haben der Königin noch was besonders zu sagen, Se. Majestät und Herr Necker werden also die Güte haben, uns ein wenig mit ihr allein zu las- sen." -- Der König sah sie ängstlich an, und sagte: "Wozu das? Was wollt ihr? Jch hoffe, daß ihr keine gewaltthätige Absichten habt." -- "Fürchten Sie nichts, erwiederte Madam Cha- blis, wir wollen blos ein Bischen mit ihr schwa- tzen. Und wenn Sie uns nicht trauen, da neh- men Sie Sechs von uns als Geißeln mit; die Weiber da sind wohl so viel werth, als alle Hof- damen, das sag ich!" -- Der König entfern- te sich mit Necker, und nun gaben die Weiber der Königin die Ermahnung in ihrem Tone, sehr ehrlich gedacht und kräftig gesagt: daß sie sich in Zukunft besser aufführen sollte. Diesmal woll- ten sie ihr noch durch die Finger sehen, aber es wäre auch das letztemal. Sie hätte den guten König gewaltig hinter das Licht geführt. Ge- schähe dies noch einmal, so -- hier wurden ihre Minen und Gebehrden so heftig, daß die Köni- gin eine Bewegung machte, als ob sie Hülfe ru- fen wollte. -- Seyn Sie nur ruhig, sagte jetzt Madame Chablis: wir geben Jhnen da nur einen kleinen freundschaftlichen Rath, und zum Zeichen, daß alles vergessen und vergeben ist, wollen wir Sie umarmen. Gnade muß vor Recht gehen (Car a tout pecheur misericorde).
Nun
haben der Koͤnigin noch was beſonders zu ſagen, Se. Majeſtaͤt und Herr Necker werden alſo die Guͤte haben, uns ein wenig mit ihr allein zu laſ- ſen.„ — Der Koͤnig ſah ſie aͤngſtlich an, und ſagte: „Wozu das? Was wollt ihr? Jch hoffe, daß ihr keine gewaltthaͤtige Abſichten habt.„ — „Fuͤrchten Sie nichts, erwiederte Madam Cha- blis, wir wollen blos ein Bischen mit ihr ſchwa- tzen. Und wenn Sie uns nicht trauen, da neh- men Sie Sechs von uns als Geißeln mit; die Weiber da ſind wohl ſo viel werth, als alle Hof- damen, das ſag ich!„ — Der Koͤnig entfern- te ſich mit Necker, und nun gaben die Weiber der Koͤnigin die Ermahnung in ihrem Tone, ſehr ehrlich gedacht und kraͤftig geſagt: daß ſie ſich in Zukunft beſſer auffuͤhren ſollte. Diesmal woll- ten ſie ihr noch durch die Finger ſehen, aber es waͤre auch das letztemal. Sie haͤtte den guten Koͤnig gewaltig hinter das Licht gefuͤhrt. Ge- ſchaͤhe dies noch einmal, ſo — hier wurden ihre Minen und Gebehrden ſo heftig, daß die Koͤni- gin eine Bewegung machte, als ob ſie Huͤlfe ru- fen wollte. — Seyn Sie nur ruhig, ſagte jetzt Madame Chablis: wir geben Jhnen da nur einen kleinen freundſchaftlichen Rath, und zum Zeichen, daß alles vergeſſen und vergeben iſt, wollen wir Sie umarmen. Gnade muß vor Recht gehen (Car a tout pécheur miſericorde).
Nun
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haben der Koͤnigin noch was beſonders zu ſagen,
Se. Majeſtaͤt und Herr Necker werden alſo die
Guͤte haben, uns ein wenig mit ihr allein zu laſ-
ſen.„ — Der Koͤnig ſah ſie aͤngſtlich an, und
ſagte: „Wozu das? Was wollt ihr? Jch hoffe,
daß ihr keine gewaltthaͤtige Abſichten habt.„ —
„Fuͤrchten Sie nichts, erwiederte Madam Cha-
blis, wir wollen blos ein Bischen mit ihr ſchwa-
tzen. Und wenn Sie uns nicht trauen, da neh-
men Sie Sechs von uns als Geißeln mit; die
Weiber da ſind wohl ſo viel werth, als alle Hof-
damen, das ſag ich!„ — Der Koͤnig entfern-
te ſich mit Necker, und nun gaben die Weiber
der Koͤnigin die Ermahnung in ihrem Tone, ſehr
ehrlich gedacht und kraͤftig geſagt: daß ſie ſich in
Zukunft beſſer auffuͤhren ſollte. Diesmal woll-
ten ſie ihr noch durch die Finger ſehen, aber es
waͤre auch das letztemal. Sie haͤtte den guten
Koͤnig gewaltig hinter das Licht gefuͤhrt. Ge-
ſchaͤhe dies noch einmal, ſo — hier wurden ihre
Minen und Gebehrden ſo heftig, daß die Koͤni-
gin eine Bewegung machte, als ob ſie Huͤlfe ru-
fen wollte. — Seyn Sie nur ruhig, ſagte
jetzt Madame Chablis: wir geben Jhnen da nur
einen kleinen freundſchaftlichen Rath, und zum
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wollen wir Sie umarmen. Gnade muß vor
Recht gehen (Car a tout pécheur miſericorde).
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/178>, abgerufen am 21.11.2024.
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