Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

staunen antraf, erkaltet und erstarrt zu seyn.
Alles ist todt, nur in den Theilen des Körpers,
welche der Affekt in sein Jnteresse zieht, ist Le-
ben. Das Erstaunen der Bewunderung beugt
das Haupt zurück, um die Größe erreichen, öf-
net das Auge, um sie messen, und erweitert die
Brust, um sie fassen zu können. Das Erstau-
nen der Verwunderung öfnet den Mund, spitzt
das Ohr, und legt alle Theile des Gesichts in die
Lage des neugierigen Horchers.

Fünf und zwanzigste Unterhaltung.
Ueber die
Freude.

Wenn irgend ein Gegenstand so lebhaft ange-
nehm auf das Gemüth wirkt, daß Verstand, Phan-
tasie und Herz und Körper sich zur Anschauung,
Verschönerung, zum Genuß und zur Mitempfin-
dung der angenehmen Gemüthsbewegungen verei-
nigen; daß nichts in diesem Augenblicke, dies
freye, harmonische Spiel der Gefühle hemmt oder
stört; so entsteht der Affekt der Freude. Leicht
und frey bilden sich die Vorstellungen im Verstan-
de, nichts stört die Phantasie in ihrer verschönern-
den Wirksamkeit, nichts hemmt den Gang der
angenehmen Empfindung zum Herzen: der Kör-

per,
Pp 3

ſtaunen antraf, erkaltet und erſtarrt zu ſeyn.
Alles iſt todt, nur in den Theilen des Koͤrpers,
welche der Affekt in ſein Jntereſſe zieht, iſt Le-
ben. Das Erſtaunen der Bewunderung beugt
das Haupt zuruͤck, um die Groͤße erreichen, oͤf-
net das Auge, um ſie meſſen, und erweitert die
Bruſt, um ſie faſſen zu koͤnnen. Das Erſtau-
nen der Verwunderung oͤfnet den Mund, ſpitzt
das Ohr, und legt alle Theile des Geſichts in die
Lage des neugierigen Horchers.

Fuͤnf und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber die
Freude.

Wenn irgend ein Gegenſtand ſo lebhaft ange-
nehm auf das Gemuͤth wirkt, daß Verſtand, Phan-
taſie und Herz und Koͤrper ſich zur Anſchauung,
Verſchoͤnerung, zum Genuß und zur Mitempfin-
dung der angenehmen Gemuͤthsbewegungen verei-
nigen; daß nichts in dieſem Augenblicke, dies
freye, harmoniſche Spiel der Gefuͤhle hemmt oder
ſtoͤrt; ſo entſteht der Affekt der Freude. Leicht
und frey bilden ſich die Vorſtellungen im Verſtan-
de, nichts ſtoͤrt die Phantaſie in ihrer verſchoͤnern-
den Wirkſamkeit, nichts hemmt den Gang der
angenehmen Empfindung zum Herzen: der Koͤr-

per,
Pp 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="597"/>
&#x017F;taunen antraf, erkaltet und er&#x017F;tarrt zu &#x017F;eyn.<lb/>
Alles i&#x017F;t todt, nur in den Theilen des Ko&#x0364;rpers,<lb/>
welche der Affekt in &#x017F;ein Jntere&#x017F;&#x017F;e zieht, i&#x017F;t Le-<lb/>
ben. Das Er&#x017F;taunen der Bewunderung beugt<lb/>
das Haupt zuru&#x0364;ck, um die Gro&#x0364;ße erreichen, o&#x0364;f-<lb/>
net das Auge, um &#x017F;ie me&#x017F;&#x017F;en, und erweitert die<lb/>
Bru&#x017F;t, um &#x017F;ie fa&#x017F;&#x017F;en zu ko&#x0364;nnen. Das Er&#x017F;tau-<lb/>
nen der Verwunderung o&#x0364;fnet den Mund, &#x017F;pitzt<lb/>
das Ohr, und legt alle Theile des Ge&#x017F;ichts in die<lb/>
Lage des neugierigen Horchers.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>Fu&#x0364;nf und zwanzig&#x017F;te Unterhaltung.<lb/>
Ueber die<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#b">Freude</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>enn irgend ein Gegen&#x017F;tand &#x017F;o lebhaft ange-<lb/>
nehm auf das Gemu&#x0364;th wirkt, daß Ver&#x017F;tand, Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie und Herz und Ko&#x0364;rper &#x017F;ich zur An&#x017F;chauung,<lb/>
Ver&#x017F;cho&#x0364;nerung, zum Genuß und zur Mitempfin-<lb/>
dung der angenehmen Gemu&#x0364;thsbewegungen verei-<lb/>
nigen; daß nichts in die&#x017F;em Augenblicke, dies<lb/>
freye, harmoni&#x017F;che Spiel der Gefu&#x0364;hle hemmt oder<lb/>
&#x017F;to&#x0364;rt; &#x017F;o ent&#x017F;teht der Affekt der <hi rendition="#b">Freude</hi>. Leicht<lb/>
und frey bilden &#x017F;ich die Vor&#x017F;tellungen im Ver&#x017F;tan-<lb/>
de, nichts &#x017F;to&#x0364;rt die Phanta&#x017F;ie in ihrer ver&#x017F;cho&#x0364;nern-<lb/>
den Wirk&#x017F;amkeit, nichts hemmt den Gang der<lb/>
angenehmen Empfindung zum Herzen: der Ko&#x0364;r-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Pp 3</fw><fw place="bottom" type="catch">per,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[597/0313] ſtaunen antraf, erkaltet und erſtarrt zu ſeyn. Alles iſt todt, nur in den Theilen des Koͤrpers, welche der Affekt in ſein Jntereſſe zieht, iſt Le- ben. Das Erſtaunen der Bewunderung beugt das Haupt zuruͤck, um die Groͤße erreichen, oͤf- net das Auge, um ſie meſſen, und erweitert die Bruſt, um ſie faſſen zu koͤnnen. Das Erſtau- nen der Verwunderung oͤfnet den Mund, ſpitzt das Ohr, und legt alle Theile des Geſichts in die Lage des neugierigen Horchers. Fuͤnf und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber die Freude. Wenn irgend ein Gegenſtand ſo lebhaft ange- nehm auf das Gemuͤth wirkt, daß Verſtand, Phan- taſie und Herz und Koͤrper ſich zur Anſchauung, Verſchoͤnerung, zum Genuß und zur Mitempfin- dung der angenehmen Gemuͤthsbewegungen verei- nigen; daß nichts in dieſem Augenblicke, dies freye, harmoniſche Spiel der Gefuͤhle hemmt oder ſtoͤrt; ſo entſteht der Affekt der Freude. Leicht und frey bilden ſich die Vorſtellungen im Verſtan- de, nichts ſtoͤrt die Phantaſie in ihrer verſchoͤnern- den Wirkſamkeit, nichts hemmt den Gang der angenehmen Empfindung zum Herzen: der Koͤr- per, Pp 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/313
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/313>, abgerufen am 22.11.2024.