Deutschen selbst von unsren die Freyheit über al- les liebenden Vorfahren erzählt.
Daß die Neigung zum Spiel so allgemein und so lebhaft ist, gehört gewiß mit unter die wei- sesten Einrichtungen der Natur. Wie bald wür- de der Mensch sich abstumpfen und zu Geschäften untüchtig machen, wenn er immer nur für seine oder irgend eines Andern Nutzen arbeitete, und nie Lust hätte, sich zu erholen und zu zerstreuen.
Aber die Natur sorgt dafür, daß jeder Mensch das Bedürfniß der Erhohlung und Zerstreuung fühlen mußte; und pfropfte auf das Gefühl dieses Bedürfnisses die Neigung zum Spiel, deren Quellen außer der angeführten hauptsächlich fol- gende sind.
Zuerst die Beschwerlichkeit der Langenweile, und die Unmöglichkeit alle seine Zeit mit nützender Thätigkeit oder Ruhe auszufüllen. Beym Spiel vergeht die Zeit uns geschwinder, weil wir nicht ihren Verlauf, sondern vielmehr, da wir sie an- genehm ausfüllen, ihren Verzug wünschen. Die Kräfte unsers Gemüths haben eine freyere Wirk- samkeit: sie sind auf nichts Bestimmtes geheftet, und keinem Zwang unterworfen.
Eine andre Ursach der Neigung zum Spiele liegt in der angenehmen Unterhaltung, welche sie der Sinnlichkeit oder irgend einer von den Kräf- ten des Gemüths gewähren.
Die
Deutſchen ſelbſt von unſren die Freyheit uͤber al- les liebenden Vorfahren erzaͤhlt.
Daß die Neigung zum Spiel ſo allgemein und ſo lebhaft iſt, gehoͤrt gewiß mit unter die wei- ſeſten Einrichtungen der Natur. Wie bald wuͤr- de der Menſch ſich abſtumpfen und zu Geſchaͤften untuͤchtig machen, wenn er immer nur fuͤr ſeine oder irgend eines Andern Nutzen arbeitete, und nie Luſt haͤtte, ſich zu erholen und zu zerſtreuen.
Aber die Natur ſorgt dafuͤr, daß jeder Menſch das Beduͤrfniß der Erhohlung und Zerſtreuung fuͤhlen mußte; und pfropfte auf das Gefuͤhl dieſes Beduͤrfniſſes die Neigung zum Spiel, deren Quellen außer der angefuͤhrten hauptſaͤchlich fol- gende ſind.
Zuerſt die Beſchwerlichkeit der Langenweile, und die Unmoͤglichkeit alle ſeine Zeit mit nuͤtzender Thaͤtigkeit oder Ruhe auszufuͤllen. Beym Spiel vergeht die Zeit uns geſchwinder, weil wir nicht ihren Verlauf, ſondern vielmehr, da wir ſie an- genehm ausfuͤllen, ihren Verzug wuͤnſchen. Die Kraͤfte unſers Gemuͤths haben eine freyere Wirk- ſamkeit: ſie ſind auf nichts Beſtimmtes geheftet, und keinem Zwang unterworfen.
Eine andre Urſach der Neigung zum Spiele liegt in der angenehmen Unterhaltung, welche ſie der Sinnlichkeit oder irgend einer von den Kraͤf- ten des Gemuͤths gewaͤhren.
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[334/0050]
Deutſchen ſelbſt von unſren die Freyheit uͤber al-
les liebenden Vorfahren erzaͤhlt.
Daß die Neigung zum Spiel ſo allgemein
und ſo lebhaft iſt, gehoͤrt gewiß mit unter die wei-
ſeſten Einrichtungen der Natur. Wie bald wuͤr-
de der Menſch ſich abſtumpfen und zu Geſchaͤften
untuͤchtig machen, wenn er immer nur fuͤr ſeine
oder irgend eines Andern Nutzen arbeitete, und
nie Luſt haͤtte, ſich zu erholen und zu zerſtreuen.
Aber die Natur ſorgt dafuͤr, daß jeder Menſch
das Beduͤrfniß der Erhohlung und Zerſtreuung
fuͤhlen mußte; und pfropfte auf das Gefuͤhl dieſes
Beduͤrfniſſes die Neigung zum Spiel, deren
Quellen außer der angefuͤhrten hauptſaͤchlich fol-
gende ſind.
Zuerſt die Beſchwerlichkeit der Langenweile,
und die Unmoͤglichkeit alle ſeine Zeit mit nuͤtzender
Thaͤtigkeit oder Ruhe auszufuͤllen. Beym Spiel
vergeht die Zeit uns geſchwinder, weil wir nicht
ihren Verlauf, ſondern vielmehr, da wir ſie an-
genehm ausfuͤllen, ihren Verzug wuͤnſchen. Die
Kraͤfte unſers Gemuͤths haben eine freyere Wirk-
ſamkeit: ſie ſind auf nichts Beſtimmtes geheftet,
und keinem Zwang unterworfen.
Eine andre Urſach der Neigung zum Spiele
liegt in der angenehmen Unterhaltung, welche ſie
der Sinnlichkeit oder irgend einer von den Kraͤf-
ten des Gemuͤths gewaͤhren.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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