Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.in moralischer Hinsicht Kopfhängerey, blinde Or- Ge- Backenzähnen, wie eine Guirlande geschlungen. Sein Rock war ehemals scharlachroth und schattirt, jetzt stark ins Blaue, und die Näthe sind an den Rändern weiß. Ein Postillon d'Amour von roth gewordnem schwarzen Bande flattert ihm über Schultern und Brust herab, und hängt mit einem ungeheuren plattgedrückten Haarbeutel, der an den Ecken das weiße Unterfutter herdurchschimmern läßt, und mit Puder und Staub, vom Regen zu einer grauen Rinde verdickt, überzogen ist, brüderlich zu- sammen. Ein kleiner Hut mit einer ehemals wei- ßen Feder, die jetzt schwarzgrau geworden ist, ruht auf einer Perücke von Pferdehaar, senkt die eine Spitze nach der rechten Schulter herab, und läßt die andre zum Himmel empor steigen. Das ganze Figürchen geht vor seinem Kram mit untergeschla- genen Augen hahnenhaft auf und ab, und was die- ser Haltung an Ernst und Stolz abgeht, ersetzt ein großer Bart, der acht Tage alt ist, und eine Uhr- kette mit rasselnden Berlocken, die über die Hälfte des Schenkels herabfällt." *) Der Rector der Schule zu Amiens Hans des Can-
res schrieb eine Ode zum Lobe der Bartholo- mäus-Nacht, und schrie es für die größte Sün- de aus, daß die Weiber seiner Zeit kleine Spiegel an den Gürteln trugen. in moraliſcher Hinſicht Kopfhaͤngerey, blinde Or- Ge- Backenzaͤhnen, wie eine Guirlande geſchlungen. Sein Rock war ehemals ſcharlachroth und ſchattirt, jetzt ſtark ins Blaue, und die Naͤthe ſind an den Raͤndern weiß. Ein Poſtillon d'Amour von roth gewordnem ſchwarzen Bande flattert ihm uͤber Schultern und Bruſt herab, und haͤngt mit einem ungeheuren plattgedruͤckten Haarbeutel, der an den Ecken das weiße Unterfutter herdurchſchimmern laͤßt, und mit Puder und Staub, vom Regen zu einer grauen Rinde verdickt, uͤberzogen iſt, bruͤderlich zu- ſammen. Ein kleiner Hut mit einer ehemals wei- ßen Feder, die jetzt ſchwarzgrau geworden iſt, ruht auf einer Peruͤcke von Pferdehaar, ſenkt die eine Spitze nach der rechten Schulter herab, und laͤßt die andre zum Himmel empor ſteigen. Das ganze Figuͤrchen geht vor ſeinem Kram mit untergeſchla- genen Augen hahnenhaft auf und ab, und was die- ſer Haltung an Ernſt und Stolz abgeht, erſetzt ein großer Bart, der acht Tage alt iſt, und eine Uhr- kette mit raſſelnden Berlocken, die uͤber die Haͤlfte des Schenkels herabfaͤllt.„ *) Der Rector der Schule zu Amiens Hans des Can-
res ſchrieb eine Ode zum Lobe der Bartholo- maͤus-Nacht, und ſchrie es fuͤr die groͤßte Suͤn- de aus, daß die Weiber ſeiner Zeit kleine Spiegel an den Guͤrteln trugen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0130" n="414"/> in moraliſcher Hinſicht Kopfhaͤngerey, blinde Or-<lb/> thodoxie<note place="foot" n="*)">Der Rector der Schule zu Amiens Hans des Can-<lb/> res ſchrieb eine <hi rendition="#fr">Ode zum Lobe der Bartholo-<lb/> maͤus-Nacht</hi>, und ſchrie es fuͤr die groͤßte <hi rendition="#fr">Suͤn-<lb/> de</hi> aus, daß die Weiber ſeiner Zeit kleine <hi rendition="#fr">Spiegel<lb/> an den Guͤrteln</hi> trugen.