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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schien für diesmal ganz überflüssig. Sie getraute sich nach und nach wieder in die Gaststube, weil sie gehört hatte -- von ihrer Mutter --, der arme Herr sei krank oder doch unwohl von der Reise zur See, weil das ungehorsame, unbezwingbare Element da mit ihm verfahre, wie es wolle, und das ärgere ihn! Sie hörte nun von den Gästen, der Herr erscheine nirgends. Nur die deutschen Kaufleute habe er vorgelassen und ihre alten Begnadigungen des Comtoirs neu bestätigt. In Hedemarken drohe eine Empörung auszubrechen, und selbst der Bischof Karl von Hammer solle sie anspinnen und leiten wollen; und da dieser doch von des Herzogs Vater, dem König Christian I., zum Oberaufseher über den Sohn ernannt sei, so könne man denken, wie sehr der junge, trotzige, rücksichtslose Wildfang den Haß der Uebrigen verdiene!

Als nun Düvecke eines Abends allein bei ihrer Mutter saß, kam ein Offizier in seinen Mantel gehüllt herein, grüßte Frau Sigbritte lächelnd, nahm den Schlüssel zu seinem Zimmer von dem ihm bekannten Schlüsselhakenbrette, zündete das ihm bereitstehende Licht an dem Lichte des Tisches an, woran Düvecke saß, grüßte, ja bemerkte sie kaum, sondern sah auf das Licht, das nicht anbrennen wollte, und nahm dann kurze gute Nacht.

Dafür hatte Düvecke Gelegenheit gehabt, den schönen jungen Mann zu betrachten, wie sie noch keinen gesehen. Seine Erscheinung hatte sie tief getroffen --

schien für diesmal ganz überflüssig. Sie getraute sich nach und nach wieder in die Gaststube, weil sie gehört hatte — von ihrer Mutter —, der arme Herr sei krank oder doch unwohl von der Reise zur See, weil das ungehorsame, unbezwingbare Element da mit ihm verfahre, wie es wolle, und das ärgere ihn! Sie hörte nun von den Gästen, der Herr erscheine nirgends. Nur die deutschen Kaufleute habe er vorgelassen und ihre alten Begnadigungen des Comtoirs neu bestätigt. In Hedemarken drohe eine Empörung auszubrechen, und selbst der Bischof Karl von Hammer solle sie anspinnen und leiten wollen; und da dieser doch von des Herzogs Vater, dem König Christian I., zum Oberaufseher über den Sohn ernannt sei, so könne man denken, wie sehr der junge, trotzige, rücksichtslose Wildfang den Haß der Uebrigen verdiene!

Als nun Düvecke eines Abends allein bei ihrer Mutter saß, kam ein Offizier in seinen Mantel gehüllt herein, grüßte Frau Sigbritte lächelnd, nahm den Schlüssel zu seinem Zimmer von dem ihm bekannten Schlüsselhakenbrette, zündete das ihm bereitstehende Licht an dem Lichte des Tisches an, woran Düvecke saß, grüßte, ja bemerkte sie kaum, sondern sah auf das Licht, das nicht anbrennen wollte, und nahm dann kurze gute Nacht.

Dafür hatte Düvecke Gelegenheit gehabt, den schönen jungen Mann zu betrachten, wie sie noch keinen gesehen. Seine Erscheinung hatte sie tief getroffen —

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[0022] schien für diesmal ganz überflüssig. Sie getraute sich nach und nach wieder in die Gaststube, weil sie gehört hatte — von ihrer Mutter —, der arme Herr sei krank oder doch unwohl von der Reise zur See, weil das ungehorsame, unbezwingbare Element da mit ihm verfahre, wie es wolle, und das ärgere ihn! Sie hörte nun von den Gästen, der Herr erscheine nirgends. Nur die deutschen Kaufleute habe er vorgelassen und ihre alten Begnadigungen des Comtoirs neu bestätigt. In Hedemarken drohe eine Empörung auszubrechen, und selbst der Bischof Karl von Hammer solle sie anspinnen und leiten wollen; und da dieser doch von des Herzogs Vater, dem König Christian I., zum Oberaufseher über den Sohn ernannt sei, so könne man denken, wie sehr der junge, trotzige, rücksichtslose Wildfang den Haß der Uebrigen verdiene! Als nun Düvecke eines Abends allein bei ihrer Mutter saß, kam ein Offizier in seinen Mantel gehüllt herein, grüßte Frau Sigbritte lächelnd, nahm den Schlüssel zu seinem Zimmer von dem ihm bekannten Schlüsselhakenbrette, zündete das ihm bereitstehende Licht an dem Lichte des Tisches an, woran Düvecke saß, grüßte, ja bemerkte sie kaum, sondern sah auf das Licht, das nicht anbrennen wollte, und nahm dann kurze gute Nacht. Dafür hatte Düvecke Gelegenheit gehabt, den schönen jungen Mann zu betrachten, wie sie noch keinen gesehen. Seine Erscheinung hatte sie tief getroffen —

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/22>, abgerufen am 27.04.2024.