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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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So arbeitet der Despotismus gegen sich selbst,
wenn er durch den Druck und das Elend, das er
von sich ausgehen läßt, seinen Unterthanen fühlen
lassen will, daß sie einem Despoten unterthan
sind: denn das Volk, welches es nur erst fühlt,
daß es von Tyrannen beherrscht wird, wird auch
bald fühlen, daß die Natur es zur Freyheit treibt,
und daß es Kraft hat, diesem Antriebe zu folgen.

Mit dem menschlichen Herzen bekannt, wußte
ein Julius Cäsar die Römer zu beherrschen,
ohne ihr Beherrscher heißen zu wollen. Wären
Frankreichs Tyrannen Cäsaren gewesen, so
würden die Franzosen noch in ihren Ketten liegen.

Etwas, das uns nicht am Herzen liegt, das
uns gleichgültig ist, mag man uns immerhin ver-
wehren, wir werden wenig darum sorgen. Was
macht sich der fleißige und nur für seinen Erwerb
bekümmerte Handwerker daraus, ob irgend ein
literarisches Produkt verboten, was der in der
Jdeenwelt lebende Gelehrte, daß Parisischer Putz
untersagt wird? Weder dieser noch jener hat ja
in diesem Fall eine Neigung einzuschränken, und
denkt daher bey solchen Verboten nicht einmal dar-
an, daß sie seine Freyheit beengen.

Aber man verwehre dem Menschen etwas,
das ihm sehr wichtig und werth ist, man verwehre
dem muthvollen Ritter die Schranken, dem heißen
Liebhaber seine Göttin, und dem gewinnsüchtigen

Kauf-

So arbeitet der Deſpotiſmus gegen ſich ſelbſt,
wenn er durch den Druck und das Elend, das er
von ſich ausgehen laͤßt, ſeinen Unterthanen fuͤhlen
laſſen will, daß ſie einem Deſpoten unterthan
ſind: denn das Volk, welches es nur erſt fuͤhlt,
daß es von Tyrannen beherrſcht wird, wird auch
bald fuͤhlen, daß die Natur es zur Freyheit treibt,
und daß es Kraft hat, dieſem Antriebe zu folgen.

Mit dem menſchlichen Herzen bekannt, wußte
ein Julius Caͤſar die Roͤmer zu beherrſchen,
ohne ihr Beherrſcher heißen zu wollen. Waͤren
Frankreichs Tyrannen Caͤſaren geweſen, ſo
wuͤrden die Franzoſen noch in ihren Ketten liegen.

Etwas, das uns nicht am Herzen liegt, das
uns gleichguͤltig iſt, mag man uns immerhin ver-
wehren, wir werden wenig darum ſorgen. Was
macht ſich der fleißige und nur fuͤr ſeinen Erwerb
bekuͤmmerte Handwerker daraus, ob irgend ein
literariſches Produkt verboten, was der in der
Jdeenwelt lebende Gelehrte, daß Pariſiſcher Putz
unterſagt wird? Weder dieſer noch jener hat ja
in dieſem Fall eine Neigung einzuſchraͤnken, und
denkt daher bey ſolchen Verboten nicht einmal dar-
an, daß ſie ſeine Freyheit beengen.

Aber man verwehre dem Menſchen etwas,
das ihm ſehr wichtig und werth iſt, man verwehre
dem muthvollen Ritter die Schranken, dem heißen
Liebhaber ſeine Goͤttin, und dem gewinnſuͤchtigen

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[378/0094] So arbeitet der Deſpotiſmus gegen ſich ſelbſt, wenn er durch den Druck und das Elend, das er von ſich ausgehen laͤßt, ſeinen Unterthanen fuͤhlen laſſen will, daß ſie einem Deſpoten unterthan ſind: denn das Volk, welches es nur erſt fuͤhlt, daß es von Tyrannen beherrſcht wird, wird auch bald fuͤhlen, daß die Natur es zur Freyheit treibt, und daß es Kraft hat, dieſem Antriebe zu folgen. Mit dem menſchlichen Herzen bekannt, wußte ein Julius Caͤſar die Roͤmer zu beherrſchen, ohne ihr Beherrſcher heißen zu wollen. Waͤren Frankreichs Tyrannen Caͤſaren geweſen, ſo wuͤrden die Franzoſen noch in ihren Ketten liegen. Etwas, das uns nicht am Herzen liegt, das uns gleichguͤltig iſt, mag man uns immerhin ver- wehren, wir werden wenig darum ſorgen. Was macht ſich der fleißige und nur fuͤr ſeinen Erwerb bekuͤmmerte Handwerker daraus, ob irgend ein literariſches Produkt verboten, was der in der Jdeenwelt lebende Gelehrte, daß Pariſiſcher Putz unterſagt wird? Weder dieſer noch jener hat ja in dieſem Fall eine Neigung einzuſchraͤnken, und denkt daher bey ſolchen Verboten nicht einmal dar- an, daß ſie ſeine Freyheit beengen. Aber man verwehre dem Menſchen etwas, das ihm ſehr wichtig und werth iſt, man verwehre dem muthvollen Ritter die Schranken, dem heißen Liebhaber ſeine Goͤttin, und dem gewinnſuͤchtigen Kauf-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/94>, abgerufen am 21.11.2024.