</note>, unnatuͤrliche Gezwungenheit, muͤr-<lb/> riſcher Ernſt, Entfernung von der Welt; in der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_12_2" prev="#seg2pn_12_1" place="foot" n="*)"><p>Backenzaͤhnen, wie eine Guirlande geſchlungen.<lb/> Sein Rock war ehemals ſcharlachroth und ſchattirt,<lb/> jetzt ſtark ins Blaue, und die Naͤthe ſind an den<lb/> Raͤndern weiß. Ein Poſtillon d'Amour von roth<lb/> gewordnem ſchwarzen Bande flattert ihm uͤber<lb/> Schultern und Bruſt herab, und haͤngt mit einem<lb/> ungeheuren plattgedruͤckten Haarbeutel, der an den<lb/> Ecken das weiße Unterfutter herdurchſchimmern laͤßt,<lb/> und mit Puder und Staub, vom Regen zu einer<lb/> grauen Rinde verdickt, uͤberzogen iſt, bruͤderlich zu-<lb/> ſammen. Ein kleiner Hut mit einer ehemals wei-<lb/> ßen Feder, die jetzt ſchwarzgrau geworden iſt, ruht<lb/> auf einer Peruͤcke von Pferdehaar, ſenkt die eine<lb/> Spitze nach der rechten Schulter herab, und laͤßt<lb/> die andre zum Himmel empor ſteigen. Das ganze<lb/> Figuͤrchen geht vor ſeinem Kram mit untergeſchla-<lb/> genen Augen hahnenhaft auf und ab, und was die-<lb/> ſer Haltung an Ernſt und Stolz abgeht, erſetzt ein<lb/> großer Bart, der acht Tage alt iſt, und eine Uhr-<lb/> kette mit raſſelnden Berlocken, die uͤber die Haͤlfte<lb/> des Schenkels herabfaͤllt.„</p></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [414/0130]
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thodoxie *), unnatuͤrliche Gezwungenheit, muͤr-
riſcher Ernſt, Entfernung von der Welt; in der
Ge-
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*) Der Rector der Schule zu Amiens Hans des Can-
res ſchrieb eine Ode zum Lobe der Bartholo-
maͤus-Nacht, und ſchrie es fuͤr die groͤßte Suͤn-
de aus, daß die Weiber ſeiner Zeit kleine Spiegel
an den Guͤrteln trugen.
*) Backenzaͤhnen, wie eine Guirlande geſchlungen.
Sein Rock war ehemals ſcharlachroth und ſchattirt,
jetzt ſtark ins Blaue, und die Naͤthe ſind an den
Raͤndern weiß. Ein Poſtillon d'Amour von roth
gewordnem ſchwarzen Bande flattert ihm uͤber
Schultern und Bruſt herab, und haͤngt mit einem
ungeheuren plattgedruͤckten Haarbeutel, der an den
Ecken das weiße Unterfutter herdurchſchimmern laͤßt,
und mit Puder und Staub, vom Regen zu einer
grauen Rinde verdickt, uͤberzogen iſt, bruͤderlich zu-
ſammen. Ein kleiner Hut mit einer ehemals wei-
ßen Feder, die jetzt ſchwarzgrau geworden iſt, ruht
auf einer Peruͤcke von Pferdehaar, ſenkt die eine
Spitze nach der rechten Schulter herab, und laͤßt
die andre zum Himmel empor ſteigen. Das ganze
Figuͤrchen geht vor ſeinem Kram mit untergeſchla-
genen Augen hahnenhaft auf und ab, und was die-
ſer Haltung an Ernſt und Stolz abgeht, erſetzt ein
großer Bart, der acht Tage alt iſt, und eine Uhr-
kette mit raſſelnden Berlocken, die uͤber die Haͤlfte
des Schenkels herabfaͤllt.„
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