Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Den Gott segnen möge, fiel Rauching ein.

.. gefestigt hingestellt; die Stämme, die dem Römer einst zusammen
den Garaus gemacht, ein Ganzes, wie sich's gehört, damals hat der
Hunn scheu hinter seinem Landhag an der Donau gelauert, 's war
kein Wetter für ihn, und wie sie sich rühren wollten ist von ihrer
hölzernen Lagerstadt tief in Pannonien drin kein Spahn mehr übrig
geblieben, so hat die fränkische Landwehr drein gewettert ..145) aber
die Großen in der Heimath hat's gedrückt, daß nicht ein Jeder der
Herr der Welt sein kann; da hat's innerhalb des eigenen Zauns pro-
birt sein müssen -- Aufruhr, Empörung und Reichsverrath, das
schmeckt besser, den Letzten von Karl's Stamme, der des Weltreichs
Zügel führte, haben sie abgesetzt -- das Symbolum der Reichseinheit
ist ein Bettelmann worden und muß ungeschmelzte Wassersuppen
essen -- nun, und eure Herren, denen der Bastard Arnulf und ihr
eigener Uebermuth lieber war, haben die Hunnen auf dem Nacken,
und die alten Zeiten kommen wieder, wie sie schon der König Etzel
malen ließ. Kennt Ihr das Bild im Mailänder Pallast?

Dort war der römische Kaiser gemalt, wie er auf seinem Thron
saß und die scythischen Fürsten ihm zu Füßen lagen; da kam der
König Etzel des Wegs geritten und sah die Malerei lang an und
lachte und sprach: Ganz recht; nur eine kleine Aenderung! Und er
ließ dem Mann auf dem Thron sein eigen Antlitz geben, und die
vor ihm knieten und die Säcke voll Zinsgold vor seinem Thron aus-
leerten, waren die römischen Cäsaren ... 146)

Das Bild ist heut noch zu schauen ...

Ihr denkt an alte Geschichten, sprach Ekkehard.

Alte Geschichten! rief der Greis: Für mich hat's seit vierzig Jahren
nichts Neues gegeben als Noth und Elend. Alte Geschichten! 's ist
gut, wer sie noch weiß, daß er sehen kann, wie der Väter Sünden ge-
rächt werden an Kind und Kindeskind. Wißt Ihr, warum der große
Karl das einemal in seinem Leben geweint hat? So lang ich lebe,
sind's Narrenpossen, sprach er, da sie ihm der nordmännischen See-
räuber Ankunft meldeten, aber mich dauern meine Enkel!147)

Noch haben wir einen Kaiser und ein Reich, warf Ekkehard ein.

Habt ihr noch einen? sprach der Greis und trank seinen Schluck
sauern Sipplinger, und schüttelte sich: Ich wünsch' ihm Glück. Die

Den Gott ſegnen möge, fiel Rauching ein.

.. gefeſtigt hingeſtellt; die Stämme, die dem Römer einſt zuſammen
den Garaus gemacht, ein Ganzes, wie ſich's gehört, damals hat der
Hunn ſcheu hinter ſeinem Landhag an der Donau gelauert, 's war
kein Wetter für ihn, und wie ſie ſich rühren wollten iſt von ihrer
hölzernen Lagerſtadt tief in Pannonien drin kein Spahn mehr übrig
geblieben, ſo hat die fränkiſche Landwehr drein gewettert ..145) aber
die Großen in der Heimath hat's gedrückt, daß nicht ein Jeder der
Herr der Welt ſein kann; da hat's innerhalb des eigenen Zauns pro-
birt ſein müſſen — Aufruhr, Empörung und Reichsverrath, das
ſchmeckt beſſer, den Letzten von Karl's Stamme, der des Weltreichs
Zügel führte, haben ſie abgeſetzt — das Symbolum der Reichseinheit
iſt ein Bettelmann worden und muß ungeſchmelzte Waſſerſuppen
eſſen — nun, und eure Herren, denen der Baſtard Arnulf und ihr
eigener Uebermuth lieber war, haben die Hunnen auf dem Nacken,
und die alten Zeiten kommen wieder, wie ſie ſchon der König Etzel
malen ließ. Kennt Ihr das Bild im Mailänder Pallaſt?

