daß er seine Zuflucht zu kleinmüthigen, seines vo- rigen Ruhms unwürdigen Bitten nahm. Er bat, erzählt Robertson*), die Pizarros sich der alten Freundschaft zwischen ihrem Bruder und ihm zu erinnern, und wie viel er zum Glück und Wohlstande ihrer Familie beygetragen hätte. Er erinnerte sie an die Menschenliebe, womit er, den wiederholten Vorstellungen seiner eignen getreusten Freunde zuwider, ihr Leben geschont, da er sie in seiner Gewalt gehabt; er beschwur sie, sich seines Alters und seiner Schwachheit zu erbarmen, und ihn den elenden Ueberrest seiner Tage in Reue über seine Verbrechen und Aussöhnung mit dem Himmel zubringen zu lassen.
Was bewog den alten Krieger zu diesen klein- müthigen Bitten. Gewiß nicht die Furcht vor dem Tode; denn diesen hatte er im Felde nicht ge- scheu't, und ging ihm auch nachher, als er sahe, daß seine Bitten vergeblich waren, "mit der Würde und Standhaftigkeit eines alten Kriegers entgegen."**) -- Es war die Furcht vor der Todesart. Der Kriegsheld zittert gewöhnlich eher, als ein Andrer vor dem Tode auf dem Kran- kenbette oder der Hinrichtung. Er denkt sich kei- nen Tod, als den auf dem Bette der Ehre;
drum
*) Roberts. Gesch. v. Amerika. Deutsche Uebers. v. Schiller. 2. Th. 242. 243.
**) Ebend. S. 243.
X 4
daß er ſeine Zuflucht zu kleinmuͤthigen, ſeines vo- rigen Ruhms unwuͤrdigen Bitten nahm. Er bat, erzaͤhlt Robertſon*), die Pizarros ſich der alten Freundſchaft zwiſchen ihrem Bruder und ihm zu erinnern, und wie viel er zum Gluͤck und Wohlſtande ihrer Familie beygetragen haͤtte. Er erinnerte ſie an die Menſchenliebe, womit er, den wiederholten Vorſtellungen ſeiner eignen getreuſten Freunde zuwider, ihr Leben geſchont, da er ſie in ſeiner Gewalt gehabt; er beſchwur ſie, ſich ſeines Alters und ſeiner Schwachheit zu erbarmen, und ihn den elenden Ueberreſt ſeiner Tage in Reue uͤber ſeine Verbrechen und Ausſoͤhnung mit dem Himmel zubringen zu laſſen.
Was bewog den alten Krieger zu dieſen klein- muͤthigen Bitten. Gewiß nicht die Furcht vor dem Tode; denn dieſen hatte er im Felde nicht ge- ſcheu't, und ging ihm auch nachher, als er ſahe, daß ſeine Bitten vergeblich waren, „mit der Wuͤrde und Standhaftigkeit eines alten Kriegers entgegen.„**) — Es war die Furcht vor der Todesart. Der Kriegsheld zittert gewoͤhnlich eher, als ein Andrer vor dem Tode auf dem Kran- kenbette oder der Hinrichtung. Er denkt ſich kei- nen Tod, als den auf dem Bette der Ehre;
drum
*) Robertſ. Geſch. v. Amerika. Deutſche Ueberſ. v. Schiller. 2. Th. 242. 243.
**) Ebend. S. 243.
X 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0043"n="327"/>
daß er ſeine Zuflucht zu kleinmuͤthigen, ſeines vo-<lb/>
rigen Ruhms unwuͤrdigen Bitten nahm. Er<lb/>
bat, erzaͤhlt <hirendition="#b">Robertſon</hi><noteplace="foot"n="*)">Robertſ. Geſch. v. Amerika. Deutſche Ueberſ. v.<lb/>
Schiller. 2. Th. 242. 243.</note>, die <hirendition="#b">Pizarros</hi>ſich<lb/>
der alten Freundſchaft zwiſchen ihrem Bruder und<lb/>
ihm zu erinnern, und wie viel er zum Gluͤck und<lb/>
Wohlſtande ihrer Familie beygetragen haͤtte. Er<lb/>
erinnerte ſie an die Menſchenliebe, womit er, den<lb/>
wiederholten Vorſtellungen ſeiner eignen getreuſten<lb/>
Freunde zuwider, ihr Leben geſchont, da er ſie<lb/>
in ſeiner Gewalt gehabt; er beſchwur ſie, ſich ſeines<lb/>
Alters und ſeiner Schwachheit zu erbarmen, und<lb/>
ihn den elenden Ueberreſt ſeiner Tage in Reue<lb/>
uͤber ſeine Verbrechen und Ausſoͤhnung mit dem<lb/>
Himmel zubringen zu laſſen.</p><lb/><p>Was bewog den alten Krieger zu dieſen klein-<lb/>
muͤthigen Bitten. Gewiß nicht die Furcht vor<lb/>
dem Tode; denn dieſen hatte er im Felde nicht ge-<lb/>ſcheu't, und ging ihm auch nachher, als er ſahe,<lb/>
daß ſeine Bitten vergeblich waren, „mit der<lb/>
Wuͤrde und Standhaftigkeit eines alten Kriegers<lb/>
entgegen.„<noteplace="foot"n="**)">Ebend. S. 243.</note>— Es war die Furcht vor der<lb/>
Todesart. Der Kriegsheld zittert gewoͤhnlich<lb/>
eher, als ein Andrer vor dem Tode auf dem Kran-<lb/>
kenbette oder der Hinrichtung. Er denkt ſich kei-<lb/>
nen Tod, als den auf dem Bette der Ehre;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">drum</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[327/0043]
daß er ſeine Zuflucht zu kleinmuͤthigen, ſeines vo-
rigen Ruhms unwuͤrdigen Bitten nahm. Er
bat, erzaͤhlt Robertſon *), die Pizarros ſich
der alten Freundſchaft zwiſchen ihrem Bruder und
ihm zu erinnern, und wie viel er zum Gluͤck und
Wohlſtande ihrer Familie beygetragen haͤtte. Er
erinnerte ſie an die Menſchenliebe, womit er, den
wiederholten Vorſtellungen ſeiner eignen getreuſten
Freunde zuwider, ihr Leben geſchont, da er ſie
in ſeiner Gewalt gehabt; er beſchwur ſie, ſich ſeines
Alters und ſeiner Schwachheit zu erbarmen, und
ihn den elenden Ueberreſt ſeiner Tage in Reue
uͤber ſeine Verbrechen und Ausſoͤhnung mit dem
Himmel zubringen zu laſſen.
Was bewog den alten Krieger zu dieſen klein-
muͤthigen Bitten. Gewiß nicht die Furcht vor
dem Tode; denn dieſen hatte er im Felde nicht ge-
ſcheu't, und ging ihm auch nachher, als er ſahe,
daß ſeine Bitten vergeblich waren, „mit der
Wuͤrde und Standhaftigkeit eines alten Kriegers
entgegen.„ **) — Es war die Furcht vor der
Todesart. Der Kriegsheld zittert gewoͤhnlich
eher, als ein Andrer vor dem Tode auf dem Kran-
kenbette oder der Hinrichtung. Er denkt ſich kei-
nen Tod, als den auf dem Bette der Ehre;
drum
*) Robertſ. Geſch. v. Amerika. Deutſche Ueberſ. v.
Schiller. 2. Th. 242. 243.
**) Ebend. S. 243.
X 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/43>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.