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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und bliesen sie sich einander aus. Auch der Wind war nicht stärker, die Nacht nicht furchtbar, sondern erhaben und für eine reine, heitere Seele schön. Die Stunde war bestimmt, in welcher Düvecke am Strande sein sollte. Faaburg hatte ihr seinen Mantel und Hut dagelassen, auch schwedische Halbstiefeln, die Stulpen breit und umgelegt, wie welke Tulpenblätter. Sie zog sie über die Schuhe an. Es kam ihr während dem vor, als hätte die Mutter durch die Spalte der kaum geöffneten Thüre gesehen. Aber sie konnte sich aus Furcht getäuscht haben. Doch auch ihre Wäsche lag fertig, zwar nicht ausgewählt und in ein Tuch geschlagen, aber auch das Tuch fehlte nicht. -- Sie nahm das für glücklichen Zufall.

Und so kniete sie noch einmal in ihrem Stübchen nieder und dankte Gott, der sie erlöse aus der Hand ihres Feindes. Sie glühte, aber sie weinte nicht. Sie steckte einen Brief für die Mutter an den Spiegel, ergriff noch zum Andenken an sie das Brusttuch derselben, warf den Mantel um, setzte das Federbarett von Faaburg auf, beleuchtete sich vor dem Spiegel und nahm von ihrer eigenen Gestalt in Bergen Abschied, wo sie nie mehr erscheinen würde, drückte die Augen zu, löschte das Licht aus und tappte und fühlte sich leise aus dem Mutterhause.

Ihr däuchte, als sei ihr Jemand nachgeschlichen. Sie stand. -- Es stand. -- Sie ging. -- Es folgte. Sie stand wieder. -- Da kam es langsam auf sie zu

und bliesen sie sich einander aus. Auch der Wind war nicht stärker, die Nacht nicht furchtbar, sondern erhaben und für eine reine, heitere Seele schön. Die Stunde war bestimmt, in welcher Düvecke am Strande sein sollte. Faaburg hatte ihr seinen Mantel und Hut dagelassen, auch schwedische Halbstiefeln, die Stulpen breit und umgelegt, wie welke Tulpenblätter. Sie zog sie über die Schuhe an. Es kam ihr während dem vor, als hätte die Mutter durch die Spalte der kaum geöffneten Thüre gesehen. Aber sie konnte sich aus Furcht getäuscht haben. Doch auch ihre Wäsche lag fertig, zwar nicht ausgewählt und in ein Tuch geschlagen, aber auch das Tuch fehlte nicht. — Sie nahm das für glücklichen Zufall.

Und so kniete sie noch einmal in ihrem Stübchen nieder und dankte Gott, der sie erlöse aus der Hand ihres Feindes. Sie glühte, aber sie weinte nicht. Sie steckte einen Brief für die Mutter an den Spiegel, ergriff noch zum Andenken an sie das Brusttuch derselben, warf den Mantel um, setzte das Federbarett von Faaburg auf, beleuchtete sich vor dem Spiegel und nahm von ihrer eigenen Gestalt in Bergen Abschied, wo sie nie mehr erscheinen würde, drückte die Augen zu, löschte das Licht aus und tappte und fühlte sich leise aus dem Mutterhause.

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Thomas Weitin: Herausgeber
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/34>, abgerufen am 27.04.2024.