Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.daß sein Wille die erste Ursach des Müssens Die Hauptquelle dieses allgemeinen Triebes sache *) So ist der Mensch mit sich selbst im Widerspruch,
so arg betrügt er sich selbst. Wer hatte wohl einen größern Widerwillen gegen etwas, was den Schein von Sclaverey hatte, als jene alten Helden aus der Ritterzeit, und doch unterwarfen sich Manche den eisernen Gesetzen des fehmgerichtlichen Bundes, und widersprachen nicht einmal, wenn ihnen Befehle gegeben wurden, vor welchen ihre Menschheit schau- derte, und die sie gern mit dem Tode abgekauft hät- ten. -- So ist es auch noch gegenwärtig, wo man es sich hie und da recht angelegen seyn zu las- sen scheint, die ritterliche Barbarey zu kopiren, ohne die ritterliche Tugend nachahmen zu wollen. Ueber Gesetze, welche die gute Ordnung der Welt, in der man lebt, nothwendig macht, hört man man- chen jungen und alten Mann murren oder spotten; aber ein Sclav einer Verbindung zu seyn, in welcher man nicht leben sollte, rechnet man sich zur Ehre! O Jünglinge, lernet bald, was wahre Ehre ist, damit ihr nicht ein Phantom verfolgt, und vor den Augen der Vernünftigen, die auch die wahre Ehre lieben, und früher oder später vor euch selbst, als Erniedrigte, erscheint. daß ſein Wille die erſte Urſach des Muͤſſens Die Hauptquelle dieſes allgemeinen Triebes ſache *) So iſt der Menſch mit ſich ſelbſt im Widerſpruch,
ſo arg betruͤgt er ſich ſelbſt. Wer hatte wohl einen groͤßern Widerwillen gegen etwas, was den Schein von Sclaverey hatte, als jene alten Helden aus der Ritterzeit, und doch unterwarfen ſich Manche den eiſernen Geſetzen des fehmgerichtlichen Bundes, und widerſprachen nicht einmal, wenn ihnen Befehle gegeben wurden, vor welchen ihre Menſchheit ſchau- derte, und die ſie gern mit dem Tode abgekauft haͤt- ten. — So iſt es auch noch gegenwaͤrtig, wo man es ſich hie und da recht angelegen ſeyn zu laſ- ſen ſcheint, die ritterliche Barbarey zu kopiren, ohne die ritterliche Tugend nachahmen zu wollen. Ueber Geſetze, welche die gute Ordnung der Welt, in der man lebt, nothwendig macht, hoͤrt man man- chen jungen und alten Mann murren oder ſpotten; aber ein Sclav einer Verbindung zu ſeyn, in welcher man nicht leben ſollte, rechnet man ſich zur Ehre! O Juͤnglinge, lernet bald, was wahre Ehre iſt, damit ihr nicht ein Phantom verfolgt, und vor den Augen der Vernuͤnftigen, die auch die wahre Ehre lieben, und fruͤher oder ſpaͤter vor euch ſelbſt, als Erniedrigte, erſcheint. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="376"/> daß ſein Wille die erſte Urſach des Muͤſſens<lb/> iſt<note place="foot" n="*)">So iſt der Menſch mit ſich ſelbſt im Widerſpruch,<lb/> ſo arg betruͤgt er ſich ſelbſt. Wer hatte wohl einen<lb/> groͤßern Widerwillen gegen etwas, was den Schein<lb/> von Sclaverey hatte, als jene alten Helden aus der<lb/> Ritterzeit, und doch unterwarfen ſich Manche den<lb/> eiſernen Geſetzen des fehmgerichtlichen Bundes, und<lb/> widerſprachen nicht einmal, wenn ihnen Befehle<lb/> gegeben wurden, vor welchen ihre Menſchheit ſchau-<lb/> derte, und die ſie gern mit dem Tode abgekauft haͤt-<lb/> ten. — So iſt es auch noch gegenwaͤrtig, wo<lb/> man es ſich hie und da recht angelegen ſeyn zu laſ-<lb/> ſen ſcheint, die ritterliche <hi rendition="#fr">Barbarey</hi> zu kopiren,<lb/> ohne die ritterliche <hi rendition="#fr">Tugend</hi> nachahmen zu wollen.<lb/> Ueber Geſetze, welche die gute Ordnung der Welt,<lb/> in der man lebt, nothwendig macht, hoͤrt man man-<lb/> chen jungen und <hi rendition="#fr">alten</hi> Mann murren oder ſpotten;<lb/> aber ein Sclav einer Verbindung zu ſeyn, in welcher<lb/> man nicht leben <hi rendition="#fr">ſollte</hi>, rechnet man ſich zur Ehre!<lb/> O Juͤnglinge, lernet bald, was wahre Ehre iſt, damit<lb/> ihr nicht ein Phantom verfolgt, und vor den<lb/> Augen der Vernuͤnftigen, die auch die <hi rendition="#fr">wahre</hi> Ehre<lb/> lieben, und fruͤher oder ſpaͤter vor euch ſelbſt, als<lb/> Erniedrigte, erſcheint.</note>.</p><lb/> <p>Die Hauptquelle dieſes allgemeinen Triebes<lb/> nach Unabhaͤngigkeit und Freyheit, liegt in der<lb/> Eigenliebe des Menſchen, welcher es ſehr ſchmei-<lb/> chelhaft iſt, wenn man ſich als ſeinen eignen Fuͤh-<lb/> rer, als die erſte und ſich ſelbſt beſtimmende Ur-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſache</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [376/0092]
daß ſein Wille die erſte Urſach des Muͤſſens
iſt *).
Die Hauptquelle dieſes allgemeinen Triebes
nach Unabhaͤngigkeit und Freyheit, liegt in der
Eigenliebe des Menſchen, welcher es ſehr ſchmei-
chelhaft iſt, wenn man ſich als ſeinen eignen Fuͤh-
rer, als die erſte und ſich ſelbſt beſtimmende Ur-
ſache
*) So iſt der Menſch mit ſich ſelbſt im Widerſpruch,
ſo arg betruͤgt er ſich ſelbſt. Wer hatte wohl einen
groͤßern Widerwillen gegen etwas, was den Schein
von Sclaverey hatte, als jene alten Helden aus der
Ritterzeit, und doch unterwarfen ſich Manche den
eiſernen Geſetzen des fehmgerichtlichen Bundes, und
widerſprachen nicht einmal, wenn ihnen Befehle
gegeben wurden, vor welchen ihre Menſchheit ſchau-
derte, und die ſie gern mit dem Tode abgekauft haͤt-
ten. — So iſt es auch noch gegenwaͤrtig, wo
man es ſich hie und da recht angelegen ſeyn zu laſ-
ſen ſcheint, die ritterliche Barbarey zu kopiren,
ohne die ritterliche Tugend nachahmen zu wollen.
Ueber Geſetze, welche die gute Ordnung der Welt,
in der man lebt, nothwendig macht, hoͤrt man man-
chen jungen und alten Mann murren oder ſpotten;
aber ein Sclav einer Verbindung zu ſeyn, in welcher
man nicht leben ſollte, rechnet man ſich zur Ehre!
O Juͤnglinge, lernet bald, was wahre Ehre iſt, damit
ihr nicht ein Phantom verfolgt, und vor den
Augen der Vernuͤnftigen, die auch die wahre Ehre
lieben, und fruͤher oder ſpaͤter vor euch ſelbſt, als
Erniedrigte, erſcheint.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |