Aber Heribald stieß sie zurück und sang unverdrossen weiter: das gefiel den Versammelten, sie jauchzten auf, Zimbal und Geige fielen ein, itzt kam Erica auf den Mönch zu, der einförmige Sang war ihr langweilig geworden, mit schalkhaftem Mitleid faßte sie ihn, nach Sang kommt Tanz, rief sie und riß ihn in den Wirbel betäubenden Reigentanzes.178) Heribald wußte nicht, wie ihm geschah. Der Hei- deblume Busen wogte ihm entgegen: "ob Heribald tanzt oder nicht, es ist nur ein kleiner Ring in der großen Kette des Gräuls" -- da schwang er seine sandalenschweren Füße wacker mit, die Kutte wir- belte um ihn her, fest und fester preßte er die hunnische Maid, wer weiß was noch geschehen wäre ... mit gerötheten Wangen hielt sie endlich an, gab dem Blödsinnigen einen leichten Schlag in's Antlitz und sprang zu den Heerführern, die ernst in den tobenden Schwarm schauten.
Der Jubel ging zu Ende, der Wein war verraucht, da gebot Ellak die Todten zu verbrennen. In eines Augenblicks Schnelle saß der Schwarm zu Rosse, in Reih und Glied ritten sie zum Scheiter- haufen. Vom Aeltesten der Hunnen wurden der Todten Pferde er- stochen und zu ihrer Herren Leichen gelegt; einen schauerlichen Weihe- spruch rief der greise Hunn' über die Versammelten, dann schwang er den Feuerbrand und entzündete den Holzstoß -- Boethius' Trost der Philosophie, Tannenscheiter, Handschriften und Leichname wetteiferten in prasselndem Aufflammen, eine mächtige Rauchsäule stieg gegen Himmel.
Mit Ringkampf, Waffenspiel und Wettrennen ward der Todten Gedächtniß gefeiert. Die Sonne neigte sich zum Untergehen. Die Hunnenschaar verblieb die Nacht im Kloster. --
-- Es war am Donnerstag vor Ostern, als dies auf der Insel Reichenau sich zutrug. Die Kunde vom Ueberfall kam schnell in die Fischerhütten um Radolf's Zelle. Wie Moengal der Leutpriester den Frühgottesdienst hielt, zählte er seiner andächtigen Zuhörer noch sechs in der Kirche, des Nachmittags waren's drei, ihn mit eingerechnet.
Zürnend saß er in der Wohnstube, drin er einst Ekkehard freund- lich bewirthet. Da stieg die Rauchwolke vom hunnischen Todtenbrand auf, er trat an's Fenster ... Es qualmte als wenn das ganze Klo- ster in Flammen stünde, brandiger Geruch kam über den See. Hi- hahoi!! rief Moengal, iam proximus ardet Ucalegon! schon
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 12
Aber Heribald ſtieß ſie zurück und ſang unverdroſſen weiter: das gefiel den Verſammelten, ſie jauchzten auf, Zimbal und Geige fielen ein, itzt kam Erica auf den Mönch zu, der einförmige Sang war ihr langweilig geworden, mit ſchalkhaftem Mitleid faßte ſie ihn, nach Sang kommt Tanz, rief ſie und riß ihn in den Wirbel betäubenden Reigentanzes.178) Heribald wußte nicht, wie ihm geſchah. Der Hei- deblume Buſen wogte ihm entgegen: „ob Heribald tanzt oder nicht, es iſt nur ein kleiner Ring in der großen Kette des Gräuls“ — da ſchwang er ſeine ſandalenſchweren Füße wacker mit, die Kutte wir- belte um ihn her, feſt und feſter preßte er die hunniſche Maid, wer weiß was noch geſchehen wäre ... mit gerötheten Wangen hielt ſie endlich an, gab dem Blödſinnigen einen leichten Schlag in's Antlitz und ſprang zu den Heerführern, die ernſt in den tobenden Schwarm ſchauten.
Der Jubel ging zu Ende, der Wein war verraucht, da gebot Ellak die Todten zu verbrennen. In eines Augenblicks Schnelle ſaß der Schwarm zu Roſſe, in Reih und Glied ritten ſie zum Scheiter- haufen. Vom Aelteſten der Hunnen wurden der Todten Pferde er- ſtochen und zu ihrer Herren Leichen gelegt; einen ſchauerlichen Weihe- ſpruch rief der greiſe Hunn' über die Verſammelten, dann ſchwang er den Feuerbrand und entzündete den Holzſtoß — Boëthius' Troſt der Philoſophie, Tannenſcheiter, Handſchriften und Leichname wetteiferten in praſſelndem Aufflammen, eine mächtige Rauchſäule ſtieg gegen Himmel.
Mit Ringkampf, Waffenſpiel und Wettrennen ward der Todten Gedächtniß gefeiert. Die Sonne neigte ſich zum Untergehen. Die Hunnenſchaar verblieb die Nacht im Kloſter. —
— Es war am Donnerſtag vor Oſtern, als dies auf der Inſel Reichenau ſich zutrug. Die Kunde vom Ueberfall kam ſchnell in die Fiſcherhütten um Radolf's Zelle. Wie Moengal der Leutprieſter den Frühgottesdienſt hielt, zählte er ſeiner andächtigen Zuhörer noch ſechs in der Kirche, des Nachmittags waren's drei, ihn mit eingerechnet.
Zürnend ſaß er in der Wohnſtube, drin er einſt Ekkehard freund- lich bewirthet. Da ſtieg die Rauchwolke vom hunniſchen Todtenbrand auf, er trat an's Fenſter ... Es qualmte als wenn das ganze Klo- ſter in Flammen ſtünde, brandiger Geruch kam über den See. Hi- hahoi!! rief Moengal, iam proximus ardet Ucalegon! ſchon
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 12
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0199"n="177"/><p>Aber Heribald ſtieß ſie zurück und ſang unverdroſſen weiter: das<lb/>
gefiel den Verſammelten, ſie jauchzten auf, Zimbal und Geige fielen<lb/>
ein, itzt kam Erica auf den Mönch zu, der einförmige Sang war ihr<lb/>
langweilig geworden, mit ſchalkhaftem Mitleid faßte ſie ihn, nach<lb/>
Sang kommt Tanz, rief ſie und riß ihn in den Wirbel betäubenden<lb/>
Reigentanzes.<notexml:id="ed178"next="#edt178"place="end"n="178)"/> Heribald wußte nicht, wie ihm geſchah. Der Hei-<lb/>
deblume Buſen wogte ihm entgegen: „ob Heribald tanzt oder nicht,<lb/>
es iſt nur ein kleiner Ring in der großen Kette des Gräuls“— da<lb/>ſchwang er ſeine ſandalenſchweren Füße wacker mit, die Kutte wir-<lb/>
belte um ihn her, feſt und feſter preßte er die hunniſche Maid, wer<lb/>
weiß was noch geſchehen wäre ... mit gerötheten Wangen hielt ſie<lb/>
endlich an, gab dem Blödſinnigen einen leichten Schlag in's Antlitz und<lb/>ſprang zu den Heerführern, die ernſt in den tobenden Schwarm ſchauten.</p><lb/><p>Der Jubel ging zu Ende, der Wein war verraucht, da gebot<lb/>
Ellak die Todten zu verbrennen. In eines Augenblicks Schnelle ſaß<lb/>
der Schwarm zu Roſſe, in Reih und Glied ritten ſie zum Scheiter-<lb/>
haufen. Vom Aelteſten der Hunnen wurden der Todten Pferde er-<lb/>ſtochen und zu ihrer Herren Leichen gelegt; einen ſchauerlichen Weihe-<lb/>ſpruch rief der greiſe Hunn' über die Verſammelten, dann ſchwang er<lb/>
den Feuerbrand und entzündete den Holzſtoß — Bo<hirendition="#aq">ë</hi>thius' Troſt der<lb/>
Philoſophie, Tannenſcheiter, Handſchriften und Leichname wetteiferten<lb/>
in praſſelndem Aufflammen, eine mächtige Rauchſäule ſtieg gegen<lb/>
Himmel.</p><lb/><p>Mit Ringkampf, Waffenſpiel und Wettrennen ward der Todten<lb/>
Gedächtniß gefeiert. Die Sonne neigte ſich zum Untergehen. Die<lb/>
