verdrießt auf der ganzen Welt nichts mehr. -- Hohl's der Henker! Jch möchte lieber nicht so vornehm seyn, als ich bin. Man untersteht sich nicht mit mir zu fechten, weil die Königin meine Mutter ist! Jeder Hans Aff ficht und schlägt sich satt und voll, und ich muß auf und nieder gehen, gleich einem Hahn*), mit dem keiner es aufnehmen kann."
Wenn die Erhebung über Andre und die Nichtachtung derselben so ausgelassen wird, daß sie sich über Alles, worauf Vernünftige achten, hinwegsetzt, und in offenbare Beleidigungen, Ver- spottungen, Verhöhnungen Andrer übergeht, so heißt sie Uebermuth.
Alles verachtet der Uebermüthige, wenn sei- ne Laune ihn überfällt: kennt keine Gesetze der Decenz, der Ordnung, der Sittlichkeit. Nie- mand ist vor seinen Angriffen sicher; denn er sieht und hört durchaus nichts, als sich und seinen Uebermuth.
Herr Schulz in seiner Schrift über Paris und die Pariser erzählt ein frappantes Beyspiel von Uebermuth aus den Zeiten Ludwigs des Vierzehnten. Ein Lakey wettete mit seinen Ka- meraden um eine Flasche Wein, daß er dem ersten Frauenzimmer, die aus dem Garten käme, den Rock lüften, und einen Schilling geben wollte.
Man
*) Eine trefliche Vergleichung!
verdrießt auf der ganzen Welt nichts mehr. — Hohl's der Henker! Jch moͤchte lieber nicht ſo vornehm ſeyn, als ich bin. Man unterſteht ſich nicht mit mir zu fechten, weil die Koͤnigin meine Mutter iſt! Jeder Hans Aff ficht und ſchlaͤgt ſich ſatt und voll, und ich muß auf und nieder gehen, gleich einem Hahn*), mit dem keiner es aufnehmen kann.„
Wenn die Erhebung uͤber Andre und die Nichtachtung derſelben ſo ausgelaſſen wird, daß ſie ſich uͤber Alles, worauf Vernuͤnftige achten, hinwegſetzt, und in offenbare Beleidigungen, Ver- ſpottungen, Verhoͤhnungen Andrer uͤbergeht, ſo heißt ſie Uebermuth.
Alles verachtet der Uebermuͤthige, wenn ſei- ne Laune ihn uͤberfaͤllt: kennt keine Geſetze der Decenz, der Ordnung, der Sittlichkeit. Nie- mand iſt vor ſeinen Angriffen ſicher; denn er ſieht und hoͤrt durchaus nichts, als ſich und ſeinen Uebermuth.
Herr Schulz in ſeiner Schrift uͤber Paris und die Pariſer erzaͤhlt ein frappantes Beyſpiel von Uebermuth aus den Zeiten Ludwigs des Vierzehnten. Ein Lakey wettete mit ſeinen Ka- meraden um eine Flaſche Wein, daß er dem erſten Frauenzimmer, die aus dem Garten kaͤme, den Rock luͤften, und einen Schilling geben wollte.
Man
*) Eine trefliche Vergleichung!
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verdrießt auf der ganzen Welt nichts mehr. —
Hohl's der Henker! Jch moͤchte lieber nicht ſo
vornehm ſeyn, als ich bin. Man unterſteht
ſich nicht mit mir zu fechten, weil die Koͤnigin
meine Mutter iſt! Jeder Hans Aff ficht und
ſchlaͤgt ſich ſatt und voll, und ich muß auf und
nieder gehen, gleich einem Hahn *), mit dem
keiner es aufnehmen kann.„
Wenn die Erhebung uͤber Andre und die
Nichtachtung derſelben ſo ausgelaſſen wird, daß
ſie ſich uͤber Alles, worauf Vernuͤnftige achten,
hinwegſetzt, und in offenbare Beleidigungen, Ver-
ſpottungen, Verhoͤhnungen Andrer uͤbergeht, ſo
heißt ſie Uebermuth.
Alles verachtet der Uebermuͤthige, wenn ſei-
ne Laune ihn uͤberfaͤllt: kennt keine Geſetze der
Decenz, der Ordnung, der Sittlichkeit. Nie-
mand iſt vor ſeinen Angriffen ſicher; denn er ſieht
und hoͤrt durchaus nichts, als ſich und ſeinen
Uebermuth.
Herr Schulz in ſeiner Schrift uͤber Paris
und die Pariſer erzaͤhlt ein frappantes Beyſpiel
von Uebermuth aus den Zeiten Ludwigs des
Vierzehnten. Ein Lakey wettete mit ſeinen Ka-
meraden um eine Flaſche Wein, daß er dem erſten
Frauenzimmer, die aus dem Garten kaͤme, den
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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