Es ist Sünd' und Schade, fuhr sein Gefährte fort, um den Eich- baum, schon an die zweihundert Jahr steht er, und hat manch lustig flackernd Mai- und Herbstfeuer erlebt. Ich bring's schier nicht über's Herz, Chomuli.
Sei kein Thor, tröstete der Andere und that den ersten Hieb, wir müssen dran: Je schärfer wir dem Baum in's Fleisch hauen, desto weniger glaubt's der in der Kutte dort, daß wir selber in nächtlicher Andacht unter seinen Wipfeln saßen. Und der Strafschilling?! ... Klug muß der Mensch sein, Woveli!
Das leuchtete dem Ersten ein. Klug muß der Mensch sein, Cho- muli! sprach er und hieb auf den Baum seiner Verehrung. Zehn Tage vorher hatte er ein Wachsbild dran gehängt, daß ihm seine braune Kuh vom Fieber genese. -- Die Späne flogen, in dumpfem Tact trachten die einschlagenden Hiebe der Beiden.
Der Diacon von Singen war auch herübergekommen mit Meßbuch und Stola. Ekkehard winkte ihm, daß er mit eintrete zur Waldfrau. Die saß noch starr an ihrem Heerde. Ein scharfer Windzug erhob sich, da die Beiden durch die geöffnete Thür eintraten, und verlöschte ihr Feuer.
Waldfrau, rief Ekkehard gebietend, bestellt Euer Haus und schnüret Euren Bündel, Ihr müsset fort.
Die Alte griff nach ihrem Stab und schnitt den dritten Kerbschnitt ein. Wer beschimpft mich zum Drittenmal, sprach sie dumpf und will mich aus meiner Mutter Hause werfen, wie einen herrenlosen Hund?
Im Namen der Herzogin in Schwaben, fuhr Ekkehard feierlich fort, spreche ich über Euch wegen Hegung heidnischen Aberglaubens und nächt- lichen Götzendienstes die Verweisung aus Haus und Hof und Gau und Land aus. Euer Stuhl sei gesetzt vor die Thür Eurer Hütte, ziehen sollt Ihr unstet, soweit der Himmel blau ist, soweit Christen die Kirche besuchen, so weit der Falke fliegt am Frühlingstag, wenn der Wind unter bei- den Flügeln ihn dahin treibt. Kein gastlich Thor soll sich Euch öffnen, kein Feuer am Heerd brenne für Euch, kein Wasser des Quells rausche für Euch, bis daß Ihr Eures Frevels Euch abgethan und Euren Frieden gefestet mit dem dreieinigen Gott, dem Richter der Lebenden und Todten.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 8
Es iſt Sünd' und Schade, fuhr ſein Gefährte fort, um den Eich- baum, ſchon an die zweihundert Jahr ſteht er, und hat manch luſtig flackernd Mai- und Herbſtfeuer erlebt. Ich bring's ſchier nicht über's Herz, Chomuli.
Sei kein Thor, tröſtete der Andere und that den erſten Hieb, wir müſſen dran: Je ſchärfer wir dem Baum in's Fleiſch hauen, deſto weniger glaubt's der in der Kutte dort, daß wir ſelber in nächtlicher Andacht unter ſeinen Wipfeln ſaßen. Und der Strafſchilling?! ... Klug muß der Menſch ſein, Woveli!
Das leuchtete dem Erſten ein. Klug muß der Menſch ſein, Cho- muli! ſprach er und hieb auf den Baum ſeiner Verehrung. Zehn Tage vorher hatte er ein Wachsbild dran gehängt, daß ihm ſeine braune Kuh vom Fieber geneſe. — Die Späne flogen, in dumpfem Tact trachten die einſchlagenden Hiebe der Beiden.
Der Diacon von Singen war auch herübergekommen mit Meßbuch und Stola. Ekkehard winkte ihm, daß er mit eintrete zur Waldfrau. Die ſaß noch ſtarr an ihrem Heerde. Ein ſcharfer Windzug erhob ſich, da die Beiden durch die geöffnete Thür eintraten, und verlöſchte ihr Feuer.