Hunnenſchaar verblieb die Nacht im Kloſter. —</p><lb/><p>— Es war am Donnerſtag vor Oſtern, als dies auf der Inſel<lb/>
Reichenau ſich zutrug. Die Kunde vom Ueberfall kam ſchnell in die<lb/>
Fiſcherhütten um Radolf's Zelle. Wie Moengal der Leutprieſter den<lb/>
Frühgottesdienſt hielt, zählte er ſeiner andächtigen Zuhörer noch ſechs<lb/>
in der Kirche, des Nachmittags waren's drei, ihn mit eingerechnet.</p><lb/><p>Zürnend ſaß er in der Wohnſtube, drin er einſt Ekkehard freund-<lb/>
lich bewirthet. Da ſtieg die Rauchwolke vom hunniſchen Todtenbrand<lb/>
auf, er trat an's Fenſter ... Es qualmte als wenn das ganze Klo-<lb/>ſter in Flammen ſtünde, brandiger Geruch kam über den See. Hi-<lb/>
hahoi!! rief Moengal, <hirendition="#aq">iam proximus ardet Ucalegon!</hi>ſchon<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D. B. <hirendition="#aq"><hirendition="#b">VII.</hi></hi> Scheffel, Ekkehard. 12</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[177/0199]
Aber Heribald ſtieß ſie zurück und ſang unverdroſſen weiter: das
gefiel den Verſammelten, ſie jauchzten auf, Zimbal und Geige fielen
ein, itzt kam Erica auf den Mönch zu, der einförmige Sang war ihr
langweilig geworden, mit ſchalkhaftem Mitleid faßte ſie ihn, nach
Sang kommt Tanz, rief ſie und riß ihn in den Wirbel betäubenden
Reigentanzes.
¹⁷⁸⁾
Heribald wußte nicht, wie ihm geſchah. Der Hei-
deblume Buſen wogte ihm entgegen: „ob Heribald tanzt oder nicht,
es iſt nur ein kleiner Ring in der großen Kette des Gräuls“ — da
ſchwang er ſeine ſandalenſchweren Füße wacker mit, die Kutte wir-
belte um ihn her, feſt und feſter preßte er die hunniſche Maid, wer
weiß was noch geſchehen wäre ... mit gerötheten Wangen hielt ſie
endlich an, gab dem Blödſinnigen einen leichten Schlag in's Antlitz und
ſprang zu den Heerführern, die ernſt in den tobenden Schwarm ſchauten.
Der Jubel ging zu Ende, der Wein war verraucht, da gebot
Ellak die Todten zu verbrennen. In eines Augenblicks Schnelle ſaß
der Schwarm zu Roſſe, in Reih und Glied ritten ſie zum Scheiter-
haufen. Vom Aelteſten der Hunnen wurden der Todten Pferde er-
ſtochen und zu ihrer Herren Leichen gelegt; einen ſchauerlichen Weihe-
ſpruch rief der greiſe Hunn' über die Verſammelten, dann ſchwang er
den Feuerbrand und entzündete den Holzſtoß — Boëthius' Troſt der
Philoſophie, Tannenſcheiter, Handſchriften und Leichname wetteiferten
in praſſelndem Aufflammen, eine mächtige Rauchſäule ſtieg gegen
Himmel.
Mit Ringkampf, Waffenſpiel und Wettrennen ward der Todten
Gedächtniß gefeiert. Die Sonne neigte ſich zum Untergehen. Die
Hunnenſchaar verblieb die Nacht im Kloſter. —
— Es war am Donnerſtag vor Oſtern, als dies auf der Inſel
Reichenau ſich zutrug. Die Kunde vom Ueberfall kam ſchnell in die
Fiſcherhütten um Radolf's Zelle. Wie Moengal der Leutprieſter den
Frühgottesdienſt hielt, zählte er ſeiner andächtigen Zuhörer noch ſechs
in der Kirche, des Nachmittags waren's drei, ihn mit eingerechnet.
Zürnend ſaß er in der Wohnſtube, drin er einſt Ekkehard freund-
lich bewirthet. Da ſtieg die Rauchwolke vom hunniſchen Todtenbrand
auf, er trat an's Fenſter ... Es qualmte als wenn das ganze Klo-
ſter in Flammen ſtünde, brandiger Geruch kam über den See. Hi-
hahoi!! rief Moengal, iam proximus ardet Ucalegon! ſchon
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/199>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.