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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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fallen sie auf's deutsche Land, geschwinde wie geflügelte Teufel sind sie
auch, eher fängst du den Wind auf der Ebene und den Vogel in der
Luft, heißt's bei uns von früher her. Daß Koller und Dampf ihre
kleinen Rosse heimsuchte!.. Mich dauert nur meiner Schwester Kind,
die schöne Bertha in Passau ...

Es ist nicht möglich! sagte Frau Hadwig. Haben sie schon ver-
gessen, wie ihnen die Kammerboten Erchanger und Berchtold den Be-
scheid gaben: Wir haben Eisen und Schwerter und fünf Finger in
der Faust? In der Schlacht am Inn ward's ihnen deutlich auf die
Köpfe geschrieben ..

Eben darum, sprach der Mann. Wer tüchtig geschlagen worden,
kommt gern wieder, um das zweitemal selber zu schlagen. Itzt sind
andere Zeiten. Den Kammerboten hat man zum Dank für ihre Tapfer-
keit später das Haupt vor die Füße gelegt, wer wird sich noch voran
stellen?

Auch wir wissen den Weg, auf dem unsere Vorgänger gegen den
Feind geritten sind, sprach die Herzogin stolz.

Sie entließ den Mann von Augsburg mit einem Geschenk. Dann
berief sie Ekkehard zu sich.

Virgilius wird eine Zeit lang in Ruhe kommen, sprach sie zu
ihm, und theilte ihm die Nachricht von der Hunnen Gefahr mit. Die
Lage der Dinge war nicht erfreulich.

Die Großen des Reichs hatten in langen Fehden verlernt zu ge-
meinsamem Handeln einzustehn; der Kaiser, aus sächsischem Stamm
und den Schwaben nicht sonderlich hold, schlug sich fern von den deut-
schen Grenzen in Italien herum, die Straße nach dem Bodensee stund
den fremden Gästen offen. An ihrem Namen haftete der Schreck.
Seit Jahren schwärmten ihre Haufen wie Irrlichter durch das zer-
rüttete Reich, das Karl der Große unfähigen Nachfolgern hinterlassen,
von den Ufern der Nordsee, wo die Trümmerstätte von Bremen Zeug-
niß ihres Einfalls gab, bis hinab an die Südspitze Calabriens, wo
der Landeingeborene ihnen Mann für Mann ein Lösegeld für seinen
Kopf zahlen mußte, zeichnete Brand und Plünderung ihre Spur ...

Wenn der fromme Bischof Ulrich keine Gespenster gesehen hat,
sprach die Herzogin, so kommen sie auch zu uns, was ist zu thun?
In Kampf ziehen? Auch Tapferkeit ist Thorheit, wenn der Feind

fallen ſie auf's deutſche Land, geſchwinde wie geflügelte Teufel ſind ſie
auch, eher fängſt du den Wind auf der Ebene und den Vogel in der
Luft, heißt's bei uns von früher her. Daß Koller und Dampf ihre
kleinen Roſſe heimſuchte!.. Mich dauert nur meiner Schweſter Kind,
die ſchöne Bertha in Paſſau ...

Es iſt nicht möglich! ſagte Frau Hadwig. Haben ſie ſchon ver-
geſſen, wie ihnen die Kammerboten Erchanger und Berchtold den Be-
ſcheid gaben: Wir haben Eiſen und Schwerter und fünf Finger in
der Fauſt? In der Schlacht am Inn ward's ihnen deutlich auf die
Köpfe geſchrieben ..

Eben darum, ſprach der Mann. Wer tüchtig geſchlagen worden,
kommt gern wieder, um das zweitemal ſelber zu ſchlagen. Itzt ſind
andere Zeiten. Den Kammerboten hat man zum Dank für ihre Tapfer-
keit ſpäter das Haupt vor die Füße gelegt, wer wird ſich noch voran
ſtellen?

Auch wir wiſſen den Weg, auf dem unſere Vorgänger gegen den
Feind geritten ſind, ſprach die Herzogin ſtolz.

Sie entließ den Mann von Augsburg mit einem Geſchenk. Dann
berief ſie Ekkehard zu ſich.