Dort war der römiſche Kaiſer gemalt, wie er auf ſeinem Thron
ſaß und die ſcythiſchen Fürſten ihm zu Füßen lagen; da kam der
König Etzel des Wegs geritten und ſah die Malerei lang an und
lachte und ſprach: Ganz recht; nur eine kleine Aenderung! Und er
ließ dem Mann auf dem Thron ſein eigen Antlitz geben, und die
vor ihm knieten und die Säcke voll Zinsgold vor ſeinem Thron aus-
leerten, waren die römiſchen Cäſaren ... 146)

Das Bild iſt heut noch zu ſchauen ...

Ihr denkt an alte Geſchichten, ſprach Ekkehard.

Alte Geſchichten! rief der Greis: Für mich hat's ſeit vierzig Jahren
nichts Neues gegeben als Noth und Elend. Alte Geſchichten! 's iſt
gut, wer ſie noch weiß, daß er ſehen kann, wie der Väter Sünden ge-
rächt werden an Kind und Kindeskind. Wißt Ihr, warum der große
Karl das einemal in ſeinem Leben geweint hat? So lang ich lebe,
ſind's Narrenpoſſen, ſprach er, da ſie ihm der nordmänniſchen See-
räuber Ankunft meldeten, aber mich dauern meine Enkel!147)

Noch haben wir einen Kaiſer und ein Reich, warf Ekkehard ein.

