Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.Mutter über ihr Kind wachen, erhöht ihre Liebe; Mutterliebe ist darum noch stärker, noch Man *) Väter und Mütter, die ihr das heilige Gefühl der
Elternliebe, mit welcher sich selbst die Liebe der Gottheit vergleicht, kennt, o beherzigt doch die Wahrheit: daß, je größere Sorgfalt und Mühe ihr euren Kindern schenkt, desto größer eure Liebe zu ihnen, mithin auch eure Glückseligkeit wird. -- Mutter! lege dein Neugebohrnes an deine Brust: es ist ja dein Fleisch und Blut, warum wolltest du es deiner Pflege und Wartung nicht werth halten! Vater! sey du der Erzieher deines Kindes, du gabst ihm ja das Leben, warum wolltest du ihn nun nicht auch zu leben lehren? Comme la veritable nourrice est la mere, le veritable precepteur est le pere, sagt Rousseau, der Sohn der Natur. Vergegen- wärtigt Euch die unnennbaren Freuden, die eurem Herzen zuströmen werden, wenn ihr euer Werk ge- deihen seht, eure Kinder, die euer Bild, innerlich und äußer- Mutter uͤber ihr Kind wachen, erhoͤht ihre Liebe; Mutterliebe iſt darum noch ſtaͤrker, noch Man *) Vaͤter und Muͤtter, die ihr das heilige Gefuͤhl der
Elternliebe, mit welcher ſich ſelbſt die Liebe der Gottheit vergleicht, kennt, o beherzigt doch die Wahrheit: daß, je groͤßere Sorgfalt und Muͤhe ihr euren Kindern ſchenkt, deſto groͤßer eure Liebe zu ihnen, mithin auch eure Gluͤckſeligkeit wird. — Mutter! lege dein Neugebohrnes an deine Bruſt: es iſt ja dein Fleiſch und Blut, warum wollteſt du es deiner Pflege und Wartung nicht werth halten! Vater! ſey du der Erzieher deines Kindes, du gabſt ihm ja das Leben, warum wollteſt du ihn nun nicht auch zu leben lehren? Comme la véritable nourrice eſt la mere, le véritable précepteur eſt le pere, ſagt Rouſſeau, der Sohn der Natur. Vergegen- waͤrtigt Euch die unnennbaren Freuden, die eurem Herzen zuſtroͤmen werden, wenn ihr euer Werk ge- deihen ſeht, eure Kinder, die euer Bild, innerlich und aͤußer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0274" n="558"/> Mutter uͤber ihr Kind wachen, erhoͤht ihre Liebe;<lb/> denn je mehr Muͤhe man auf etwas verwendet,<lb/> deſto werther wird es, weil man darin deſto groͤ-<lb/> ßere Wirkungen ſeiner Kraft wahrnimmt.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Mutterliebe</hi> iſt darum noch ſtaͤrker, noch<lb/> inniger, als die Liebe des <hi rendition="#b">Vaters</hi>: die Mutter<lb/> trug das Kind unter ihrem Herzen; ſorgt fuͤr<lb/> daſſelbe noch ehe es geboren ward; gebar es mit<lb/> Schmerzen; ſaͤugte es an ihrer Bruſt; durchwach-<lb/> te manche Nacht mit ihm, und weinte manche<lb/> heiße Thraͤne fuͤr daſſelbe<note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="*)">Vaͤter und Muͤtter, die ihr das heilige Gefuͤhl der<lb/> Elternliebe, mit welcher ſich ſelbſt die Liebe der<lb/> Gottheit vergleicht, kennt, o beherzigt doch die<lb/> Wahrheit: daß, je groͤßere Sorgfalt und Muͤhe<lb/> ihr euren Kindern ſchenkt, deſto groͤßer eure Liebe<lb/> zu ihnen, mithin auch eure Gluͤckſeligkeit wird. —<lb/> Mutter! lege dein Neugebohrnes an <hi rendition="#fr">deine</hi> Bruſt:<lb/> es iſt ja dein Fleiſch und Blut, warum wollteſt du<lb/> es deiner Pflege und Wartung nicht werth halten!<lb/> Vater! ſey <hi rendition="#fr">du</hi> der Erzieher deines Kindes, du <hi rendition="#fr">gabſt</hi><lb/> ihm ja das Leben, warum wollteſt du ihn nun nicht<lb/> auch zu leben lehren? <hi rendition="#aq">Comme la <hi rendition="#i">véritable nourrice</hi><lb/> eſt la mere, le <hi rendition="#i">véritable précepteur</hi> eſt le pere,</hi><lb/> ſagt <hi rendition="#fr">Rouſſeau</hi>, der Sohn der Natur. Vergegen-<lb/> waͤrtigt Euch die unnennbaren Freuden, die eurem<lb/> Herzen zuſtroͤmen werden, wenn ihr euer Werk ge-<lb/> deihen ſeht, eure Kinder, die euer Bild, innerlich und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aͤußer-</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [558/0274]
Mutter uͤber ihr Kind wachen, erhoͤht ihre Liebe;
denn je mehr Muͤhe man auf etwas verwendet,
deſto werther wird es, weil man darin deſto groͤ-
ßere Wirkungen ſeiner Kraft wahrnimmt.
Mutterliebe iſt darum noch ſtaͤrker, noch
inniger, als die Liebe des Vaters: die Mutter
trug das Kind unter ihrem Herzen; ſorgt fuͤr
daſſelbe noch ehe es geboren ward; gebar es mit
Schmerzen; ſaͤugte es an ihrer Bruſt; durchwach-
te manche Nacht mit ihm, und weinte manche
heiße Thraͤne fuͤr daſſelbe *).
Man
*) Vaͤter und Muͤtter, die ihr das heilige Gefuͤhl der
Elternliebe, mit welcher ſich ſelbſt die Liebe der
Gottheit vergleicht, kennt, o beherzigt doch die
Wahrheit: daß, je groͤßere Sorgfalt und Muͤhe
ihr euren Kindern ſchenkt, deſto groͤßer eure Liebe
zu ihnen, mithin auch eure Gluͤckſeligkeit wird. —
Mutter! lege dein Neugebohrnes an deine Bruſt:
es iſt ja dein Fleiſch und Blut, warum wollteſt du
es deiner Pflege und Wartung nicht werth halten!
Vater! ſey du der Erzieher deines Kindes, du gabſt
ihm ja das Leben, warum wollteſt du ihn nun nicht
auch zu leben lehren? Comme la véritable nourrice
eſt la mere, le véritable précepteur eſt le pere,
ſagt Rouſſeau, der Sohn der Natur. Vergegen-
waͤrtigt Euch die unnennbaren Freuden, die eurem
Herzen zuſtroͤmen werden, wenn ihr euer Werk ge-
deihen ſeht, eure Kinder, die euer Bild, innerlich und
aͤußer-
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