drum ist ihm eine tödliche Krankheit, die ihn um seinen Ruhm bringt, und das Schafot, welches ihn noch dazu beschimpft, schrecklich. -- Bey Almagro verstärkte diese Furcht noch der Glau- be, daß er noch Zeit gebrauche, zur Versöhnung mit Gott, und sein schwächliches Alter.
Ueberhaupt ist die Furcht vor dem Tode in dem Alter stärker, als in der Jugend, so na- türlich es auch auf der einen Seite scheint, daß der Jüngling, welcher noch viel zu genießen er- wartet, und besser genießen kann, sich mehr vor dem Verlust des Lebens fürchten müsse, als der Alte, welcher schon genossen hat, und vieler Freuden des Lebens nicht mehr empfänglich ist. Aber es läßt sich diese anscheinende Ungereimt- heit sehr leicht erklären. -- Daß der Jüngling das Leben lieber hat, als der Greis, ist wohl nicht zu leugnen, da jener so viel noch Freuden im Le- ben genießt, als dieser -- aber darum fürchtet jener doch den Tod weniger, als der Greis. Der Jüngling hält den Tod noch für entfernt, der Alte sieht ihn in der Nähe; darum muß er auf diesen viel stärker wirken, weil die Stärke des Eindrucks im umgekehrten Verhältniß mit der Entfernung des Gegenstandes, welcher Eindruck macht, steht. Dazu kömmt das leichtere Blut und der größere Leichtsinn der Jugend, welche die Seele vor den Vorstellungen vorbeyfliegen lassen,
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drum iſt ihm eine toͤdliche Krankheit, die ihn um ſeinen Ruhm bringt, und das Schafot, welches ihn noch dazu beſchimpft, ſchrecklich. — Bey Almagro verſtaͤrkte dieſe Furcht noch der Glau- be, daß er noch Zeit gebrauche, zur Verſoͤhnung mit Gott, und ſein ſchwaͤchliches Alter.
Ueberhaupt iſt die Furcht vor dem Tode in dem Alter ſtaͤrker, als in der Jugend, ſo na- tuͤrlich es auch auf der einen Seite ſcheint, daß der Juͤngling, welcher noch viel zu genießen er- wartet, und beſſer genießen kann, ſich mehr vor dem Verluſt des Lebens fuͤrchten muͤſſe, als der Alte, welcher ſchon genoſſen hat, und vieler Freuden des Lebens nicht mehr empfaͤnglich iſt. Aber es laͤßt ſich dieſe anſcheinende Ungereimt- heit ſehr leicht erklaͤren. — Daß der Juͤngling das Leben lieber hat, als der Greis, iſt wohl nicht zu leugnen, da jener ſo viel noch Freuden im Le- ben genießt, als dieſer — aber darum fuͤrchtet jener doch den Tod weniger, als der Greis. Der Juͤngling haͤlt den Tod noch fuͤr entfernt, der Alte ſieht ihn in der Naͤhe; darum muß er auf dieſen viel ſtaͤrker wirken, weil die Staͤrke des Eindrucks im umgekehrten Verhaͤltniß mit der Entfernung des Gegenſtandes, welcher Eindruck macht, ſteht. Dazu koͤmmt das leichtere Blut und der groͤßere Leichtſinn der Jugend, welche die Seele vor den Vorſtellungen vorbeyfliegen laſſen,
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[328/0044]
drum iſt ihm eine toͤdliche Krankheit, die ihn um
ſeinen Ruhm bringt, und das Schafot, welches
ihn noch dazu beſchimpft, ſchrecklich. — Bey
Almagro verſtaͤrkte dieſe Furcht noch der Glau-
be, daß er noch Zeit gebrauche, zur Verſoͤhnung
mit Gott, und ſein ſchwaͤchliches Alter.
Ueberhaupt iſt die Furcht vor dem Tode in
dem Alter ſtaͤrker, als in der Jugend, ſo na-
tuͤrlich es auch auf der einen Seite ſcheint, daß
der Juͤngling, welcher noch viel zu genießen er-
wartet, und beſſer genießen kann, ſich mehr vor
dem Verluſt des Lebens fuͤrchten muͤſſe, als der
Alte, welcher ſchon genoſſen hat, und vieler
Freuden des Lebens nicht mehr empfaͤnglich iſt.
Aber es laͤßt ſich dieſe anſcheinende Ungereimt-
heit ſehr leicht erklaͤren. — Daß der Juͤngling
das Leben lieber hat, als der Greis, iſt wohl nicht
zu leugnen, da jener ſo viel noch Freuden im Le-
ben genießt, als dieſer — aber darum fuͤrchtet
jener doch den Tod weniger, als der Greis. Der
Juͤngling haͤlt den Tod noch fuͤr entfernt, der
Alte ſieht ihn in der Naͤhe; darum muß er auf
dieſen viel ſtaͤrker wirken, weil die Staͤrke des
Eindrucks im umgekehrten Verhaͤltniß mit der
Entfernung des Gegenſtandes, welcher Eindruck
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und der groͤßere Leichtſinn der Jugend, welche die
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/44>, abgerufen am 24.11.2024.
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