Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ter heimlich zur Frau geben wollte. Was dann werden sollte -- wußte sie jetzt noch nicht, und ließ es im Unbestimmten. Am gefährlichsten ward diese Nachwirkung in dem Geheimschreiber Hans Faaburg. Denn dieser vierschrötige Mann fühlte sich schon dadurch an seiner Ehre gekränkt, daß der König die schöne Düvecke auf seinen Namen verführt hatte. Auch war der Eindruck der liebenswürdigen Gestalt und des holdseligen Wesens der jungen Königin Isabella auf ihn nicht ausgeblieben. -- Etwas schön nennen und sagen: ich liebe es, ist einerlei -- war seine Aeußerung. -- Denn es ist erst ein Kennzeichen eines vollständig gebildeten Geistes, daß er die Schönheit als etwas Selbständiges, Geschlechtsloses, von gemeiner Liebe Geschiedenes betrachtet, daß er darum erst alles Schöne anschauen und verehren kann, weil er, zu voll von dessen Bewunderung, in nichts Einzelnes seine Leidenschaft verborgen -- sich darein verliebt hat.

Ein Verliebter ist nicht fähig, das Schöne würdig zu sehen; er sieht nur Gegenstände seiner Begierden. Ueber diese aber war nun eben Hans Faaburg's Liebe noch nicht erhoben, sondern sie steckte noch darin wie die fruchtbringende Aehre im wankenden Halm oder die hundertblätterige Rose in der verwickelten, bitterduftenden grünen Knospe. Weder sich selbst noch Andern glaubte er eine Schmach oder ein Unrecht anzuthun, wenn er sich in Jemand verliebte. Was sollte es also der Königin schaden, wenn er ein Thor sei! Das sei Jeder

ter heimlich zur Frau geben wollte. Was dann werden sollte — wußte sie jetzt noch nicht, und ließ es im Unbestimmten. Am gefährlichsten ward diese Nachwirkung in dem Geheimschreiber Hans Faaburg. Denn dieser vierschrötige Mann fühlte sich schon dadurch an seiner Ehre gekränkt, daß der König die schöne Düvecke auf seinen Namen verführt hatte. Auch war der Eindruck der liebenswürdigen Gestalt und des holdseligen Wesens der jungen Königin Isabella auf ihn nicht ausgeblieben. — Etwas schön nennen und sagen: ich liebe es, ist einerlei — war seine Aeußerung. — Denn es ist erst ein Kennzeichen eines vollständig gebildeten Geistes, daß er die Schönheit als etwas Selbständiges, Geschlechtsloses, von gemeiner Liebe Geschiedenes betrachtet, daß er darum erst alles Schöne anschauen und verehren kann, weil er, zu voll von dessen Bewunderung, in nichts Einzelnes seine Leidenschaft verborgen — sich darein verliebt hat.

Ein Verliebter ist nicht fähig, das Schöne würdig zu sehen; er sieht nur Gegenstände seiner Begierden. Ueber diese aber war nun eben Hans Faaburg's Liebe noch nicht erhoben, sondern sie steckte noch darin wie die fruchtbringende Aehre im wankenden Halm oder die hundertblätterige Rose in der verwickelten, bitterduftenden grünen Knospe. Weder sich selbst noch Andern glaubte er eine Schmach oder ein Unrecht anzuthun, wenn er sich in Jemand verliebte. Was sollte es also der Königin schaden, wenn er ein Thor sei! Das sei Jeder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="6">
        <p><pb facs="#f0070"/>
ter heimlich zur Frau geben wollte. Was dann werden sollte &#x2014; wußte sie jetzt noch                nicht, und ließ es im Unbestimmten. Am gefährlichsten ward diese Nachwirkung in dem                Geheimschreiber Hans Faaburg. Denn dieser vierschrötige Mann fühlte sich schon                dadurch an seiner Ehre gekränkt, daß der König die schöne Düvecke auf seinen Namen                verführt hatte. Auch war der Eindruck der liebenswürdigen Gestalt und des holdseligen                Wesens der jungen Königin Isabella auf ihn nicht ausgeblieben. &#x2014; Etwas schön nennen                und sagen: ich liebe es, ist einerlei &#x2014; war seine Aeußerung. &#x2014; Denn es ist erst ein                Kennzeichen eines vollständig gebildeten Geistes, daß er die Schönheit als etwas                Selbständiges, Geschlechtsloses, von gemeiner Liebe Geschiedenes betrachtet, daß er                darum erst alles Schöne anschauen und verehren kann, weil er, zu voll von dessen                Bewunderung, in nichts Einzelnes seine Leidenschaft verborgen &#x2014; sich darein verliebt                hat.</p><lb/>
        <p>Ein Verliebter ist nicht fähig, das Schöne würdig zu sehen; er sieht nur Gegenstände                seiner Begierden. Ueber diese aber war nun eben Hans Faaburg's Liebe noch nicht                erhoben, sondern sie steckte noch darin wie die fruchtbringende Aehre im wankenden                Halm oder die hundertblätterige Rose in der verwickelten, bitterduftenden grünen                Knospe. Weder sich selbst noch Andern glaubte er eine Schmach oder ein Unrecht                anzuthun, wenn er sich in Jemand verliebte. Was sollte es also der Königin schaden,                wenn er ein Thor sei! Das sei Jeder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0070] ter heimlich zur Frau geben wollte. Was dann werden sollte — wußte sie jetzt noch nicht, und ließ es im Unbestimmten. Am gefährlichsten ward diese Nachwirkung in dem Geheimschreiber Hans Faaburg. Denn dieser vierschrötige Mann fühlte sich schon dadurch an seiner Ehre gekränkt, daß der König die schöne Düvecke auf seinen Namen verführt hatte. Auch war der Eindruck der liebenswürdigen Gestalt und des holdseligen Wesens der jungen Königin Isabella auf ihn nicht ausgeblieben. — Etwas schön nennen und sagen: ich liebe es, ist einerlei — war seine Aeußerung. — Denn es ist erst ein Kennzeichen eines vollständig gebildeten Geistes, daß er die Schönheit als etwas Selbständiges, Geschlechtsloses, von gemeiner Liebe Geschiedenes betrachtet, daß er darum erst alles Schöne anschauen und verehren kann, weil er, zu voll von dessen Bewunderung, in nichts Einzelnes seine Leidenschaft verborgen — sich darein verliebt hat. Ein Verliebter ist nicht fähig, das Schöne würdig zu sehen; er sieht nur Gegenstände seiner Begierden. Ueber diese aber war nun eben Hans Faaburg's Liebe noch nicht erhoben, sondern sie steckte noch darin wie die fruchtbringende Aehre im wankenden Halm oder die hundertblätterige Rose in der verwickelten, bitterduftenden grünen Knospe. Weder sich selbst noch Andern glaubte er eine Schmach oder ein Unrecht anzuthun, wenn er sich in Jemand verliebte. Was sollte es also der Königin schaden, wenn er ein Thor sei! Das sei Jeder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/70
Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/70>, abgerufen am 13.05.2024.