Virgilius wird eine Zeit lang in Ruhe kommen, ſprach ſie zu
ihm, und theilte ihm die Nachricht von der Hunnen Gefahr mit. Die
Lage der Dinge war nicht erfreulich.

Die Großen des Reichs hatten in langen Fehden verlernt zu ge-
meinſamem Handeln einzuſtehn; der Kaiſer, aus ſächſiſchem Stamm
und den Schwaben nicht ſonderlich hold, ſchlug ſich fern von den deut-
ſchen Grenzen in Italien herum, die Straße nach dem Bodenſee ſtund
den fremden Gäſten offen. An ihrem Namen haftete der Schreck.
Seit Jahren ſchwärmten ihre Haufen wie Irrlichter durch das zer-
rüttete Reich, das Karl der Große unfähigen Nachfolgern hinterlaſſen,
von den Ufern der Nordſee, wo die Trümmerſtätte von Bremen Zeug-
niß ihres Einfalls gab, bis hinab an die Südſpitze Calabriens, wo
der Landeingeborene ihnen Mann für Mann ein Löſegeld für ſeinen
Kopf zahlen mußte, zeichnete Brand und Plünderung ihre Spur ...

Wenn der fromme Biſchof Ulrich keine Geſpenſter geſehen hat,
ſprach die Herzogin, ſo kommen ſie auch zu uns, was iſt zu thun?
In Kampf ziehen? Auch Tapferkeit iſt Thorheit, wenn der Feind

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[133/0155] fallen ſie auf's deutſche Land, geſchwinde wie geflügelte Teufel ſind ſie auch, eher fängſt du den Wind auf der Ebene und den Vogel in der Luft, heißt's bei uns von früher her. Daß Koller und Dampf ihre kleinen Roſſe heimſuchte!.. Mich dauert nur meiner Schweſter Kind, die ſchöne Bertha in Paſſau ... Es iſt nicht möglich! ſagte Frau Hadwig. Haben ſie ſchon ver- geſſen, wie ihnen die Kammerboten Erchanger und Berchtold den Be- ſcheid gaben: Wir haben Eiſen und Schwerter und fünf Finger in der Fauſt? In der Schlacht am Inn ward's ihnen deutlich auf die Köpfe geſchrieben .. Eben darum, ſprach der Mann. Wer tüchtig geſchlagen worden, kommt gern wieder, um das zweitemal ſelber zu ſchlagen. Itzt ſind andere Zeiten. Den Kammerboten hat man zum Dank für ihre Tapfer- keit ſpäter das Haupt vor die Füße gelegt, wer wird ſich noch voran ſtellen? Auch wir wiſſen den Weg, auf dem unſere Vorgänger gegen den Feind geritten ſind, ſprach die Herzogin ſtolz. Sie entließ den Mann von Augsburg mit einem Geſchenk. Dann berief ſie Ekkehard zu ſich. Virgilius wird eine Zeit lang in Ruhe kommen, ſprach ſie zu ihm, und theilte ihm die Nachricht von der Hunnen Gefahr mit. Die Lage der Dinge war nicht erfreulich. Die Großen des Reichs hatten in langen Fehden verlernt zu ge- meinſamem Handeln einzuſtehn; der Kaiſer, aus ſächſiſchem Stamm und den Schwaben nicht ſonderlich hold, ſchlug ſich fern von den deut- ſchen Grenzen in Italien herum, die Straße nach dem Bodenſee ſtund den fremden Gäſten offen. An ihrem Namen haftete der Schreck. Seit Jahren ſchwärmten ihre Haufen wie Irrlichter durch das zer- rüttete Reich, das Karl der Große unfähigen Nachfolgern hinterlaſſen, von den Ufern der Nordſee, wo die Trümmerſtätte von Bremen Zeug- niß ihres Einfalls gab, bis hinab an die Südſpitze Calabriens, wo der Landeingeborene ihnen Mann für Mann ein Löſegeld für ſeinen Kopf zahlen mußte, zeichnete Brand und Plünderung ihre Spur ... Wenn der fromme Biſchof Ulrich keine Geſpenſter geſehen hat, ſprach die Herzogin, ſo kommen ſie auch zu uns, was iſt zu thun? In Kampf ziehen? Auch Tapferkeit iſt Thorheit, wenn der Feind

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/155>, abgerufen am 21.11.2024.