Die zwei Holzhauer hatten indeß ihre Arbeit beendigt, und schlichen auf des Berges Rückseite von dannen; sie fürchteten die Herzogin. Ekkehard erzählte ihr der Waldfrau Wesen und Haushalt, und wie er sie ausgetrieben.
Ihr seid streng, sprach Frau Hadwig.
Ich glaubte mild zu sein, erwiederte Ekkehard.
Wir genehmigen was Ihr geordnet, sprach die Herzogin. Was fanget Ihr mit dem verlassenen Hause an? Sie warf einen flüchtigen Blick auf das steinerne Gemäuer.
Die Kraft böser Geister ist gebannt und beschworen, sagte Ekke- hard. Ich will es zu einer Capelle der heiligen Hadwig weihen.
Die Herzogin sah ihn wohlwollend an: Wie kommt Ihr auf den Gedanken?
Es ist mir so beigefallen ... Die Eiche hab' ich umhauen lassen.
Wir wollen den Platz besichtigen, sprach sie. Ich denke, wir wer- den auch das Umhauen der Eiche genehmigen.
Sie stieg mit Ekkehard den steinigen Pfad hinauf, der auf den Gipfel des hohen Krähen führt. Oben lag die Eiche gefällt, schier sperrten ihre mächtigen Aeste den Platz. Eine Felsplatte, wenig Schritte im Umfang, ist der Gipfel des seltsam geformten Berges. Sie stan- den oben. Steil senkten sich die Felswände unter ihren Füßen ab- wärts; es war eine schier schwindelnde Höhe, kein Stein oder Baum zum Anlehnen; in die blaue Luft hinaus ragten die zwei Gestalten, der Möch im dunklen Gewand, die Herzogin, den hellen farbigen Mantel faltig umgschlagen. Schweigend standen sie beisammen. Ein gewaltiger Anblick that sich vor ihren Augen auf. Tief unten streckte sich die Ebene, in Schlangenlinie zog das Flüßlein Aach durch die wiesengrüne Fläche, Dächer und Giebel der Häuser im Thal waren winzig fern, wie Punkte auf einer Landkarte; drüben reckte sich der bekannte Gipfel des Hohentwiel dunkel empor, ein stolzer Mittel- grund; blaue platte Bergrücken erhoben sich mauergleich hinter dem Gewaltigen, ein Damm, der den Rhein auf seiner Flucht aus dem See dem Beschauer verdeckt. Glänzend trat der Untersee mit der In- sel Reichenau hervor, und leise wie hingehaucht zeichneten sich ferne riesige Berggestalten im dünnen Gewölk, sie wurden deutlich und deut-
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Die zwei Holzhauer hatten indeß ihre Arbeit beendigt, und ſchlichen auf des Berges Rückſeite von dannen; ſie fürchteten die Herzogin. Ekkehard erzählte ihr der Waldfrau Weſen und Haushalt, und wie er ſie ausgetrieben.
Ihr ſeid ſtreng, ſprach Frau Hadwig.
Ich glaubte mild zu ſein, erwiederte Ekkehard.
Wir genehmigen was Ihr geordnet, ſprach die Herzogin. Was fanget Ihr mit dem verlaſſenen Hauſe an? Sie warf einen flüchtigen Blick auf das ſteinerne Gemäuer.
Die Kraft böſer Geiſter iſt gebannt und beſchworen, ſagte Ekke- hard. Ich will es zu einer Capelle der heiligen Hadwig weihen.
Die Herzogin ſah ihn wohlwollend an: Wie kommt Ihr auf den Gedanken?
Es iſt mir ſo beigefallen ... Die Eiche hab' ich umhauen laſſen.
Wir wollen den Platz beſichtigen, ſprach ſie. Ich denke, wir wer- den auch das Umhauen der Eiche genehmigen.
