schwang Einer über'm Haupt wie zum Einhauen: es thut sich! sprach er, ich geh' auch mit!
An die Thüren der Pfarrherrn, der Alten und Bresthaften ward geklopft; wer nicht ausziehen kann, soll beten; an alle Ufer des Sees ging die Kunde, auch hinüber nach Sanct Gallen.
Auf die friedliche Insel Reichenau ging Ekkehard; die Herzogin gebot's. Der Gang wär' ihm sauer gefallen, hätt' es sich um An- deres gehandelt. Er brachte dem gesammten Kloster die Einladung auf den hohen Twiel für die Zeit der Gefahr.
Dort war schon Alles in Bewegung. Beim Springbrunnen im Klostergarten ergingen sich die Brüder; es war ein linder Frühlings- tag; aber Keiner dachte ernsthaft dran, sich des blauen Himmels zu freuen; sie sprachen von den bösen Zeiten und rathschlagten; es wollt' ihnen schwer einleuchten, daß sie aus ihren stillen Mauern ausziehen sollten.
Der heilige Marcus, hatte Einer gesagt, wird seine Schutzbefoh- lenen schirmen und den Feind mit Blindheit schlagen, daß er vorbei- reitet, oder das Grundgewelle des Bodensees aufschäumen lassen, daß es ihn verschlinge wie das rothe Meer die Aegypter.
Aber der alte Simon Bardo sprach: Die Rechnung ist nicht ganz sicher, und wenn ein Platz nicht sonst mit Thurm und Mauern um- wallt ist, bleibt Abziehen räthlicher. Wo aber noch eines Schillings Werth zu finden ist, da reitet kein Hunne vorbei; legt einem Todten ein Goldstück auf's Grab, so wächst ihm noch die Hand aus der Erde und greift danach.
Heiliger Pirminius! klagte der Bruder Gärtner, wer soll den Kraut- und Gemüsgarten bestellen, wenn wir fort müssen? Und die Hühner? sprach ein Anderer, dessen theuerste Kurzweil in Pflege des Hühnerhofes bestund, haben wir die drei Dutzend welsche Hahnen für den Feind ankaufen müssen?
Wenn man ihnen einen eindringlichen Brief schriebe, meinte ein Dritter; sie werden doch keine solche Unmenschen sein, Gott und seine Heiligen zu kränken.
Simon Bardo lächelte: Werd' ein Lämmerhirt, sprach er mitlei- dig, und trink' einen Absud vom Kraut Camomilla, der du den Hunnen eindringliche Briefe schreiben willst. O daß ich meinen alten
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ſchwang Einer über'm Haupt wie zum Einhauen: es thut ſich! ſprach er, ich geh' auch mit!
An die Thüren der Pfarrherrn, der Alten und Breſthaften ward geklopft; wer nicht ausziehen kann, ſoll beten; an alle Ufer des Sees ging die Kunde, auch hinüber nach Sanct Gallen.
Auf die friedliche Inſel Reichenau ging Ekkehard; die Herzogin gebot's. Der Gang wär' ihm ſauer gefallen, hätt' es ſich um An- deres gehandelt. Er brachte dem geſammten Kloſter die Einladung auf den hohen Twiel für die Zeit der Gefahr.
Dort war ſchon Alles in Bewegung. Beim Springbrunnen im Kloſtergarten ergingen ſich die Brüder; es war ein linder Frühlings- tag; aber Keiner dachte ernſthaft dran, ſich des blauen Himmels zu freuen; ſie ſprachen von den böſen Zeiten und rathſchlagten; es wollt' ihnen ſchwer einleuchten, daß ſie aus ihren ſtillen Mauern ausziehen ſollten.
Der heilige Marcus, hatte Einer geſagt, wird ſeine Schutzbefoh- lenen ſchirmen und den Feind mit Blindheit ſchlagen, daß er vorbei- reitet, oder das Grundgewelle des Bodenſees aufſchäumen laſſen, daß es ihn verſchlinge wie das rothe Meer die Aegypter.
