ßern Sinnlichkeit und den rüstigeren Neigungen des Herzens empfangen und gebohren ist. Die schwärmerische Nonne, wenn sie sich im Geist -- mit dem Bräutigam ihrer Seele vermählt, und der zärtliche Verliebte, wenn er den süßen Brief seiner Göttin ans Herz drückt, sinken in thatlo- ses, schmachtendes Entzücken hin; der Soldat, dem sein Hauptmann mehr, als den Sold, giebt, und der lebhafte Jüngling, der eine sehr angeneh- me Erlaubniß erhält, jubeln.
Sechs und zwanzigste Unterhaltung. Ueber die Traurigkeit.
Diejenige Stimmung des Gemüths, welche aus dem Gefühl des gehemmten Spiels der Ge- müthskräfte entsteht, wird mit dem allgemeinen Namen Traurigkeit bezeichnet. Jch bin trau- rig, sagt das Kind, wenn man ihm sein Spiel- zeug genommen hat, und es nun nicht weiß, wie es die Zeit angenehm zubringen soll. Dasjenige, welches sein Gemüth in einer unterhaltenden Be- wegung erhielt, ist ihm genommen; was es auch anfängt, so begegnet ihm immerfort der Gedanke an sein gestörtes Vergnügen, und hemmt den ebenmäßigen Gang seiner Vorstellungen und Phan-
tasien,
ßern Sinnlichkeit und den ruͤſtigeren Neigungen des Herzens empfangen und gebohren iſt. Die ſchwaͤrmeriſche Nonne, wenn ſie ſich im Geiſt — mit dem Braͤutigam ihrer Seele vermaͤhlt, und der zaͤrtliche Verliebte, wenn er den ſuͤßen Brief ſeiner Goͤttin ans Herz druͤckt, ſinken in thatlo- ſes, ſchmachtendes Entzuͤcken hin; der Soldat, dem ſein Hauptmann mehr, als den Sold, giebt, und der lebhafte Juͤngling, der eine ſehr angeneh- me Erlaubniß erhaͤlt, jubeln.
Sechs und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber die Traurigkeit.
Diejenige Stimmung des Gemuͤths, welche aus dem Gefuͤhl des gehemmten Spiels der Ge- muͤthskraͤfte entſteht, wird mit dem allgemeinen Namen Traurigkeit bezeichnet. Jch bin trau- rig, ſagt das Kind, wenn man ihm ſein Spiel- zeug genommen hat, und es nun nicht weiß, wie es die Zeit angenehm zubringen ſoll. Dasjenige, welches ſein Gemuͤth in einer unterhaltenden Be- wegung erhielt, iſt ihm genommen; was es auch anfaͤngt, ſo begegnet ihm immerfort der Gedanke an ſein geſtoͤrtes Vergnuͤgen, und hemmt den ebenmaͤßigen Gang ſeiner Vorſtellungen und Phan-
taſien,
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ßern Sinnlichkeit und den ruͤſtigeren Neigungen
des Herzens empfangen und gebohren iſt. Die
ſchwaͤrmeriſche Nonne, wenn ſie ſich im Geiſt —
mit dem Braͤutigam ihrer Seele vermaͤhlt, und
der zaͤrtliche Verliebte, wenn er den ſuͤßen Brief
ſeiner Goͤttin ans Herz druͤckt, ſinken in thatlo-
ſes, ſchmachtendes Entzuͤcken hin; der Soldat,
dem ſein Hauptmann mehr, als den Sold, giebt,
und der lebhafte Juͤngling, der eine ſehr angeneh-
me Erlaubniß erhaͤlt, jubeln.
Sechs und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber die
Traurigkeit.
Diejenige Stimmung des Gemuͤths, welche
aus dem Gefuͤhl des gehemmten Spiels der Ge-
muͤthskraͤfte entſteht, wird mit dem allgemeinen
Namen Traurigkeit bezeichnet. Jch bin trau-
rig, ſagt das Kind, wenn man ihm ſein Spiel-
zeug genommen hat, und es nun nicht weiß, wie
es die Zeit angenehm zubringen ſoll. Dasjenige,
welches ſein Gemuͤth in einer unterhaltenden Be-
wegung erhielt, iſt ihm genommen; was es auch
anfaͤngt, ſo begegnet ihm immerfort der Gedanke
an ſein geſtoͤrtes Vergnuͤgen, und hemmt den
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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