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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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auch zur Zeit noch lebende Menschen griechischer Zunge auf der Welt
seien. Wie eine Ahnung zog's durch seinen Sinn, daß hier Etwas
verkörpert vor ihm stehe, das ihm trotz aller geistlichen und weltlichen
Weisheit fremd, unerreichbar ...

Ich glaubte als Lehrer gen Twiel zu kommen, sprach er weh-
müthig, und finde meine Meister. Wollt Ihr von Eurer Muttersprache
mir nicht auch dann und wann ein Körnlein zuwenden?

Wenn Ihr die Tauben nicht aus der Stube verjagt, sprach Pra-
xedis. Ihr könnt ja ein Drahtgitterlein vor die Nische ziehen, wenn
sie Euch ums Haupt fliegen wollen.

Um eines reinen Griechisch willen .... wollte Ekkehard erwiedern,
aber die Thüre der engen Klause war aufgegangen. --

Was wird hier von Tauben und reinem Griechisch verhandelt?
klang Frau Hadwig's scharfe Stimme. Braucht man so viel Zeit, um
diese vier Wände anzuschauen? Nun, Herr Ekkehard, taugt Euch die
Höhle?

Er nickte bejahend.

Dann soll sie gesäubert und in Stand gesetzt werden, fuhr Frau
Hadwig fort. Auf, Praxedis, die Hände gerührt und vor Allem das
Taubenvolk verjagt!

Ekkehard wollte es wagen, ein Wort für die Tauben einzulegen.

Ei so, sprach Frau Hadwig, Ihr wünschet allein zu sein und
Tauben zu hegen. Soll man Euch nicht auch eine Laute an die
Wand hängen, und Rosenblätter in Wein streuen? Gut, wir wollen
sie nicht verjagen; aber heute Abend sollen sie gebraten unsern Tisch
zieren.

Praxedis that als habe sie Nichts gehört.

Wie war's mit dem reinen Griechisch? frug nun die Herzogin.
Unbefangen erzählte ihr Ekkehard, um was er die Griechin ange-
gangen, da zogen die Stirnfalten wieder bei Frau Hadwig auf:
Wenn Ihr so wißbegierig seid, so mögt Ihr mich fragen, sagte sie,
auch mir ist die Sprache geläufig. Ekkehard sprach Nichts dagegen.
In ihrer Rede lag meistens eine Schärfe, die das Wort der Er-
wiederung im Munde abschnitt. --

Die Herzogin war streng und genau in Allem. Schon in den
ersten Tagen nach Ekkehard's Ankunft entwarf sie einen Plan, in

auch zur Zeit noch lebende Menſchen griechiſcher Zunge auf der Welt
ſeien. Wie eine Ahnung zog's durch ſeinen Sinn, daß hier Etwas
verkörpert vor ihm ſtehe, das ihm trotz aller geiſtlichen und weltlichen
Weisheit fremd, unerreichbar ...

Ich glaubte als Lehrer gen Twiel zu kommen, ſprach er weh-
müthig, und finde meine Meiſter. Wollt Ihr von Eurer Mutterſprache
mir nicht auch dann und wann ein Körnlein zuwenden?

Wenn Ihr die Tauben nicht aus der Stube verjagt, ſprach Pra-
xedis. Ihr könnt ja ein Drahtgitterlein vor die Niſche ziehen, wenn
ſie Euch ums Haupt fliegen wollen.

Um eines reinen Griechiſch willen .... wollte Ekkehard erwiedern,
aber die Thüre der engen Klauſe war aufgegangen. —

Was wird hier von Tauben und reinem Griechiſch verhandelt?
klang Frau Hadwig's ſcharfe Stimme. Braucht man ſo viel Zeit, um
dieſe vier Wände anzuſchauen? Nun, Herr Ekkehard, taugt Euch die
Höhle?

Er nickte bejahend.

