt und gar
Die Nachbarſchaften in ſich faßte;
Mit Ausſchluß der Montur und Liverey

Stand
von ſeiner Krankheit geheilt. Moͤge ihn doch die
Vernunft bald heilen! —
Das beſte Mittel den Eingebildeten zur Er-
kenntniß der Wahrheit zu bringen iſt, Auge und Ohr
vor ſeinen Thorheiten zu verſchließen, und ihn in
ſolche Umſtaͤnde zu ſetzen, wo er mit ſeiner Einbil-
dung zu ſchanden wird.
Cc 5
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[409/0125] fall zu erwecken, ſo gehen ſeine Praͤtenſionen, wie ſeine Einbildung, ins Unendliche. So war es bey dem reiſenden Virtuoſen un- ſers Gotters: Er kam an einen Hof (ein Hoͤfchen wollt' ich ſagen, Das meine Chronika nicht nennt,) Und, ob die Außenwerk' ihm gleich nicht ſehr be- hagen, So noͤthigt ihn doch ein zerbrochner Wagen, Der Appetit, ſein Element, Und ach! ein Ding, noch leerer, als ſein Magen, Sein Beutel ſich beym Marſchall anzuſagen; Beym Marſchall, der auch Kanzler, Praͤſident, Und General, und Haupt der Jaͤgereyen, Der Kirchen, hohen Schulen, Stutereyen Und Sekretaͤr des Luftballordens war; Ein Orden, der ſo fein zum Staatsſyſteme paßte, Daß er ſo Hof als Stadt und gar Die Nachbarſchaften in ſich faßte; Mit Ausſchluß der Montur und Liverey Stand *) *) von ſeiner Krankheit geheilt. Moͤge ihn doch die Vernunft bald heilen! — Das beſte Mittel den Eingebildeten zur Er- kenntniß der Wahrheit zu bringen iſt, Auge und Ohr vor ſeinen Thorheiten zu verſchließen, und ihn in ſolche Umſtaͤnde zu ſetzen, wo er mit ſeiner Einbil- dung zu ſchanden wird. Cc 5

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/125>, abgerufen am 21.11.2024.