"werden? -- Vielleicht bilden sie sich ein, daß "die königliche Würde weit über der bischöflichen "stehe; sie können aber den Unterschied von bey- "den aus ihrem Ursprung beurtheilen lernen. "Die Eine ist ein Werk des menschlichen Stolzes, "und die andere ein Werk der göttlichen Güte: "jene strebt nach eitler Ehre, und diese hat die "Seligkeiten des Himmels zur Absicht."
Der geistliche Stolz und damit verbundne Despotismus Gregors des Siebenden ließ den unglücklichen Kaiser drey Wintertage lang bar- fuß vor seiner Burg stehen; begnadigte ihn end- lich, aber nur, um ihn, sobald das Glück sei- nen Gegenkaiser, Rudolph, Herzog von Schwa- ben, begünstigte, wieder zu stürzen. Er be- schließt das Decret, durch welches er Heinrich den Vierten der Königreiche Deutschland und Jtalien verlustig erklärt, und ihm alle königliche Macht und Ehre nimmt, mit folgender Apostro- phe an die Apostel Petrus und Paulus:
"Lasset demnach alle Welt sehen, daß ihr, "wenn ihr im Himmel binden und lösen könnt, "nicht weniger auf Erden einem jeglichen, wie er "es verdient, Kaiserthümer, Königreiche, Für- "stenthümer, Herzogthümer, Markgrafschaften, "Grafschaften und die Besitzungen aller Menschen "nehmen und geben könnet -- -- -- laßt die "Könige und Fürsten itzt Eure Gewalt kennen
"lernen,
„werden? — Vielleicht bilden ſie ſich ein, daß „die koͤnigliche Wuͤrde weit uͤber der biſchoͤflichen „ſtehe; ſie koͤnnen aber den Unterſchied von bey- „den aus ihrem Urſprung beurtheilen lernen. „Die Eine iſt ein Werk des menſchlichen Stolzes, „und die andere ein Werk der goͤttlichen Guͤte: „jene ſtrebt nach eitler Ehre, und dieſe hat die „Seligkeiten des Himmels zur Abſicht.„
Der geiſtliche Stolz und damit verbundne Deſpotiſmus Gregors des Siebenden ließ den ungluͤcklichen Kaiſer drey Wintertage lang bar- fuß vor ſeiner Burg ſtehen; begnadigte ihn end- lich, aber nur, um ihn, ſobald das Gluͤck ſei- nen Gegenkaiſer, Rudolph, Herzog von Schwa- ben, beguͤnſtigte, wieder zu ſtuͤrzen. Er be- ſchließt das Decret, durch welches er Heinrich den Vierten der Koͤnigreiche Deutſchland und Jtalien verluſtig erklaͤrt, und ihm alle koͤnigliche Macht und Ehre nimmt, mit folgender Apoſtro- phe an die Apoſtel Petrus und Paulus:
„Laſſet demnach alle Welt ſehen, daß ihr, „wenn ihr im Himmel binden und loͤſen koͤnnt, „nicht weniger auf Erden einem jeglichen, wie er „es verdient, Kaiſerthuͤmer, Koͤnigreiche, Fuͤr- „ſtenthuͤmer, Herzogthuͤmer, Markgrafſchaften, „Grafſchaften und die Beſitzungen aller Menſchen „nehmen und geben koͤnnet — — — laßt die „Koͤnige und Fuͤrſten itzt Eure Gewalt kennen
„lernen,
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„werden? — Vielleicht bilden ſie ſich ein, daß
„die koͤnigliche Wuͤrde weit uͤber der biſchoͤflichen
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„den aus ihrem Urſprung beurtheilen lernen.
„Die Eine iſt ein Werk des menſchlichen Stolzes,
„und die andere ein Werk der goͤttlichen Guͤte:
„jene ſtrebt nach eitler Ehre, und dieſe hat die
„Seligkeiten des Himmels zur Abſicht.„
Der geiſtliche Stolz und damit verbundne
Deſpotiſmus Gregors des Siebenden ließ den
ungluͤcklichen Kaiſer drey Wintertage lang bar-
fuß vor ſeiner Burg ſtehen; begnadigte ihn end-
lich, aber nur, um ihn, ſobald das Gluͤck ſei-
nen Gegenkaiſer, Rudolph, Herzog von Schwa-
ben, beguͤnſtigte, wieder zu ſtuͤrzen. Er be-
ſchließt das Decret, durch welches er Heinrich
den Vierten der Koͤnigreiche Deutſchland und
Jtalien verluſtig erklaͤrt, und ihm alle koͤnigliche
Macht und Ehre nimmt, mit folgender Apoſtro-
phe an die Apoſtel Petrus und Paulus:
„Laſſet demnach alle Welt ſehen, daß ihr,
„wenn ihr im Himmel binden und loͤſen koͤnnt,
„nicht weniger auf Erden einem jeglichen, wie er
„es verdient, Kaiſerthuͤmer, Koͤnigreiche, Fuͤr-
„ſtenthuͤmer, Herzogthuͤmer, Markgrafſchaften,
„Grafſchaften und die Beſitzungen aller Menſchen
„nehmen und geben koͤnnet — — — laßt die
„Koͤnige und Fuͤrſten itzt Eure Gewalt kennen
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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