was die Farbe eines Systems und den Anschein von Ordnung und Gründlichkeit hat, verächtlich und lächerlich ist; so lacht der Schulstolze höhnisch über jeden nicht nach barbara, celarent, ferio, darii etc. zu messenden Schluß, über jedes freye Urtheil, jede Uebersetzung eines griechischen oder lateinischen terminus technicus. Dichter und praktische Philosophen zählt er zu den professori- bus artium ludicrarum et puerilium: gute Köpfe zu den ignoranten Thoren der neumodischen Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt sich schickende Gelehrten zu oberflächlichen und neumo- dischen Schwätzern. Der Geniestolze giebt für sein Symbolum aus: non scholae, sed vitae: das Symbolum des Schulstolzen ist: non vitae, sed scholae. Er ist der größte und lauteste lau- dator temporis acti; und beklagt den Verfall und Ruin des römischen Staats, und die freyere Denkungsart der Fürsten und Könige, weil nun keine Augustus, keine Mäcenas, keine Carl, keine Alphonsus mehr die Vertrauten Patrone der Ge- lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht mehr die Schule befragen. Er hält strenge über den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu- ruppinischen Schule, weil ihre Lehrer sich Lehrer und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon- Rectoren nennen. Er schüttelt den Kopf über die, welche nicht durch eine lateinische Disputation
sich
was die Farbe eines Syſtems und den Anſchein von Ordnung und Gruͤndlichkeit hat, veraͤchtlich und laͤcherlich iſt; ſo lacht der Schulſtolze hoͤhniſch uͤber jeden nicht nach barbara, celarent, ferio, darii etc. zu meſſenden Schluß, uͤber jedes freye Urtheil, jede Ueberſetzung eines griechiſchen oder lateiniſchen terminus technicus. Dichter und praktiſche Philoſophen zaͤhlt er zu den profeſſori- bus artium ludicrarum et puerilium: gute Koͤpfe zu den ignoranten Thoren der neumodiſchen Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt ſich ſchickende Gelehrten zu oberflaͤchlichen und neumo- diſchen Schwaͤtzern. Der Genieſtolze giebt fuͤr ſein Symbolum aus: non ſcholae, ſed vitae: das Symbolum des Schulſtolzen iſt: non vitae, ſed ſcholae. Er iſt der groͤßte und lauteſte lau- dator temporis acti; und beklagt den Verfall und Ruin des roͤmiſchen Staats, und die freyere Denkungsart der Fuͤrſten und Koͤnige, weil nun keine Auguſtus, keine Maͤcenas, keine Carl, keine Alphonſus mehr die Vertrauten Patrone der Ge- lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht mehr die Schule befragen. Er haͤlt ſtrenge uͤber den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu- ruppiniſchen Schule, weil ihre Lehrer ſich Lehrer und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon- Rectoren nennen. Er ſchuͤttelt den Kopf uͤber die, welche nicht durch eine lateiniſche Diſputation
ſich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="436"/>
was die Farbe eines Syſtems und den Anſchein<lb/>
von Ordnung und Gruͤndlichkeit hat, veraͤchtlich<lb/>
und laͤcherlich iſt; ſo lacht der Schulſtolze hoͤhniſch<lb/>
uͤber jeden nicht nach <hirendition="#aq">barbara, celarent, ferio,<lb/>
darii etc.</hi> zu meſſenden Schluß, uͤber jedes freye<lb/>
Urtheil, jede Ueberſetzung eines griechiſchen oder<lb/>
lateiniſchen <hirendition="#aq">terminus technicus</hi>. Dichter und<lb/>
praktiſche Philoſophen zaͤhlt er zu den <hirendition="#aq">profeſſori-<lb/>
bus artium ludicrarum et puerilium</hi>: gute<lb/>
Koͤpfe zu den ignoranten Thoren der neumodiſchen<lb/>
Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt ſich<lb/>ſchickende Gelehrten zu oberflaͤchlichen und neumo-<lb/>
diſchen Schwaͤtzern. Der Genieſtolze giebt fuͤr<lb/>ſein Symbolum aus: <hirendition="#aq">non <hirendition="#i">ſcholae</hi>, ſed <hirendition="#i">vitae</hi>:</hi><lb/>
das Symbolum des Schulſtolzen iſt: <hirendition="#aq">non <hirendition="#i">vitae</hi>,<lb/>ſed <hirendition="#i">ſcholae</hi>.</hi> Er iſt der groͤßte und lauteſte <hirendition="#aq">lau-<lb/>
dator temporis acti</hi>; und beklagt den Verfall<lb/>
und Ruin des roͤmiſchen Staats, und die freyere<lb/>
Denkungsart der Fuͤrſten und Koͤnige, weil nun<lb/>
keine Auguſtus, keine Maͤcenas, keine Carl, keine<lb/><hirendition="#aq">Alphonſus</hi> mehr die Vertrauten Patrone der Ge-<lb/>
lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht<lb/>
mehr die Schule befragen. Er haͤlt ſtrenge uͤber<lb/>
den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu-<lb/>
ruppiniſchen Schule, weil ihre Lehrer ſich <hirendition="#b">Lehrer</hi><lb/>
und nicht Rectoren, <hirendition="#aq">Con- Sub-</hi> und <hirendition="#aq">Subcon-</hi><lb/>
Rectoren nennen. Er ſchuͤttelt den Kopf uͤber<lb/>
die, welche nicht durch eine lateiniſche Diſputation<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[436/0152]
was die Farbe eines Syſtems und den Anſchein
von Ordnung und Gruͤndlichkeit hat, veraͤchtlich
und laͤcherlich iſt; ſo lacht der Schulſtolze hoͤhniſch
uͤber jeden nicht nach barbara, celarent, ferio,
darii etc. zu meſſenden Schluß, uͤber jedes freye
Urtheil, jede Ueberſetzung eines griechiſchen oder
lateiniſchen terminus technicus. Dichter und
praktiſche Philoſophen zaͤhlt er zu den profeſſori-
bus artium ludicrarum et puerilium: gute
Koͤpfe zu den ignoranten Thoren der neumodiſchen
Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt ſich
ſchickende Gelehrten zu oberflaͤchlichen und neumo-
diſchen Schwaͤtzern. Der Genieſtolze giebt fuͤr
ſein Symbolum aus: non ſcholae, ſed vitae:
das Symbolum des Schulſtolzen iſt: non vitae,
ſed ſcholae. Er iſt der groͤßte und lauteſte lau-
dator temporis acti; und beklagt den Verfall
und Ruin des roͤmiſchen Staats, und die freyere
Denkungsart der Fuͤrſten und Koͤnige, weil nun
keine Auguſtus, keine Maͤcenas, keine Carl, keine
Alphonſus mehr die Vertrauten Patrone der Ge-
lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht
mehr die Schule befragen. Er haͤlt ſtrenge uͤber
den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu-
ruppiniſchen Schule, weil ihre Lehrer ſich Lehrer
und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon-
Rectoren nennen. Er ſchuͤttelt den Kopf uͤber
die, welche nicht durch eine lateiniſche Diſputation
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/152>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.