der Fluth überströmt war. Für Fische und Wassermöven mag's ein denkwürdiger Tag gewesen sein, da es in den Tiefen brauste und zischte, und die basaltischen Massen glühend durch der Erdrinde Spal- ten sich ihren Weg über die Wasserspiegel bahnten. Aber das ist schon lange her. Es ist Gras gewachsen über die Leiden derer, die bei jener Umwälzung mitleidlos vernichtet wurden; nur die Berge stehen noch immer, ohne Zusammenhang mit ihren Nachbarn, einsam und trotzig wie Alle, die mit feurigem Kern im Herzen die Schranken des Vor- handenen durchbrechen, und ihr Gestein klingt, als säße noch ein Ge- dächtniß an die fröhliche Jugendzeit drin, da sie zuerst der Pracht der Schöpfung entgegen gejubelt.
Zur Zeit, da unsere Geschichte anhebt, trug der hohe Twiel schon Thurm und Mauern, eine feste Burg. Dort hatte Herr Burkhard gehaust, der Herzog in Schwaben. Er war ein fester Degen gewesen und hatte manchen Kriegszug gethan; die Feinde des Kaisers waren auch die seinen, und damit gab es immer Arbeit: wenn's in Welsch- land ruhig war, fingen oben die Normänner an, und wenn die ge- worfen waren, kam etwann der Ungar geritten, oder es war einmal ein Bischof übermüthig oder ein Grafe widerspänstig; -- so war Herr Burkhard zeitlebens mehr im Sattel als im Lehnstuhl gesessen. Dem- gemäß ist erklärlich, daß er sich keinen sanften Leumund geschaffen.
In Schwaben sprachen sie, er habe die Herrschaft geführt, so zu sagen als ein Zwingherr, und im fernen Sachsen schrieben die Mönche in ihre Chroniken, er sei ein kaum zu ertragender Kriegsmann ge- wesen.1)
Bevor Herr Burkhard zu seinen Vätern versammelt ward, hatte er sich noch ein Ehgemahl erlesen. Das war die junge Frau Had- wig, Tochter des Herzogs in Baiern. Aber in das Abendroth eines Lebens, das zur Neige geht, mag der Morgenstern nicht freudig schei- nen. Das hat seinen natürlichen Grund.2) Darum hatte Frau Had- wig den alten Herzog in Schwaben genommen, ihrem Vater zu Ge- fallen, hatte ihn auch gehegt und gepflegt, wie es einem grauen Haupt zukam, aber wie der Alte zu sterben ging, hat ihr der Kummer das Herz nicht gebrochen.
Da begrub sie ihn in der Gruft seiner Väter, und ließ ihm von grauem Sandstein ein Grabmal setzen, und stiftete eine ewige Lampe
der Fluth überſtrömt war. Für Fiſche und Waſſermöven mag's ein denkwürdiger Tag geweſen ſein, da es in den Tiefen brauste und ziſchte, und die baſaltiſchen Maſſen glühend durch der Erdrinde Spal- ten ſich ihren Weg über die Waſſerſpiegel bahnten. Aber das iſt ſchon lange her. Es iſt Gras gewachſen über die Leiden derer, die bei jener Umwälzung mitleidlos vernichtet wurden; nur die Berge ſtehen noch immer, ohne Zuſammenhang mit ihren Nachbarn, einſam und trotzig wie Alle, die mit feurigem Kern im Herzen die Schranken des Vor- handenen durchbrechen, und ihr Geſtein klingt, als ſäße noch ein Ge- dächtniß an die fröhliche Jugendzeit drin, da ſie zuerſt der Pracht der Schöpfung entgegen gejubelt.
Zur Zeit, da unſere Geſchichte anhebt, trug der hohe Twiel ſchon Thurm und Mauern, eine feſte Burg. Dort hatte Herr Burkhard gehaust, der Herzog in Schwaben. Er war ein feſter Degen geweſen und hatte manchen Kriegszug gethan; die Feinde des Kaiſers waren auch die ſeinen, und damit gab es immer Arbeit: wenn's in Welſch- land ruhig war, fingen oben die Normänner an, und wenn die ge- worfen waren, kam etwann der Ungar geritten, oder es war einmal ein Biſchof übermüthig oder ein Grafe widerſpänſtig; — ſo war Herr Burkhard zeitlebens mehr im Sattel als im Lehnſtuhl geſeſſen. Dem- gemäß iſt erklärlich, daß er ſich keinen ſanften Leumund geſchaffen.
