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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Forst und die Fensterladen klapperten, der abgesetzte Kaiser konnte
vor Kopfweh nicht schlafen und war auf's Dach gestiegen, daß ihm
der Sturm Kühlung zublase: da brachen sie ein und fahten auf ihn:
's ist ein anmuthig Gefühl, sag' ich Euch, mit schwerem Haupt auf
kaltem Dach sitzen und zuhören, wie sie drunten bedauern, Einen nicht
stranguliren und an Ziehbrunnen aufknüpfen zu können ...

Wer das erlebt hat, der thut am besten er stirbt.

Und der dicke Meginhart zu Neidingen war grad zu rechter Zeit
vom Baum herab zu Tod gefallen, daß man ihn auf den Schragen
legen konnt' und im Land verkünden, der abgesetzte Kaiser sei Todes ver-
blichen. Es soll ein schöner Leichenzug gewesen sein, wie sie ihn in die
Reichenau trugen, der Himmel that sich auf, ein Lichtstrahl fiel auf
die Bahre und sie haben eine rührende Leichenrede gehalten da sie ihn
einsenkten rechts vom Altar: "daß er seiner Würden entblößt und seines
Reiches beraubt ward, war eine Fügung des Himmels, ihm zur Läu-
terung und Probe, und da er's geduldig trug, steht zu hoffen, daß
ihn der Herr mit der Krone des ewigen Lebens für die belohnt, die
er hienieden verloren .." so predigten sie in der Klosterkirche150) und
wußten nicht, daß in derselben Stunde der, den sie zu begraben mein-
ten, mit Sack und Pack und einem Fluch auf die Welt in der Ein-
samkeit der Heidenhöhlen einzog ...

Der Greis lachte: Hier ist's sicher und ruhig, um an alte Ge-
schichten zu denken; stoßt an: die Todten sollen leben! Und der Luit-
ward ist doch betrogen; wenn sein Kaiser auch einen alten Hut trägt,
statt güldenem Reif, und Sipplinger trinkt statt goldigem Rheinwein,
so lebt er doch noch: dieweil die Hageren und ihr ganzes Geschlecht
vom Tode gerafft sind. Und die Sterne werden ihr Recht behalten,
in denen bei seiner Geburt gelesen ward, daß er im Tosen der Reiter-
schlacht aus der falschen Welt abscheiden werde. Die Hunnen kom-
men .. komm' bald auch, du fröhlich Ende!

Ekkehard hatte mit Spannung zugehört. Herr! wie wunderbar
sind deine Wege, rief er. Er wollte vor ihm niederknieen und seine
Hand küssen, der Alte litt's nicht: das gilt Alles nichts mehr! nehmt
Euch ein Beispiel ..

Deutschland hat Euch und Eurem Stamm große Unbill ange-
than .. wollte Ekkehard trösten.

Forſt und die Fenſterladen klapperten, der abgeſetzte Kaiſer konnte
vor Kopfweh nicht ſchlafen und war auf's Dach geſtiegen, daß ihm
der Sturm Kühlung zublaſe: da brachen ſie ein und fahten auf ihn:
's iſt ein anmuthig Gefühl, ſag' ich Euch, mit ſchwerem Haupt auf
kaltem Dach ſitzen und zuhören, wie ſie drunten bedauern, Einen nicht
ſtranguliren und an Ziehbrunnen aufknüpfen zu können ...

Wer das erlebt hat, der thut am beſten er ſtirbt.

Und der dicke Meginhart zu Neidingen war grad zu rechter Zeit
vom Baum herab zu Tod gefallen, daß man ihn auf den Schragen
legen konnt' und im Land verkünden, der abgeſetzte Kaiſer ſei Todes ver-
blichen. Es ſoll ein ſchöner Leichenzug geweſen ſein, wie ſie ihn in die
Reichenau trugen, der Himmel that ſich auf, ein Lichtſtrahl fiel auf
die Bahre und ſie haben eine rührende Leichenrede gehalten da ſie ihn
einſenkten rechts vom Altar: „daß er ſeiner Würden entblößt und ſeines
Reiches beraubt ward, war eine Fügung des Himmels, ihm zur Läu-
terung und Probe, und da er's geduldig trug, ſteht zu hoffen, daß
ihn der Herr mit der Krone des ewigen Lebens für die belohnt, die
er hienieden verloren ..“ ſo predigten ſie in der Kloſterkirche150) und
wußten nicht, daß in derſelben Stunde der, den ſie zu begraben mein-
ten, mit Sack und Pack und einem Fluch auf die Welt in der Ein-
ſamkeit der Heidenhöhlen einzog ...

