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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wenn das Antlitz der Tugend nur einmal finster wird, oder gar ihre Augen sich mit Thränen füllen.

Daher erschrak Düvecke, als sie einmal ihren vorigen Liebhaber, den edlen Torbern Ore, blaß wie einen Geist im Zimmer sah. Er wollte mit ihr reden; aber die Gegenwart der Mutter verhinderte jedes Wort. Er blieb lange. Sigbritte wich nicht. Und so konnte der redliche Freund hinter der Mutter Rücken seiner Geliebten nur warnend mit dem Finger drohen, und dann einmal flüchtig die Hände brechen, und sie flehentlich anblicken.

Sie verstand aber am Morgen das Leid des armen Torbern so, als sei es nur Eifersucht gewesen über den Hans Faaburg, oder Warnung vor dem Herzog Christian; denn die Vorsteher der deutschen Kaufleute waren gekommen und unterhandelten mit ihrer Mutter Sigbritte über ein großes Gastmahl und prachtvolles Fest, das sie aus Dankbarkeit dem Herzog zu Ehren in dem großen Hause derselben geben wollten -- in drei Tagen. -- Düvecke bebten die Knie; sie verließ das Zimmer wie eine Kranke. So fand sie Faaburg, der ihr traurig die Nachricht mittheilte, er müsse morgen zu Nacht nach Obslo reisen in wichtigen Geschäften des Herrn, und sie beschwur, ihm treu zu bleiben. Das bedrängte Mädchen empfand die ganze Macht dieses geforderten Schwures, der, von falschen Herzen gefordert, die größte Schlauheit und Falschheit ist, nicht sie verräth noch verrathen soll. Sie empfand die Schrecken

wenn das Antlitz der Tugend nur einmal finster wird, oder gar ihre Augen sich mit Thränen füllen.

Daher erschrak Düvecke, als sie einmal ihren vorigen Liebhaber, den edlen Torbern Ore, blaß wie einen Geist im Zimmer sah. Er wollte mit ihr reden; aber die Gegenwart der Mutter verhinderte jedes Wort. Er blieb lange. Sigbritte wich nicht. Und so konnte der redliche Freund hinter der Mutter Rücken seiner Geliebten nur warnend mit dem Finger drohen, und dann einmal flüchtig die Hände brechen, und sie flehentlich anblicken.

Sie verstand aber am Morgen das Leid des armen Torbern so, als sei es nur Eifersucht gewesen über den Hans Faaburg, oder Warnung vor dem Herzog Christian; denn die Vorsteher der deutschen Kaufleute waren gekommen und unterhandelten mit ihrer Mutter Sigbritte über ein großes Gastmahl und prachtvolles Fest, das sie aus Dankbarkeit dem Herzog zu Ehren in dem großen Hause derselben geben wollten — in drei Tagen. — Düvecke bebten die Knie; sie verließ das Zimmer wie eine Kranke. So fand sie Faaburg, der ihr traurig die Nachricht mittheilte, er müsse morgen zu Nacht nach Obslo reisen in wichtigen Geschäften des Herrn, und sie beschwur, ihm treu zu bleiben. Das bedrängte Mädchen empfand die ganze Macht dieses geforderten Schwures, der, von falschen Herzen gefordert, die größte Schlauheit und Falschheit ist, nicht sie verräth noch verrathen soll. Sie empfand die Schrecken

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[0031] wenn das Antlitz der Tugend nur einmal finster wird, oder gar ihre Augen sich mit Thränen füllen. Daher erschrak Düvecke, als sie einmal ihren vorigen Liebhaber, den edlen Torbern Ore, blaß wie einen Geist im Zimmer sah. Er wollte mit ihr reden; aber die Gegenwart der Mutter verhinderte jedes Wort. Er blieb lange. Sigbritte wich nicht. Und so konnte der redliche Freund hinter der Mutter Rücken seiner Geliebten nur warnend mit dem Finger drohen, und dann einmal flüchtig die Hände brechen, und sie flehentlich anblicken. Sie verstand aber am Morgen das Leid des armen Torbern so, als sei es nur Eifersucht gewesen über den Hans Faaburg, oder Warnung vor dem Herzog Christian; denn die Vorsteher der deutschen Kaufleute waren gekommen und unterhandelten mit ihrer Mutter Sigbritte über ein großes Gastmahl und prachtvolles Fest, das sie aus Dankbarkeit dem Herzog zu Ehren in dem großen Hause derselben geben wollten — in drei Tagen. — Düvecke bebten die Knie; sie verließ das Zimmer wie eine Kranke. So fand sie Faaburg, der ihr traurig die Nachricht mittheilte, er müsse morgen zu Nacht nach Obslo reisen in wichtigen Geschäften des Herrn, und sie beschwur, ihm treu zu bleiben. Das bedrängte Mädchen empfand die ganze Macht dieses geforderten Schwures, der, von falschen Herzen gefordert, die größte Schlauheit und Falschheit ist, nicht sie verräth noch verrathen soll. Sie empfand die Schrecken

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/31>, abgerufen am 21.11.2024.