Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.
Und nun trinkt er das Gift, um bey Julien Julie erwacht, und sieht ihren Geliebten "Böser Mann, sagt sie, alles auszutrinken Aber der Weg dünkt ihr zu lang: sie fürch- Keine Angst ist fürchterlicher, als die, wel- ihr *) Shakesp. Romeo und Julie, letzt. Act. letzt. Auftr.
Und nun trinkt er das Gift, um bey Julien Julie erwacht, und ſieht ihren Geliebten „Boͤſer Mann, ſagt ſie, alles auszutrinken Aber der Weg duͤnkt ihr zu lang: ſie fuͤrch- Keine Angſt iſt fuͤrchterlicher, als die, wel- ihr *) Shakeſp. Romeo und Julie, letzt. Act. letzt. Auftr.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <cit> <quote><pb facs="#f0031" n="315"/><lb/> lauf' ißt auf einmal mit meinem ſeekranken, muͤ-<lb/> den Schiffe an die zerſchmetternden Klippen!<lb/> Hier iſt Gluͤck zu erwarten, wohin du dich auch<lb/> verſchlaͤgſt.„</quote> </cit><lb/> <p>Und nun trinkt er das Gift, um bey Julien<lb/> zu ſterben.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Julie</hi> erwacht, und ſieht ihren Geliebten<lb/> todt neben ſich, und in ſeiner Hand den Giftbe-<lb/> cher. Auch ihr iſt itzt das Leben ein Elend und<lb/> der Tod eine Freude.</p><lb/> <cit> <quote>„Boͤſer Mann, ſagt ſie, alles auszutrinken<lb/> und keinen freundſchaftlichen Tropfen uͤbrig zu<lb/> laſſen, um mir nachzuhelfen! Jch will deine<lb/> Lippen kuͤſſen; vielleicht haͤngt noch ſo viel Gift<lb/> daran, als noͤthig iſt, mir durch ein Erquickungs-<lb/> mittel den Tod zu geben.„</quote> </cit><lb/> <p>Aber der Weg duͤnkt ihr zu lang: ſie fuͤrch-<lb/> tet aufgehalten zu werden; drum nimmt ſie den<lb/> Dolch und erſticht ſich<note place="foot" n="*)">Shakeſp. Romeo und Julie, letzt. Act. letzt. Auftr.</note>.</p><lb/> <p>Keine Angſt iſt fuͤrchterlicher, als die, wel-<lb/> che aus dem <hi rendition="#b">Gewiſſen</hi> ins Herz dringt: keine<lb/> Angſt kann ſo leicht zur Verzweiflung und dem<lb/> Wunſch der Vernichtung des Lebens fuͤhren, als<lb/> dieſe. Wohin der von dem Bewußtſeyn ſeiner<lb/> Schuld erbleichende flieht, flieht mit ihm ſein boͤ-<lb/> ſes Gewiſſen, verſehn mit den qualvollſten Fol-<lb/> tern. Fallet uͤber mich Berge, und bedeckt mich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ihr</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [315/0031]
lauf' ißt auf einmal mit meinem ſeekranken, muͤ-
den Schiffe an die zerſchmetternden Klippen!
Hier iſt Gluͤck zu erwarten, wohin du dich auch
verſchlaͤgſt.„
Und nun trinkt er das Gift, um bey Julien
zu ſterben.
Julie erwacht, und ſieht ihren Geliebten
todt neben ſich, und in ſeiner Hand den Giftbe-
cher. Auch ihr iſt itzt das Leben ein Elend und
der Tod eine Freude.
„Boͤſer Mann, ſagt ſie, alles auszutrinken
und keinen freundſchaftlichen Tropfen uͤbrig zu
laſſen, um mir nachzuhelfen! Jch will deine
Lippen kuͤſſen; vielleicht haͤngt noch ſo viel Gift
daran, als noͤthig iſt, mir durch ein Erquickungs-
mittel den Tod zu geben.„
Aber der Weg duͤnkt ihr zu lang: ſie fuͤrch-
tet aufgehalten zu werden; drum nimmt ſie den
Dolch und erſticht ſich *).
Keine Angſt iſt fuͤrchterlicher, als die, wel-
che aus dem Gewiſſen ins Herz dringt: keine
Angſt kann ſo leicht zur Verzweiflung und dem
Wunſch der Vernichtung des Lebens fuͤhren, als
dieſe. Wohin der von dem Bewußtſeyn ſeiner
Schuld erbleichende flieht, flieht mit ihm ſein boͤ-
ſes Gewiſſen, verſehn mit den qualvollſten Fol-
tern. Fallet uͤber mich Berge, und bedeckt mich
ihr
*) Shakeſp. Romeo und Julie, letzt. Act. letzt. Auftr.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |