Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

mittwoch, denn er hatte heut' sämmtliche Unthaten im Lauf seines
Hunnenlebens überrechnet, die ausgebrannten Klöster begannen ihm
schwer auf dem Gewissen zu lasten.

Sag' ihm auch, daß ich ein Lösegeld zahlen kann, sprach Hadu-
moth und trennte des Mieders Naht auf, drin der Goldthaler war.
Sie reichte ihn dem Anführer dar. Der lachte. Auch die Heideblume
lachte.

Verrücktes Land! sprach Hornebog. Die Männer scheeren das
Haupt, und die Kinder thun was Kriegern geziemte. Wären uns
die Gewaffneten vom See nachgezogen statt dieses Mägdleins, es hätt'
uns in Verlegenheit bringen mögen.

Er sah das Kind mißtrauisch an. Wenn sie zu spähen käme ...!
rief er. Aber Erica fuhr dazwischen und streichelte Hadumoth's Stirn.
Du sollt bei mir bleiben, sagte sie, ich brauch' was zum Spielen seit
mein schwarzer Rapp todt und mein Ellak todt ...

Schafft mir das Gezeug hinaus, rief Hornebog unmuthig. Sind
wir am Rhein um mit Hirtenkindern zu spielen?!

Da merkte Erica, daß beim Anführer ein Ungewitter im Anzug
war; sie nahm das Mägdlein bei der Hand und ging mit ihr.

Wo das Lager sich an den Berg hinstreckte, war zwischen aufge-
häuften Steinplatten die Feldküche errichtet. Dort schaltete die Wald-
frau. Audifax kniete bei'm größten der Kessel und blies das Feuer
an, die Abendsuppe brodelte drin. Jetzt sprang er auf und that einen
Schrei. Er hatte seine Gefährtin erschaut. Aber die Waldfrau reckte
ihr Haupt hinter dem andern Kessel vor, das war mehr als ein Halt-
ruf. Er stand unbeweglich, griff nach einem geschälten Ast und rührte
die Suppe wie's ihm vorgeschrieben war; -- ein Bild stummen Jam-
mers, er war blaß und hager geworden, die Augen trüb von Thränen,
die Niemanden gerührt.

Daß Ihr mir den Kindern nichts zu leide thut, alte Meerkatze!
rief Erica der Waldfrau zu.

Da ging Hadumoth hinüber. Der Hirtenknabe ließ seinen kunst-
losen Löffel fallen, und reichte ihr die Hand stumm und still, aber
aus den tiefdunkeln Augen blitzte es zu ihr hinüber wie eine große
Geschichte von Gefangenschaft, Duldung und schweifendem Wunsch des
Befreitseins. Hadumoth stand unbeweglich vor ihm; sie hatte sich

mittwoch, denn er hatte heut' ſämmtliche Unthaten im Lauf ſeines
Hunnenlebens überrechnet, die ausgebrannten Klöſter begannen ihm
ſchwer auf dem Gewiſſen zu laſten.

Sag' ihm auch, daß ich ein Löſegeld zahlen kann, ſprach Hadu-
moth und trennte des Mieders Naht auf, drin der Goldthaler war.
Sie reichte ihn dem Anführer dar. Der lachte. Auch die Heideblume
lachte.

Verrücktes Land! ſprach Hornebog. Die Männer ſcheeren das
Haupt, und die Kinder thun was Kriegern geziemte. Wären uns
die Gewaffneten vom See nachgezogen ſtatt dieſes Mägdleins, es hätt'
uns in Verlegenheit bringen mögen.

Er ſah das Kind mißtrauiſch an. Wenn ſie zu ſpähen käme ...!
rief er. Aber Erica fuhr dazwiſchen und ſtreichelte Hadumoth's Stirn.
Du ſollt bei mir bleiben, ſagte ſie, ich brauch' was zum Spielen ſeit
mein ſchwarzer Rapp todt und mein Ellak todt ...

Schafft mir das Gezeug hinaus, rief Hornebog unmuthig. Sind
wir am Rhein um mit Hirtenkindern zu ſpielen?!

Da merkte Erica, daß beim Anführer ein Ungewitter im Anzug
war; ſie nahm das Mägdlein bei der Hand und ging mit ihr.

Wo das Lager ſich an den Berg hinſtreckte, war zwiſchen aufge-
häuften Steinplatten die Feldküche errichtet. Dort ſchaltete die Wald-
frau. Audifax kniete bei'm größten der Keſſel und blies das Feuer
an, die Abendſuppe brodelte drin. Jetzt ſprang er auf und that einen
Schrei. Er hatte ſeine Gefährtin erſchaut. Aber die Waldfrau reckte
ihr Haupt hinter dem andern Keſſel vor, das war mehr als ein Halt-
ruf. Er ſtand unbeweglich, griff nach einem geſchälten Aſt und rührte
die Suppe wie's ihm vorgeſchrieben war; — ein Bild ſtummen Jam-
mers, er war blaß und hager geworden, die Augen trüb von Thränen,
die Niemanden gerührt.

Daß Ihr mir den Kindern nichts zu leide thut, alte Meerkatze!
rief Erica der Waldfrau zu.

Da ging Hadumoth hinüber. Der Hirtenknabe ließ ſeinen kunſt-
loſen Löffel fallen, und reichte ihr die Hand ſtumm und ſtill, aber
aus den tiefdunkeln Augen blitzte es zu ihr hinüber wie eine große
Geſchichte von Gefangenſchaft, Duldung und ſchweifendem Wunſch des
Befreitſeins. Hadumoth ſtand unbeweglich vor ihm; ſie hatte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="208"/>
mittwoch, denn er hatte heut' &#x017F;ämmtliche Unthaten im Lauf &#x017F;eines<lb/>
Hunnenlebens überrechnet, die ausgebrannten Klö&#x017F;ter begannen ihm<lb/>
&#x017F;chwer auf dem Gewi&#x017F;&#x017F;en zu la&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Sag' ihm auch, daß ich ein Lö&#x017F;egeld zahlen kann, &#x017F;prach Hadu-<lb/>
moth und trennte des Mieders Naht auf, drin der Goldthaler war.<lb/>
Sie reichte ihn dem Anführer dar. Der lachte. Auch die Heideblume<lb/>
lachte.</p><lb/>
        <p>Verrücktes Land! &#x017F;prach Hornebog. Die Männer &#x017F;cheeren das<lb/>
Haupt, und die Kinder thun was Kriegern geziemte. Wären uns<lb/>
die Gewaffneten vom See nachgezogen &#x017F;tatt die&#x017F;es Mägdleins, es hätt'<lb/>
uns in Verlegenheit bringen mögen.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;ah das Kind mißtraui&#x017F;ch an. Wenn &#x017F;ie zu &#x017F;pähen käme ...!<lb/>
rief er. Aber Erica fuhr dazwi&#x017F;chen und &#x017F;treichelte Hadumoth's Stirn.<lb/>
Du &#x017F;ollt bei mir bleiben, &#x017F;agte &#x017F;ie, ich brauch' was zum Spielen &#x017F;eit<lb/>
mein &#x017F;chwarzer Rapp todt und mein Ellak todt ...</p><lb/>
        <p>Schafft mir das Gezeug hinaus, rief Hornebog unmuthig. Sind<lb/>
wir am Rhein um mit Hirtenkindern zu &#x017F;pielen?!</p><lb/>
        <p>Da merkte Erica, daß beim Anführer ein Ungewitter im Anzug<lb/>
war; &#x017F;ie nahm das Mägdlein bei der Hand und ging mit ihr.</p><lb/>
        <p>Wo das Lager &#x017F;ich an den Berg hin&#x017F;treckte, war zwi&#x017F;chen aufge-<lb/>
häuften Steinplatten die Feldküche errichtet. Dort &#x017F;chaltete die Wald-<lb/>
frau. Audifax kniete bei'm größten der Ke&#x017F;&#x017F;el und blies das Feuer<lb/>
an, die Abend&#x017F;uppe brodelte drin. Jetzt &#x017F;prang er auf und that einen<lb/>
Schrei. Er hatte &#x017F;eine Gefährtin er&#x017F;chaut. Aber die Waldfrau reckte<lb/>
ihr Haupt hinter dem andern Ke&#x017F;&#x017F;el vor, das war mehr als ein Halt-<lb/>
