bank, ich will Euch eine schöne Geschichte erzählen -- Ihr könnt ein Lied zur Laute darüber machen ...
Es war einmal ein Kaiser, der hatte wenig frohe Tage, denn sein Reich war groß und er selber war dick und stark und das Kopf- weh plagte ihn seit daß er auf dem Thron saß. Darum nahm er sich einen Erzkanzler, der war ein feiner Kopf und konnte mehr den- ken als sein Herr, denn er war dünn und hager wie eine Stange und hatte kein Kopfweh. Und der Kaiser hatte ihn aus dunkler Herkunft emporgehoben, denn er war eines Hufschmieds Sohn, und erwies ihm Gutes und that Alles was er ihm rieth; und schloß sogar einen elen- digen Frieden mit den Nordmännern: denn der Kanzler sagte ihm, das sei unbedeutend, er habe wichtigere Geschäfte, als sich um ein paar Seeräuber zu kümmern. Der Kanzler ging nämlich in selber Zeit zu des Kaisers Ehgemahlin, und berückte ihr schwaches Herz, und ver- trieb ihr die Zeit mit Saitenspiel und ließ nebenbei der edeln Ale- mannen Töchter entführen und verschwor sich mit seines Kaisers Wider- sachern. Und wie dieser endlich einen Reichstag ausschrieb, um der Noth zu steuern, stund sein hagerer Kanzler dort unter den ersten, die wider ihn sprachen; mit neque enim begann er seine Rede und be- wies, sie müßten ihn absetzen, und sprach so giftig und schlangenklug gegen den Nordmännerfrieden, den er selber geschlossen, daß sie Alle von ihrem rechtmäßigen Herren abfielen wie welke Blätter wenn der Herbstwind die Wipfel schüttelt. Und sie schrieen, die Zeit der Dicken sei vorbei und setzten ihn ab, mit dreifacher Krone auf dem Haupt war der Kaiser in Tribur eingeritten, wie er von dannen zog, nannte er nicht Mehres sein als was er auf dem Leib trug und saß zu Mainz vor des Bischofs Pfalz und war froh, da sie ihm eine Suppe zum Schiebfenster herausreichten.
Der brave Kanzler hat Luitward von Vercelli geheißen -- Gott lohn' ihm seine Treue nach Verdienst, und der Kaiserin Richardis auch und Allen zusamm!149)
Wie sie aber im Schwabenland sich des Verstoßenen erbarmten, und ihm ein nothdürftig Gütlein schenkten, sein Leben zu fristen, und wie sie dran dachten, mit Heeresmacht für sein gekränktes Recht zu streiten, da sandte der Luitward auch noch Mörder wider ihn. 's war eine schöne Nacht im Neidinger Hofe, der Sturm brach die Aeste im
bank, ich will Euch eine ſchöne Geſchichte erzählen — Ihr könnt ein Lied zur Laute darüber machen ...
Es war einmal ein Kaiſer, der hatte wenig frohe Tage, denn ſein Reich war groß und er ſelber war dick und ſtark und das Kopf- weh plagte ihn ſeit daß er auf dem Thron ſaß. Darum nahm er ſich einen Erzkanzler, der war ein feiner Kopf und konnte mehr den- ken als ſein Herr, denn er war dünn und hager wie eine Stange und hatte kein Kopfweh. Und der Kaiſer hatte ihn aus dunkler Herkunft emporgehoben, denn er war eines Hufſchmieds Sohn, und erwies ihm Gutes und that Alles was er ihm rieth; und ſchloß ſogar einen elen- digen Frieden mit den Nordmännern: denn der Kanzler ſagte ihm, das ſei unbedeutend, er habe wichtigere Geſchäfte, als ſich um ein paar Seeräuber zu kümmern. Der Kanzler ging nämlich in ſelber Zeit zu des Kaiſers Ehgemahlin, und berückte ihr ſchwaches Herz, und ver- trieb ihr die Zeit mit Saitenſpiel und ließ nebenbei der edeln Ale- mannen Töchter entführen und verſchwor ſich mit ſeines Kaiſers Wider- ſachern. Und wie dieſer endlich einen Reichstag ausſchrieb, um der Noth zu ſteuern, ſtund ſein hagerer Kanzler dort unter den erſten, die wider ihn ſprachen; mit neque enim begann er ſeine Rede und be- wies, ſie müßten ihn abſetzen, und ſprach ſo giftig und ſchlangenklug gegen den Nordmännerfrieden, den er ſelber geſchloſſen, daß ſie Alle von ihrem rechtmäßigen Herren abfielen wie welke Blätter wenn der Herbſtwind die Wipfel ſchüttelt. Und ſie ſchrieen, die Zeit der Dicken ſei vorbei und ſetzten ihn ab, mit dreifacher Krone auf dem Haupt war der Kaiſer in Tribur eingeritten, wie er von dannen zog, nannte er nicht Mehres ſein als was er auf dem Leib trug und ſaß zu Mainz vor des Biſchofs Pfalz und war froh, da ſie ihm eine Suppe zum Schiebfenſter herausreichten.
