welche durch die Anwendung ihres Eigenthums diesen Wunsch befriedigen. Denn eben deswe- gen, weil ihr Verlangen nach guten Tagen so heftig ist, ist die Furcht dasselbe nicht befriedi- gen zu können, so groß, und sie glauben daher, nicht genug Mittel erwerben zu können, um zu ihrem Zweck zu gelangen. Mich dünkt, daß die diese Erklärung bestätigende Bemerkung des fran- zösischen Weltweisen Helvetius sehr richtig ist, wenn er sagt, daß die Begierde nach Geld und Gut, ohne doch dasselbe zum Vergnügen und zur Bequemlichkeit zu nutzen, sich am häufigsten bey Leuten finde, welche in Dürftigkeit gebohren sind, oder möchte ich hinzusetzen, sehr häufig die Bey- spiele des Elends, worin die Dürftigkeit versetzt, vor Augen haben. Bey solchen Personen muß natürlich die Furcht vor Mangel und Armuth sehr lebhaft, und das Bestreben, nie darin zu gera- then, sehr stark seyn. Sie sammlen und samm- len daher, ohne doch mehr, als die nothwendig- sten Bedürfnisse zu befriedigen, weil sie zu den minder nothwendigen immer noch nicht genug zu haben meynen. Je älter sie werden, desto schwächer werden die Reize, welche das Vergnü- gen, die Pracht und was sonst zum Aufwand er- muntert, haben; und sie kommen endlich durch die Gewohnheit dahin, daß sie sich mit der Möglichkeit mehrere Bedürfnisse zu befriedigen,
be-
welche durch die Anwendung ihres Eigenthums dieſen Wunſch befriedigen. Denn eben deswe- gen, weil ihr Verlangen nach guten Tagen ſo heftig iſt, iſt die Furcht daſſelbe nicht befriedi- gen zu koͤnnen, ſo groß, und ſie glauben daher, nicht genug Mittel erwerben zu koͤnnen, um zu ihrem Zweck zu gelangen. Mich duͤnkt, daß die dieſe Erklaͤrung beſtaͤtigende Bemerkung des fran- zoͤſiſchen Weltweiſen Helvetius ſehr richtig iſt, wenn er ſagt, daß die Begierde nach Geld und Gut, ohne doch daſſelbe zum Vergnuͤgen und zur Bequemlichkeit zu nutzen, ſich am haͤufigſten bey Leuten finde, welche in Duͤrftigkeit gebohren ſind, oder moͤchte ich hinzuſetzen, ſehr haͤufig die Bey- ſpiele des Elends, worin die Duͤrftigkeit verſetzt, vor Augen haben. Bey ſolchen Perſonen muß natuͤrlich die Furcht vor Mangel und Armuth ſehr lebhaft, und das Beſtreben, nie darin zu gera- then, ſehr ſtark ſeyn. Sie ſammlen und ſamm- len daher, ohne doch mehr, als die nothwendig- ſten Beduͤrfniſſe zu befriedigen, weil ſie zu den minder nothwendigen immer noch nicht genug zu haben meynen. Je aͤlter ſie werden, deſto ſchwaͤcher werden die Reize, welche das Vergnuͤ- gen, die Pracht und was ſonſt zum Aufwand er- muntert, haben; und ſie kommen endlich durch die Gewohnheit dahin, daß ſie ſich mit der Moͤglichkeit mehrere Beduͤrfniſſe zu befriedigen,
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welche durch die Anwendung ihres Eigenthums
dieſen Wunſch befriedigen. Denn eben deswe-
gen, weil ihr Verlangen nach guten Tagen ſo
heftig iſt, iſt die Furcht daſſelbe nicht befriedi-
gen zu koͤnnen, ſo groß, und ſie glauben daher,
nicht genug Mittel erwerben zu koͤnnen, um zu
ihrem Zweck zu gelangen. Mich duͤnkt, daß die
dieſe Erklaͤrung beſtaͤtigende Bemerkung des fran-
zoͤſiſchen Weltweiſen Helvetius ſehr richtig iſt,
wenn er ſagt, daß die Begierde nach Geld und
Gut, ohne doch daſſelbe zum Vergnuͤgen und zur
Bequemlichkeit zu nutzen, ſich am haͤufigſten bey
Leuten finde, welche in Duͤrftigkeit gebohren ſind,
oder moͤchte ich hinzuſetzen, ſehr haͤufig die Bey-
ſpiele des Elends, worin die Duͤrftigkeit verſetzt,
vor Augen haben. Bey ſolchen Perſonen muß
natuͤrlich die Furcht vor Mangel und Armuth ſehr
lebhaft, und das Beſtreben, nie darin zu gera-
then, ſehr ſtark ſeyn. Sie ſammlen und ſamm-
len daher, ohne doch mehr, als die nothwendig-
ſten Beduͤrfniſſe zu befriedigen, weil ſie zu den
minder nothwendigen immer noch nicht genug zu
haben meynen. Je aͤlter ſie werden, deſto
ſchwaͤcher werden die Reize, welche das Vergnuͤ-
gen, die Pracht und was ſonſt zum Aufwand er-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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