ruf. Er &#x017F;tand unbeweglich, griff nach einem ge&#x017F;chälten A&#x017F;t und rührte<lb/>
die Suppe wie's ihm vorge&#x017F;chrieben war; &#x2014; ein Bild &#x017F;tummen Jam-<lb/>
mers, er war blaß und hager geworden, die Augen trüb von Thränen,<lb/>
die Niemanden gerührt.</p><lb/>
        <p>Daß Ihr mir den Kindern nichts zu leide thut, alte Meerkatze!<lb/>
rief Erica der Waldfrau zu.</p><lb/>
        <p>Da ging Hadumoth hinüber. Der Hirtenknabe ließ &#x017F;einen kun&#x017F;t-<lb/>
lo&#x017F;en Löffel fallen, und reichte ihr die Hand &#x017F;tumm und &#x017F;till, aber<lb/>
aus den tiefdunkeln Augen blitzte es zu ihr hinüber wie eine große<lb/>
Ge&#x017F;chichte von Gefangen&#x017F;chaft, Duldung und &#x017F;chweifendem Wun&#x017F;ch des<lb/>
Befreit&#x017F;eins. Hadumoth &#x017F;tand unbeweglich vor ihm; &#x017F;ie hatte &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0230] mittwoch, denn er hatte heut' ſämmtliche Unthaten im Lauf ſeines Hunnenlebens überrechnet, die ausgebrannten Klöſter begannen ihm ſchwer auf dem Gewiſſen zu laſten. Sag' ihm auch, daß ich ein Löſegeld zahlen kann, ſprach Hadu- moth und trennte des Mieders Naht auf, drin der Goldthaler war. Sie reichte ihn dem Anführer dar. Der lachte. Auch die Heideblume lachte. Verrücktes Land! ſprach Hornebog. Die Männer ſcheeren das Haupt, und die Kinder thun was Kriegern geziemte. Wären uns die Gewaffneten vom See nachgezogen ſtatt dieſes Mägdleins, es hätt' uns in Verlegenheit bringen mögen. Er ſah das Kind mißtrauiſch an. Wenn ſie zu ſpähen käme ...! rief er. Aber Erica fuhr dazwiſchen und ſtreichelte Hadumoth's Stirn. Du ſollt bei mir bleiben, ſagte ſie, ich brauch' was zum Spielen ſeit mein ſchwarzer Rapp todt und mein Ellak todt ... Schafft mir das Gezeug hinaus, rief Hornebog unmuthig. Sind wir am Rhein um mit Hirtenkindern zu ſpielen?! Da merkte Erica, daß beim Anführer ein Ungewitter im Anzug war; ſie nahm das Mägdlein bei der Hand und ging mit ihr. Wo das Lager ſich an den Berg hinſtreckte, war zwiſchen aufge- häuften Steinplatten die Feldküche errichtet. Dort ſchaltete die Wald- frau. Audifax kniete bei'm größten der Keſſel und blies das Feuer an, die Abendſuppe brodelte drin. Jetzt ſprang er auf und that einen Schrei. Er hatte ſeine Gefährtin erſchaut. Aber die Waldfrau reckte ihr Haupt hinter dem andern Keſſel vor, das war mehr als ein Halt- ruf. Er ſtand unbeweglich, griff nach einem geſchälten Aſt und rührte die Suppe wie's ihm vorgeſchrieben war; — ein Bild ſtummen Jam- mers, er war blaß und hager geworden, die Augen trüb von Thränen, die Niemanden gerührt. Daß Ihr mir den Kindern nichts zu leide thut, alte Meerkatze! rief Erica der Waldfrau zu. Da ging Hadumoth hinüber. Der Hirtenknabe ließ ſeinen kunſt- loſen Löffel fallen, und reichte ihr die Hand ſtumm und ſtill, aber aus den tiefdunkeln Augen blitzte es zu ihr hinüber wie eine große Geſchichte von Gefangenſchaft, Duldung und ſchweifendem Wunſch des Befreitſeins. Hadumoth ſtand unbeweglich vor ihm; ſie hatte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/230
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/230>, abgerufen am 04.12.2024.