Dann ſoll ſie geſäubert und in Stand geſetzt werden, fuhr Frau
Hadwig fort. Auf, Praxedis, die Hände gerührt und vor Allem das
Taubenvolk verjagt!

Ekkehard wollte es wagen, ein Wort für die Tauben einzulegen.

Ei ſo, ſprach Frau Hadwig, Ihr wünſchet allein zu ſein und
Tauben zu hegen. Soll man Euch nicht auch eine Laute an die
Wand hängen, und Roſenblätter in Wein ſtreuen? Gut, wir wollen
ſie nicht verjagen; aber heute Abend ſollen ſie gebraten unſern Tiſch
zieren.

Praxedis that als habe ſie Nichts gehört.

Wie war's mit dem reinen Griechiſch? frug nun die Herzogin.
Unbefangen erzählte ihr Ekkehard, um was er die Griechin ange-
gangen, da zogen die Stirnfalten wieder bei Frau Hadwig auf:
Wenn Ihr ſo wißbegierig ſeid, ſo mögt Ihr mich fragen, ſagte ſie,
auch mir iſt die Sprache geläufig. Ekkehard ſprach Nichts dagegen.
In ihrer Rede lag meiſtens eine Schärfe, die das Wort der Er-
wiederung im Munde abſchnitt. —

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[82/0104] auch zur Zeit noch lebende Menſchen griechiſcher Zunge auf der Welt ſeien. Wie eine Ahnung zog's durch ſeinen Sinn, daß hier Etwas verkörpert vor ihm ſtehe, das ihm trotz aller geiſtlichen und weltlichen Weisheit fremd, unerreichbar ... Ich glaubte als Lehrer gen Twiel zu kommen, ſprach er weh- müthig, und finde meine Meiſter. Wollt Ihr von Eurer Mutterſprache mir nicht auch dann und wann ein Körnlein zuwenden? Wenn Ihr die Tauben nicht aus der Stube verjagt, ſprach Pra- xedis. Ihr könnt ja ein Drahtgitterlein vor die Niſche ziehen, wenn ſie Euch ums Haupt fliegen wollen. Um eines reinen Griechiſch willen .... wollte Ekkehard erwiedern, aber die Thüre der engen Klauſe war aufgegangen. — Was wird hier von Tauben und reinem Griechiſch verhandelt? klang Frau Hadwig's ſcharfe Stimme. Braucht man ſo viel Zeit, um dieſe vier Wände anzuſchauen? Nun, Herr Ekkehard, taugt Euch die Höhle? Er nickte bejahend. Dann ſoll ſie geſäubert und in Stand geſetzt werden, fuhr Frau Hadwig fort. Auf, Praxedis, die Hände gerührt und vor Allem das Taubenvolk verjagt! Ekkehard wollte es wagen, ein Wort für die Tauben einzulegen. Ei ſo, ſprach Frau Hadwig, Ihr wünſchet allein zu ſein und Tauben zu hegen. Soll man Euch nicht auch eine Laute an die Wand hängen, und Roſenblätter in Wein ſtreuen? Gut, wir wollen ſie nicht verjagen; aber heute Abend ſollen ſie gebraten unſern Tiſch zieren. Praxedis that als habe ſie Nichts gehört. Wie war's mit dem reinen Griechiſch? frug nun die Herzogin. Unbefangen erzählte ihr Ekkehard, um was er die Griechin ange- gangen, da zogen die Stirnfalten wieder bei Frau Hadwig auf: Wenn Ihr ſo wißbegierig ſeid, ſo mögt Ihr mich fragen, ſagte ſie, auch mir iſt die Sprache geläufig. Ekkehard ſprach Nichts dagegen. In ihrer Rede lag meiſtens eine Schärfe, die das Wort der Er- wiederung im Munde abſchnitt. — Die Herzogin war ſtreng und genau in Allem. Schon in den erſten Tagen nach Ekkehard's Ankunft entwarf ſie einen Plan, in

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/104>, abgerufen am 23.11.2024.