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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Ueberzeugung jeder Liebhaber stirbt, -- daß ein
schöner Körper auch von einer schönen Seele be-
wohnt werde. Jch kann nicht umhin bey dieser
Gelegenheit eine Apologie der weiblichen Eitelkeit
anzuführen, theils meinen Leserinnen zu Gefallen,
theils um sie für einen Mann zu gewinnen, der
mancher unter ihnen bis itzt vielleicht nicht ganz ge-
fiel, weil er ihr zu ernst vorkam, oder einen von
denen, welche sie interessirten, zu oft von ihrem
Cirkel zurückhielt. Die Eitelkeit, sagt Herr Kant
in seinen Beobachtungen über das Gefühl des
Schönen und Erhabnen, (in welchen überhaupt
das schöne Geschlecht viel Nahrung und Unter-
haltung finden kann,) "die Eitelkeit, die man
dem schönen Geschlecht so vielfältig vorrückt, wo-
fern sie ja an demselben ein Fehler ist, ist doch
nur ein schöner Fehler. Denn zu geschweigen,
daß die Mannspersonen, die dem Frauenzimmer
so gern schmeicheln, übel daran seyn würden,
wenn dieses nicht geneigt wäre, es wohl aufzu-
nehmen, so beleben sie dadurch wirklich ihre Rei-
ze. Diese Neigung ist ein Antrieb, Annehm-
lichkeiten und den guten Anstand zu zeigen, ihren
muntern Witz spielen zu lassen, ingleichen durch
die veränderlichen Erfindungen des Putzes zu
schimmern, und ihre Schönheit zu erhöhen. Hier-
in ist nun sogar nichts Beleidigendes für Andre,
sondern vielmehr, wenn es mit gutem Geschmacke

ge-

Ueberzeugung jeder Liebhaber ſtirbt, — daß ein
ſchoͤner Koͤrper auch von einer ſchoͤnen Seele be-
wohnt werde. Jch kann nicht umhin bey dieſer
Gelegenheit eine Apologie der weiblichen Eitelkeit
anzufuͤhren, theils meinen Leſerinnen zu Gefallen,
theils um ſie fuͤr einen Mann zu gewinnen, der
mancher unter ihnen bis itzt vielleicht nicht ganz ge-
fiel, weil er ihr zu ernſt vorkam, oder einen von
denen, welche ſie intereſſirten, zu oft von ihrem
Cirkel zuruͤckhielt. Die Eitelkeit, ſagt Herr Kant
in ſeinen Beobachtungen uͤber das Gefuͤhl des
Schoͤnen und Erhabnen, (in welchen uͤberhaupt
das ſchoͤne Geſchlecht viel Nahrung und Unter-
haltung finden kann,) „die Eitelkeit, die man
dem ſchoͤnen Geſchlecht ſo vielfaͤltig vorruͤckt, wo-
fern ſie ja an demſelben ein Fehler iſt, iſt doch
nur ein ſchoͤner Fehler. Denn zu geſchweigen,
daß die Mannsperſonen, die dem Frauenzimmer
ſo gern ſchmeicheln, uͤbel daran ſeyn wuͤrden,
wenn dieſes nicht geneigt waͤre, es wohl aufzu-
nehmen, ſo beleben ſie dadurch wirklich ihre Rei-
ze. Dieſe Neigung iſt ein Antrieb, Annehm-
lichkeiten und den guten Anſtand zu zeigen, ihren
muntern Witz ſpielen zu laſſen, ingleichen durch
die veraͤnderlichen Erfindungen des Putzes zu
ſchimmern, und ihre Schoͤnheit zu erhoͤhen. Hier-
in iſt nun ſogar nichts Beleidigendes fuͤr Andre,
ſondern vielmehr, wenn es mit gutem Geſchmacke

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[430/0146] Ueberzeugung jeder Liebhaber ſtirbt, — daß ein ſchoͤner Koͤrper auch von einer ſchoͤnen Seele be- wohnt werde. Jch kann nicht umhin bey dieſer Gelegenheit eine Apologie der weiblichen Eitelkeit anzufuͤhren, theils meinen Leſerinnen zu Gefallen, theils um ſie fuͤr einen Mann zu gewinnen, der mancher unter ihnen bis itzt vielleicht nicht ganz ge- fiel, weil er ihr zu ernſt vorkam, oder einen von denen, welche ſie intereſſirten, zu oft von ihrem Cirkel zuruͤckhielt. Die Eitelkeit, ſagt Herr Kant in ſeinen Beobachtungen uͤber das Gefuͤhl des Schoͤnen und Erhabnen, (in welchen uͤberhaupt das ſchoͤne Geſchlecht viel Nahrung und Unter- haltung finden kann,) „die Eitelkeit, die man dem ſchoͤnen Geſchlecht ſo vielfaͤltig vorruͤckt, wo- fern ſie ja an demſelben ein Fehler iſt, iſt doch nur ein ſchoͤner Fehler. Denn zu geſchweigen, daß die Mannsperſonen, die dem Frauenzimmer ſo gern ſchmeicheln, uͤbel daran ſeyn wuͤrden, wenn dieſes nicht geneigt waͤre, es wohl aufzu- nehmen, ſo beleben ſie dadurch wirklich ihre Rei- ze. Dieſe Neigung iſt ein Antrieb, Annehm- lichkeiten und den guten Anſtand zu zeigen, ihren muntern Witz ſpielen zu laſſen, ingleichen durch die veraͤnderlichen Erfindungen des Putzes zu ſchimmern, und ihre Schoͤnheit zu erhoͤhen. Hier- in iſt nun ſogar nichts Beleidigendes fuͤr Andre, ſondern vielmehr, wenn es mit gutem Geſchmacke ge-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/146>, abgerufen am 21.11.2024.