Waldfrau, rief Ekkehard gebietend, beſtellt Euer Haus und ſchnüret Euren Bündel, Ihr müſſet fort.
Die Alte griff nach ihrem Stab und ſchnitt den dritten Kerbſchnitt ein. Wer beſchimpft mich zum Drittenmal, ſprach ſie dumpf und will mich aus meiner Mutter Hauſe werfen, wie einen herrenloſen Hund?
Im Namen der Herzogin in Schwaben, fuhr Ekkehard feierlich fort, ſpreche ich über Euch wegen Hegung heidniſchen Aberglaubens und nächt- lichen Götzendienſtes die Verweiſung aus Haus und Hof und Gau und Land aus. Euer Stuhl ſei geſetzt vor die Thür Eurer Hütte, ziehen ſollt Ihr unſtet, ſoweit der Himmel blau iſt, ſoweit Chriſten die Kirche beſuchen, ſo weit der Falke fliegt am Frühlingstag, wenn der Wind unter bei- den Flügeln ihn dahin treibt. Kein gaſtlich Thor ſoll ſich Euch öffnen, kein Feuer am Heerd brenne für Euch, kein Waſſer des Quells rauſche für Euch, bis daß Ihr Eures Frevels Euch abgethan und Euren Frieden gefeſtet mit dem dreieinigen Gott, dem Richter der Lebenden und Todten.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 8
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baum, ſchon an die zweihundert Jahr ſteht er, und hat manch luſtig
flackernd Mai- und Herbſtfeuer erlebt. Ich bring's ſchier nicht über's
Herz, Chomuli.
Sei kein Thor, tröſtete der Andere und that den erſten Hieb, wir
müſſen dran: Je ſchärfer wir dem Baum in's Fleiſch hauen, deſto
weniger glaubt's der in der Kutte dort, daß wir ſelber in nächtlicher
Andacht unter ſeinen Wipfeln ſaßen. Und der Strafſchilling?! ...
Klug muß der Menſch ſein, Woveli!
Das leuchtete dem Erſten ein. Klug muß der Menſch ſein, Cho-
muli! ſprach er und hieb auf den Baum ſeiner Verehrung. Zehn
Tage vorher hatte er ein Wachsbild dran gehängt, daß ihm ſeine
braune Kuh vom Fieber geneſe. — Die Späne flogen, in dumpfem
Tact trachten die einſchlagenden Hiebe der Beiden.
Der Diacon von Singen war auch herübergekommen mit Meßbuch
und Stola. Ekkehard winkte ihm, daß er mit eintrete zur Waldfrau.
Die ſaß noch ſtarr an ihrem Heerde. Ein ſcharfer Windzug erhob ſich,
da die Beiden durch die geöffnete Thür eintraten, und verlöſchte ihr
Feuer.
Waldfrau, rief Ekkehard gebietend, beſtellt Euer Haus und ſchnüret
Euren Bündel, Ihr müſſet fort.
Die Alte griff nach ihrem Stab und ſchnitt den dritten Kerbſchnitt
ein. Wer beſchimpft mich zum Drittenmal, ſprach ſie dumpf und will
mich aus meiner Mutter Hauſe werfen, wie einen herrenloſen Hund?
Im Namen der Herzogin in Schwaben, fuhr Ekkehard feierlich fort,
ſpreche ich über Euch wegen Hegung heidniſchen Aberglaubens und nächt-
lichen Götzendienſtes die Verweiſung aus Haus und Hof und Gau und Land
aus. Euer Stuhl ſei geſetzt vor die Thür Eurer Hütte, ziehen ſollt
Ihr
unſtet, ſoweit der Himmel blau iſt, ſoweit Chriſten die Kirche beſuchen,
ſo weit der Falke fliegt am Frühlingstag, wenn der Wind unter bei-
den Flügeln ihn dahin treibt. Kein gaſtlich Thor ſoll ſich Euch
öffnen, kein Feuer am Heerd brenne für Euch, kein Waſſer des Quells
rauſche für Euch, bis daß Ihr Eures Frevels Euch abgethan und
Euren Frieden gefeſtet mit dem dreieinigen Gott, dem Richter der
Lebenden und Todten.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 8
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/135>, abgerufen am 25.11.2024.
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