Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.keine Hofnung und kennt keine Glückseligkeit, als Sehr wahr ist die Schilderung, welche, in l'esti- *) Herr Harpagon ist unter allen Menschen am we-
nigsten Mensch, unter den Sterblichen der härtste und verschlossenste. Keine Gefälligkeit bringt seine Erkenntlichkeit so weit, daß er die Hände öfnen sollte. Lob, Achtung, Wohlwollen in Worten und Freundschaft, so viel man verlangt -- nur -- kein Geld. Nichts ist trockner und trauriger, als seine Gunstbezeugungen; geben ist ein Wort, welches er so sehr verabscheut, daß er nie sagt: ich gebe dir meinen Gruß; sondern: ich leihe dir ihn. Ueber- dies ist er ein Barbar, seine Härte könnte alles in Verzweiflung setzen, und man könnte des Todes seyn, ohne daß er sich rühren würde. Kurz, er liebt das Geld mehr als Ehre, guten Namen und Tugend. Der Anblick eines Fordernden bringt ihm Verzuckungen, dadurch wird seine empfindlich- ste Seite getroffen, das durchbort ihm das Herz, und zerreißt seine Eingeweide. keine Hofnung und kennt keine Gluͤckſeligkeit, als Sehr wahr iſt die Schilderung, welche, in l'eſti- *) Herr Harpagon iſt unter allen Menſchen am we-
nigſten Menſch, unter den Sterblichen der haͤrtſte und verſchloſſenſte. Keine Gefaͤlligkeit bringt ſeine Erkenntlichkeit ſo weit, daß er die Haͤnde oͤfnen ſollte. Lob, Achtung, Wohlwollen in Worten und Freundſchaft, ſo viel man verlangt — nur — kein Geld. Nichts iſt trockner und trauriger, als ſeine Gunſtbezeugungen; geben iſt ein Wort, welches er ſo ſehr verabſcheut, daß er nie ſagt: ich gebe dir meinen Gruß; ſondern: ich leihe dir ihn. Ueber- dies iſt er ein Barbar, ſeine Haͤrte koͤnnte alles in Verzweiflung ſetzen, und man koͤnnte des Todes ſeyn, ohne daß er ſich ruͤhren wuͤrde. Kurz, er liebt das Geld mehr als Ehre, guten Namen und Tugend. Der Anblick eines Fordernden bringt ihm Verzuckungen, dadurch wird ſeine empfindlich- ſte Seite getroffen, das durchbort ihm das Herz, und zerreißt ſeine Eingeweide. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="484"/> keine Hofnung und kennt keine Gluͤckſeligkeit, als<lb/> die, welche ihm der todte Geldklumpen gewaͤhrt.</p><lb/> <p>Sehr wahr iſt die Schilderung, welche, in<lb/> dem ſchon angefuͤhrten Luſtſpiel, <hi rendition="#b">la Fleche</hi> von<lb/> dem niedrigen Geizigen in der Perſon des <hi rendition="#b">Harpa-<lb/> gons</hi> macht<note place="foot" n="*)">Herr Harpagon iſt unter allen Menſchen am we-<lb/> nigſten Menſch, unter den Sterblichen der haͤrtſte<lb/> und verſchloſſenſte. Keine Gefaͤlligkeit bringt ſeine<lb/> Erkenntlichkeit ſo weit, daß er die Haͤnde oͤfnen<lb/> ſollte. Lob, Achtung, Wohlwollen in <hi rendition="#fr">Worten</hi> und<lb/> Freundſchaft, ſo viel man verlangt — nur — kein<lb/> Geld. Nichts iſt trockner und trauriger, als ſeine<lb/> Gunſtbezeugungen; geben iſt ein Wort, welches er<lb/> ſo ſehr verabſcheut, daß er nie ſagt: ich <hi rendition="#fr">gebe</hi> dir<lb/> meinen Gruß; ſondern: ich <hi rendition="#fr">leihe</hi> dir ihn. Ueber-<lb/> dies iſt er ein Barbar, ſeine Haͤrte koͤnnte alles in<lb/> Verzweiflung ſetzen, und man koͤnnte des Todes<lb/> ſeyn, ohne daß er ſich ruͤhren wuͤrde. Kurz, er<lb/> liebt das Geld mehr als Ehre, guten Namen und<lb/> Tugend. Der Anblick eines Fordernden bringt<lb/> ihm Verzuckungen, dadurch wird ſeine empfindlich-<lb/> ſte Seite getroffen, das durchbort ihm das Herz,<lb/> und zerreißt ſeine Eingeweide.</note>. <hi rendition="#aq">Le Seigneur Harpagon</hi>, ſagt<lb/> er, <hi rendition="#aq">eſt de tous les humains l'humain le moins<lb/> humain, le mortel de tous les mortels le plus<lb/> dur, & le plus ſerré. Il n'eſt point de ſervi-<lb/> ce qui pouſſe ſa reconnoiſſance jusqu'à lui<lb/> faire ouvrir les mains. De la louange, de</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">l'eſti-</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [484/0200]
keine Hofnung und kennt keine Gluͤckſeligkeit, als
die, welche ihm der todte Geldklumpen gewaͤhrt.
Sehr wahr iſt die Schilderung, welche, in
dem ſchon angefuͤhrten Luſtſpiel, la Fleche von
dem niedrigen Geizigen in der Perſon des Harpa-
gons macht *). Le Seigneur Harpagon, ſagt
er, eſt de tous les humains l'humain le moins
humain, le mortel de tous les mortels le plus
dur, & le plus ſerré. Il n'eſt point de ſervi-
ce qui pouſſe ſa reconnoiſſance jusqu'à lui
faire ouvrir les mains. De la louange, de
l'eſti-
*) Herr Harpagon iſt unter allen Menſchen am we-
nigſten Menſch, unter den Sterblichen der haͤrtſte
und verſchloſſenſte. Keine Gefaͤlligkeit bringt ſeine
Erkenntlichkeit ſo weit, daß er die Haͤnde oͤfnen
ſollte. Lob, Achtung, Wohlwollen in Worten und
Freundſchaft, ſo viel man verlangt — nur — kein
Geld. Nichts iſt trockner und trauriger, als ſeine
Gunſtbezeugungen; geben iſt ein Wort, welches er
ſo ſehr verabſcheut, daß er nie ſagt: ich gebe dir
meinen Gruß; ſondern: ich leihe dir ihn. Ueber-
dies iſt er ein Barbar, ſeine Haͤrte koͤnnte alles in
Verzweiflung ſetzen, und man koͤnnte des Todes
ſeyn, ohne daß er ſich ruͤhren wuͤrde. Kurz, er
liebt das Geld mehr als Ehre, guten Namen und
Tugend. Der Anblick eines Fordernden bringt
ihm Verzuckungen, dadurch wird ſeine empfindlich-
ſte Seite getroffen, das durchbort ihm das Herz,
und zerreißt ſeine Eingeweide.
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