Der Greis lachte: Hier iſt's ſicher und ruhig, um an alte Ge-
ſchichten zu denken; ſtoßt an: die Todten ſollen leben! Und der Luit-
ward iſt doch betrogen; wenn ſein Kaiſer auch einen alten Hut trägt,
ſtatt güldenem Reif, und Sipplinger trinkt ſtatt goldigem Rheinwein,
ſo lebt er doch noch: dieweil die Hageren und ihr ganzes Geſchlecht
vom Tode gerafft ſind. Und die Sterne werden ihr Recht behalten,
in denen bei ſeiner Geburt geleſen ward, daß er im Toſen der Reiter-
ſchlacht aus der falſchen Welt abſcheiden werde. Die Hunnen kom-
men .. komm' bald auch, du fröhlich Ende!

Ekkehard hatte mit Spannung zugehört. Herr! wie wunderbar
ſind deine Wege, rief er. Er wollte vor ihm niederknieen und ſeine
Hand küſſen, der Alte litt's nicht: das gilt Alles nichts mehr! nehmt
Euch ein Beiſpiel ..

Deutſchland hat Euch und Eurem Stamm große Unbill ange-
than .. wollte Ekkehard tröſten.

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[143/0165] Forſt und die Fenſterladen klapperten, der abgeſetzte Kaiſer konnte vor Kopfweh nicht ſchlafen und war auf's Dach geſtiegen, daß ihm der Sturm Kühlung zublaſe: da brachen ſie ein und fahten auf ihn: 's iſt ein anmuthig Gefühl, ſag' ich Euch, mit ſchwerem Haupt auf kaltem Dach ſitzen und zuhören, wie ſie drunten bedauern, Einen nicht ſtranguliren und an Ziehbrunnen aufknüpfen zu können ... Wer das erlebt hat, der thut am beſten er ſtirbt. Und der dicke Meginhart zu Neidingen war grad zu rechter Zeit vom Baum herab zu Tod gefallen, daß man ihn auf den Schragen legen konnt' und im Land verkünden, der abgeſetzte Kaiſer ſei Todes ver- blichen. Es ſoll ein ſchöner Leichenzug geweſen ſein, wie ſie ihn in die Reichenau trugen, der Himmel that ſich auf, ein Lichtſtrahl fiel auf die Bahre und ſie haben eine rührende Leichenrede gehalten da ſie ihn einſenkten rechts vom Altar: „daß er ſeiner Würden entblößt und ſeines Reiches beraubt ward, war eine Fügung des Himmels, ihm zur Läu- terung und Probe, und da er's geduldig trug, ſteht zu hoffen, daß ihn der Herr mit der Krone des ewigen Lebens für die belohnt, die er hienieden verloren ..“ ſo predigten ſie in der Kloſterkirche ¹⁵⁰⁾ und wußten nicht, daß in derſelben Stunde der, den ſie zu begraben mein- ten, mit Sack und Pack und einem Fluch auf die Welt in der Ein- ſamkeit der Heidenhöhlen einzog ... Der Greis lachte: Hier iſt's ſicher und ruhig, um an alte Ge- ſchichten zu denken; ſtoßt an: die Todten ſollen leben! Und der Luit- ward iſt doch betrogen; wenn ſein Kaiſer auch einen alten Hut trägt, ſtatt güldenem Reif, und Sipplinger trinkt ſtatt goldigem Rheinwein, ſo lebt er doch noch: dieweil die Hageren und ihr ganzes Geſchlecht vom Tode gerafft ſind. Und die Sterne werden ihr Recht behalten, in denen bei ſeiner Geburt geleſen ward, daß er im Toſen der Reiter- ſchlacht aus der falſchen Welt abſcheiden werde. Die Hunnen kom- men .. komm' bald auch, du fröhlich Ende! Ekkehard hatte mit Spannung zugehört. Herr! wie wunderbar ſind deine Wege, rief er. Er wollte vor ihm niederknieen und ſeine Hand küſſen, der Alte litt's nicht: das gilt Alles nichts mehr! nehmt Euch ein Beiſpiel .. Deutſchland hat Euch und Eurem Stamm große Unbill ange- than .. wollte Ekkehard tröſten.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/165>, abgerufen am 24.11.2024.