Sie ſtieg mit Ekkehard den ſteinigen Pfad hinauf, der auf den Gipfel des hohen Krähen führt. Oben lag die Eiche gefällt, ſchier ſperrten ihre mächtigen Aeſte den Platz. Eine Felsplatte, wenig Schritte im Umfang, iſt der Gipfel des ſeltſam geformten Berges. Sie ſtan- den oben. Steil ſenkten ſich die Felswände unter ihren Füßen ab- wärts; es war eine ſchier ſchwindelnde Höhe, kein Stein oder Baum zum Anlehnen; in die blaue Luft hinaus ragten die zwei Geſtalten, der Möch im dunklen Gewand, die Herzogin, den hellen farbigen Mantel faltig umgſchlagen. Schweigend ſtanden ſie beiſammen. Ein gewaltiger Anblick that ſich vor ihren Augen auf. Tief unten ſtreckte ſich die Ebene, in Schlangenlinie zog das Flüßlein Aach durch die wieſengrüne Fläche, Dächer und Giebel der Häuſer im Thal waren winzig fern, wie Punkte auf einer Landkarte; drüben reckte ſich der bekannte Gipfel des Hohentwiel dunkel empor, ein ſtolzer Mittel- grund; blaue platte Bergrücken erhoben ſich mauergleich hinter dem Gewaltigen, ein Damm, der den Rhein auf ſeiner Flucht aus dem See dem Beſchauer verdeckt. Glänzend trat der Unterſee mit der In- ſel Reichenau hervor, und leiſe wie hingehaucht zeichneten ſich ferne rieſige Berggeſtalten im dünnen Gewölk, ſie wurden deutlich und deut-
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Die zwei Holzhauer hatten indeß ihre Arbeit beendigt, und ſchlichen
auf des Berges Rückſeite von dannen; ſie fürchteten die Herzogin.
Ekkehard erzählte ihr der Waldfrau Weſen und Haushalt, und wie
er ſie ausgetrieben.
Ihr ſeid ſtreng, ſprach Frau Hadwig.
Ich glaubte mild zu ſein, erwiederte Ekkehard.
Wir genehmigen was Ihr geordnet, ſprach die Herzogin. Was
fanget Ihr mit dem verlaſſenen Hauſe an? Sie warf einen flüchtigen
Blick auf das ſteinerne Gemäuer.
Die Kraft böſer Geiſter iſt gebannt und beſchworen, ſagte Ekke-
hard. Ich will es zu einer Capelle der heiligen Hadwig weihen.
Die Herzogin ſah ihn wohlwollend an: Wie kommt Ihr auf den
Gedanken?
Es iſt mir ſo beigefallen ... Die Eiche hab' ich umhauen
laſſen.
Wir wollen den Platz beſichtigen, ſprach ſie. Ich denke, wir wer-
den auch das Umhauen der Eiche genehmigen.
Sie ſtieg mit Ekkehard den ſteinigen Pfad hinauf, der auf den
Gipfel des hohen Krähen führt. Oben lag die Eiche gefällt, ſchier
ſperrten ihre mächtigen Aeſte den Platz. Eine Felsplatte, wenig Schritte
im Umfang, iſt der Gipfel des ſeltſam geformten Berges. Sie ſtan-
den oben. Steil ſenkten ſich die Felswände unter ihren Füßen ab-
wärts; es war eine ſchier ſchwindelnde Höhe, kein Stein oder Baum
zum Anlehnen; in die blaue Luft hinaus ragten die zwei Geſtalten,
der Möch im dunklen Gewand, die Herzogin, den hellen farbigen
Mantel faltig umgſchlagen. Schweigend ſtanden ſie beiſammen.
Ein gewaltiger Anblick that ſich vor ihren Augen auf. Tief unten
ſtreckte ſich die Ebene, in Schlangenlinie zog das Flüßlein Aach durch
die wieſengrüne Fläche, Dächer und Giebel der Häuſer im Thal
waren winzig fern, wie Punkte auf einer Landkarte; drüben reckte ſich
der bekannte Gipfel des Hohentwiel dunkel empor, ein ſtolzer Mittel-
grund; blaue platte Bergrücken erhoben ſich mauergleich hinter dem
Gewaltigen, ein Damm, der den Rhein auf ſeiner Flucht aus dem
See dem Beſchauer verdeckt. Glänzend trat der Unterſee mit der In-
ſel Reichenau hervor, und leiſe wie hingehaucht zeichneten ſich ferne
rieſige Berggeſtalten im dünnen Gewölk, ſie wurden deutlich und deut-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/137>, abgerufen am 25.11.2024.
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