Der brave Kanzler hat Luitward von Vercelli geheißen — Gott lohn' ihm ſeine Treue nach Verdienſt, und der Kaiſerin Richardis auch und Allen zuſamm!149)
Wie ſie aber im Schwabenland ſich des Verſtoßenen erbarmten, und ihm ein nothdürftig Gütlein ſchenkten, ſein Leben zu friſten, und wie ſie dran dachten, mit Heeresmacht für ſein gekränktes Recht zu ſtreiten, da ſandte der Luitward auch noch Mörder wider ihn. 's war eine ſchöne Nacht im Neidinger Hofe, der Sturm brach die Aeſte im
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bank, ich will Euch eine ſchöne Geſchichte erzählen — Ihr könnt ein
Lied zur Laute darüber machen ...
Es war einmal ein Kaiſer, der hatte wenig frohe Tage, denn
ſein Reich war groß und er ſelber war dick und ſtark und das Kopf-
weh plagte ihn ſeit daß er auf dem Thron ſaß. Darum nahm er
ſich einen Erzkanzler, der war ein feiner Kopf und konnte mehr den-
ken als ſein Herr, denn er war dünn und hager wie eine Stange und
hatte kein Kopfweh. Und der Kaiſer hatte ihn aus dunkler Herkunft
emporgehoben, denn er war eines Hufſchmieds Sohn, und erwies ihm
Gutes und that Alles was er ihm rieth; und ſchloß ſogar einen elen-
digen Frieden mit den Nordmännern: denn der Kanzler ſagte ihm,
das ſei unbedeutend, er habe wichtigere Geſchäfte, als ſich um ein paar
Seeräuber zu kümmern. Der Kanzler ging nämlich in ſelber Zeit zu
des Kaiſers Ehgemahlin, und berückte ihr ſchwaches Herz, und ver-
trieb ihr die Zeit mit Saitenſpiel und ließ nebenbei der edeln Ale-
mannen Töchter entführen und verſchwor ſich mit ſeines Kaiſers Wider-
ſachern. Und wie dieſer endlich einen Reichstag ausſchrieb, um der
Noth zu ſteuern, ſtund ſein hagerer Kanzler dort unter den erſten, die
wider ihn ſprachen; mit neque enim begann er ſeine Rede und be-
wies, ſie müßten ihn abſetzen, und ſprach ſo giftig und ſchlangenklug
gegen den Nordmännerfrieden, den er ſelber geſchloſſen, daß ſie Alle
von ihrem rechtmäßigen Herren abfielen wie welke Blätter wenn der
Herbſtwind die Wipfel ſchüttelt. Und ſie ſchrieen, die Zeit der Dicken
ſei vorbei und ſetzten ihn ab, mit dreifacher Krone auf dem Haupt
war der Kaiſer in Tribur eingeritten, wie er von dannen zog, nannte
er nicht Mehres ſein als was er auf dem Leib trug und ſaß zu Mainz
vor des Biſchofs Pfalz und war froh, da ſie ihm eine Suppe zum
Schiebfenſter herausreichten.
Der brave Kanzler hat Luitward von Vercelli geheißen — Gott
lohn' ihm ſeine Treue nach Verdienſt, und der Kaiſerin Richardis
auch und Allen zuſamm!
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Wie ſie aber im Schwabenland ſich des Verſtoßenen erbarmten,
und ihm ein nothdürftig Gütlein ſchenkten, ſein Leben zu friſten, und
wie ſie dran dachten, mit Heeresmacht für ſein gekränktes Recht zu
ſtreiten, da ſandte der Luitward auch noch Mörder wider ihn. 's war
eine ſchöne Nacht im Neidinger Hofe, der Sturm brach die Aeſte im
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/164>, abgerufen am 16.02.2025.
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