Habt ihr noch einen? ſprach der Greis und trank ſeinen Schluck
ſauern Sipplinger, und ſchüttelte ſich: Ich wünſch' ihm Glück. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0162" n="140"/>
        <p>Den Gott &#x017F;egnen möge, fiel Rauching ein.</p><lb/>
        <p>.. gefe&#x017F;tigt hinge&#x017F;tellt; die Stämme, die dem Römer ein&#x017F;t zu&#x017F;ammen<lb/>
den Garaus gemacht, ein Ganzes, wie &#x017F;ich's gehört, damals hat der<lb/>
Hunn &#x017F;cheu hinter &#x017F;einem Landhag an der Donau gelauert, 's war<lb/>
kein Wetter für ihn, und wie &#x017F;ie &#x017F;ich rühren wollten i&#x017F;t von ihrer<lb/>
hölzernen Lager&#x017F;tadt tief in Pannonien drin kein Spahn mehr übrig<lb/>
geblieben, &#x017F;o hat die fränki&#x017F;che Landwehr drein gewettert ..<note xml:id="ed145" next="#edt145" place="end" n="145)"/> aber<lb/>
die Großen in der Heimath hat's gedrückt, daß nicht ein Jeder der<lb/>
Herr der Welt &#x017F;ein kann; da hat's innerhalb des eigenen Zauns pro-<lb/>
birt &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en &#x2014; Aufruhr, Empörung und Reichsverrath, das<lb/>
&#x017F;chmeckt be&#x017F;&#x017F;er, den Letzten von Karl's Stamme, der des Weltreichs<lb/>
Zügel führte, haben &#x017F;ie abge&#x017F;etzt &#x2014; das Symbolum der Reichseinheit<lb/>
i&#x017F;t ein Bettelmann worden und muß unge&#x017F;chmelzte Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;uppen<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en &#x2014; nun, und eure Herren, denen der Ba&#x017F;tard Arnulf und ihr<lb/>
eigener Uebermuth lieber war, haben die Hunnen auf dem Nacken,<lb/>
und die alten Zeiten kommen wieder, wie &#x017F;ie &#x017F;chon der König Etzel<lb/>
malen ließ. Kennt Ihr das Bild im Mailänder Palla&#x017F;t?</p><lb/>
        <p>Dort war der römi&#x017F;che Kai&#x017F;er gemalt, wie er auf &#x017F;einem Thron<lb/>
&#x017F;aß und die &#x017F;cythi&#x017F;chen Für&#x017F;ten ihm zu Füßen lagen; da kam der<lb/>
König Etzel des Wegs geritten und &#x017F;ah die Malerei lang an und<lb/>
lachte und &#x017F;prach: Ganz recht; nur eine kleine Aenderung! Und er<lb/>
ließ dem Mann auf dem Thron &#x017F;ein eigen Antlitz geben, und die<lb/>
vor ihm knieten und die Säcke voll Zinsgold vor &#x017F;einem Thron aus-<lb/>
leerten, waren die römi&#x017F;chen Cä&#x017F;aren ... <note xml:id="ed146" next="#edt146" place="end" n="146)"/></p><lb/>
        <p>Das Bild i&#x017F;t heut noch zu &#x017F;chauen ...</p><lb/>
        <p>Ihr denkt an alte Ge&#x017F;chichten, &#x017F;prach Ekkehard.</p><lb/>
        <p>Alte Ge&#x017F;chichten! rief der Greis: Für mich hat's &#x017F;eit vierzig Jahren<lb/>
nichts Neues gegeben als Noth und Elend. Alte Ge&#x017F;chichten! 's i&#x017F;t<lb/>
gut, wer &#x017F;ie noch weiß, daß er &#x017F;ehen kann, wie der Väter Sünden ge-<lb/>
rächt werden an Kind und Kindeskind. Wißt Ihr, warum der große<lb/>
Karl das einemal in &#x017F;einem Leben geweint hat? So lang ich lebe,<lb/>
&#x017F;ind's Narrenpo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;prach er, da &#x017F;ie ihm der nordmänni&#x017F;chen See-<lb/>
räuber Ankunft meldeten, aber mich dauern meine Enkel!<note xml:id="ed147" next="#edt147" place="end" n="147)"/></p><lb/>
        <p>Noch haben wir einen Kai&#x017F;er und ein Reich, warf Ekkehard ein.</p><lb/>
        <p>Habt ihr noch einen? &#x017F;prach der Greis und trank &#x017F;einen Schluck<lb/>
&#x017F;auern Sipplinger, und &#x017F;chüttelte &#x017F;ich: Ich wün&#x017F;ch' ihm Glück. Die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0162] Den Gott ſegnen möge, fiel Rauching ein. .. gefeſtigt hingeſtellt; die Stämme, die dem Römer einſt zuſammen den Garaus gemacht, ein Ganzes, wie ſich's gehört, damals hat der Hunn ſcheu hinter ſeinem Landhag an der Donau gelauert, 's war kein Wetter für ihn, und wie ſie ſich rühren wollten iſt von ihrer hölzernen Lagerſtadt tief in Pannonien drin kein Spahn mehr übrig geblieben, ſo hat die fränkiſche Landwehr drein gewettert .. ¹⁴⁵⁾ aber die Großen in der Heimath hat's gedrückt, daß nicht ein Jeder der Herr der Welt ſein kann; da hat's innerhalb des eigenen Zauns pro- birt ſein müſſen — Aufruhr, Empörung und Reichsverrath, das ſchmeckt beſſer, den Letzten von Karl's Stamme, der des Weltreichs Zügel führte, haben ſie abgeſetzt — das Symbolum der Reichseinheit iſt ein Bettelmann worden und muß ungeſchmelzte Waſſerſuppen eſſen — nun, und eure Herren, denen der Baſtard Arnulf und ihr eigener Uebermuth lieber war, haben die Hunnen auf dem Nacken, und die alten Zeiten kommen wieder, wie ſie ſchon der König Etzel malen ließ. Kennt Ihr das Bild im Mailänder Pallaſt? Dort war der römiſche Kaiſer gemalt, wie er auf ſeinem Thron ſaß und die ſcythiſchen Fürſten ihm zu Füßen lagen; da kam der König Etzel des Wegs geritten und ſah die Malerei lang an und lachte und ſprach: Ganz recht; nur eine kleine Aenderung! Und er ließ dem Mann auf dem Thron ſein eigen Antlitz geben, und die vor ihm knieten und die Säcke voll Zinsgold vor ſeinem Thron aus- leerten, waren die römiſchen Cäſaren ... ¹⁴⁶⁾ Das Bild iſt heut noch zu ſchauen ... Ihr denkt an alte Geſchichten, ſprach Ekkehard. Alte Geſchichten! rief der Greis: Für mich hat's ſeit vierzig Jahren nichts Neues gegeben als Noth und Elend. Alte Geſchichten! 's iſt gut, wer ſie noch weiß, daß er ſehen kann, wie der Väter Sünden ge- rächt werden an Kind und Kindeskind. Wißt Ihr, warum der große Karl das einemal in ſeinem Leben geweint hat? So lang ich lebe, ſind's Narrenpoſſen, ſprach er, da ſie ihm der nordmänniſchen See- räuber Ankunft meldeten, aber mich dauern meine Enkel! ¹⁴⁷⁾ Noch haben wir einen Kaiſer und ein Reich, warf Ekkehard ein. Habt ihr noch einen? ſprach der Greis und trank ſeinen Schluck ſauern Sipplinger, und ſchüttelte ſich: Ich wünſch' ihm Glück. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/162
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/162>, abgerufen am 21.11.2024.