Aber der alte Simon Bardo ſprach: Die Rechnung iſt nicht ganz ſicher, und wenn ein Platz nicht ſonſt mit Thurm und Mauern um- wallt iſt, bleibt Abziehen räthlicher. Wo aber noch eines Schillings Werth zu finden iſt, da reitet kein Hunne vorbei; legt einem Todten ein Goldſtück auf's Grab, ſo wächst ihm noch die Hand aus der Erde und greift danach.
Heiliger Pirminius! klagte der Bruder Gärtner, wer ſoll den Kraut- und Gemüsgarten beſtellen, wenn wir fort müſſen? Und die Hühner? ſprach ein Anderer, deſſen theuerſte Kurzweil in Pflege des Hühnerhofes beſtund, haben wir die drei Dutzend welſche Hahnen für den Feind ankaufen müſſen?
Wenn man ihnen einen eindringlichen Brief ſchriebe, meinte ein Dritter; ſie werden doch keine ſolche Unmenſchen ſein, Gott und ſeine Heiligen zu kränken.
Simon Bardo lächelte: Werd' ein Lämmerhirt, ſprach er mitlei- dig, und trink' einen Abſud vom Kraut Camomilla, der du den Hunnen eindringliche Briefe ſchreiben willſt. O daß ich meinen alten
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ſchwang Einer über'm Haupt wie zum Einhauen: es thut ſich! ſprach
er, ich geh' auch mit!
An die Thüren der Pfarrherrn, der Alten und Breſthaften ward
geklopft; wer nicht ausziehen kann, ſoll beten; an alle Ufer des
Sees ging die Kunde, auch hinüber nach Sanct Gallen.
Auf die friedliche Inſel Reichenau ging Ekkehard; die Herzogin
gebot's. Der Gang wär' ihm ſauer gefallen, hätt' es ſich um An-
deres gehandelt. Er brachte dem geſammten Kloſter die Einladung
auf den hohen Twiel für die Zeit der Gefahr.
Dort war ſchon Alles in Bewegung. Beim Springbrunnen im
Kloſtergarten ergingen ſich die Brüder; es war ein linder Frühlings-
tag; aber Keiner dachte ernſthaft dran, ſich des blauen Himmels zu
freuen; ſie ſprachen von den böſen Zeiten und rathſchlagten; es wollt'
ihnen ſchwer einleuchten, daß ſie aus ihren ſtillen Mauern ausziehen
ſollten.
Der heilige Marcus, hatte Einer geſagt, wird ſeine Schutzbefoh-
lenen ſchirmen und den Feind mit Blindheit ſchlagen, daß er vorbei-
reitet, oder das Grundgewelle des Bodenſees aufſchäumen laſſen, daß
es ihn verſchlinge wie das rothe Meer die Aegypter.
Aber der alte Simon Bardo ſprach: Die Rechnung iſt nicht ganz
ſicher, und wenn ein Platz nicht ſonſt mit Thurm und Mauern um-
wallt iſt, bleibt Abziehen räthlicher. Wo aber noch eines Schillings
Werth zu finden iſt, da reitet kein Hunne vorbei; legt einem Todten
ein Goldſtück auf's Grab, ſo wächst ihm noch die Hand aus der
Erde und greift danach.
Heiliger Pirminius! klagte der Bruder Gärtner, wer ſoll den
Kraut- und Gemüsgarten beſtellen, wenn wir fort müſſen? Und die
Hühner? ſprach ein Anderer, deſſen theuerſte Kurzweil in Pflege des
Hühnerhofes beſtund, haben wir die drei Dutzend welſche Hahnen für
den Feind ankaufen müſſen?
Wenn man ihnen einen eindringlichen Brief ſchriebe, meinte ein
Dritter; ſie werden doch keine ſolche Unmenſchen ſein, Gott und ſeine
Heiligen zu kränken.
Simon Bardo lächelte: Werd' ein Lämmerhirt, ſprach er mitlei-
dig, und trink' einen Abſud vom Kraut Camomilla, der du den
Hunnen eindringliche Briefe ſchreiben willſt. O daß ich meinen alten
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/169>, abgerufen am 21.11.2024.
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