In Schwaben ſprachen ſie, er habe die Herrſchaft geführt, ſo zu ſagen als ein Zwingherr, und im fernen Sachſen ſchrieben die Mönche in ihre Chroniken, er ſei ein kaum zu ertragender Kriegsmann ge- weſen.1)
Bevor Herr Burkhard zu ſeinen Vätern verſammelt ward, hatte er ſich noch ein Ehgemahl erleſen. Das war die junge Frau Had- wig, Tochter des Herzogs in Baiern. Aber in das Abendroth eines Lebens, das zur Neige geht, mag der Morgenſtern nicht freudig ſchei- nen. Das hat ſeinen natürlichen Grund.2) Darum hatte Frau Had- wig den alten Herzog in Schwaben genommen, ihrem Vater zu Ge- fallen, hatte ihn auch gehegt und gepflegt, wie es einem grauen Haupt zukam, aber wie der Alte zu ſterben ging, hat ihr der Kummer das Herz nicht gebrochen.
Da begrub ſie ihn in der Gruft ſeiner Väter, und ließ ihm von grauem Sandſtein ein Grabmal ſetzen, und ſtiftete eine ewige Lampe
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der Fluth überſtrömt war. Für Fiſche und Waſſermöven mag's ein
denkwürdiger Tag geweſen ſein, da es in den Tiefen brauste und
ziſchte, und die baſaltiſchen Maſſen glühend durch der Erdrinde Spal-
ten ſich ihren Weg über die Waſſerſpiegel bahnten. Aber das iſt ſchon
lange her. Es iſt Gras gewachſen über die Leiden derer, die bei jener
Umwälzung mitleidlos vernichtet wurden; nur die Berge ſtehen noch
immer, ohne Zuſammenhang mit ihren Nachbarn, einſam und trotzig
wie Alle, die mit feurigem Kern im Herzen die Schranken des Vor-
handenen durchbrechen, und ihr Geſtein klingt, als ſäße noch ein Ge-
dächtniß an die fröhliche Jugendzeit drin, da ſie zuerſt der Pracht der
Schöpfung entgegen gejubelt.
Zur Zeit, da unſere Geſchichte anhebt, trug der hohe Twiel ſchon
Thurm und Mauern, eine feſte Burg. Dort hatte Herr Burkhard
gehaust, der Herzog in Schwaben. Er war ein feſter Degen geweſen
und hatte manchen Kriegszug gethan; die Feinde des Kaiſers waren
auch die ſeinen, und damit gab es immer Arbeit: wenn's in Welſch-
land ruhig war, fingen oben die Normänner an, und wenn die ge-
worfen waren, kam etwann der Ungar geritten, oder es war einmal
ein Biſchof übermüthig oder ein Grafe widerſpänſtig; — ſo war Herr
Burkhard zeitlebens mehr im Sattel als im Lehnſtuhl geſeſſen. Dem-
gemäß iſt erklärlich, daß er ſich keinen ſanften Leumund geſchaffen.
In Schwaben ſprachen ſie, er habe die Herrſchaft geführt, ſo zu
ſagen als ein Zwingherr, und im fernen Sachſen ſchrieben die Mönche
in ihre Chroniken, er ſei ein kaum zu ertragender Kriegsmann ge-
weſen.
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Bevor Herr Burkhard zu ſeinen Vätern verſammelt ward, hatte
er ſich noch ein Ehgemahl erleſen. Das war die junge Frau Had-
wig, Tochter des Herzogs in Baiern. Aber in das Abendroth eines
Lebens, das zur Neige geht, mag der Morgenſtern nicht freudig ſchei-
nen. Das hat ſeinen natürlichen Grund.
²⁾
Darum hatte Frau Had-
wig den alten Herzog in Schwaben genommen, ihrem Vater zu Ge-
fallen, hatte ihn auch gehegt und gepflegt, wie es einem grauen Haupt
zukam, aber wie der Alte zu ſterben ging, hat ihr der Kummer das
Herz nicht gebrochen.
Da begrub ſie ihn in der Gruft ſeiner Väter, und ließ ihm von
grauem Sandſtein ein Grabmal ſetzen, und ſtiftete eine ewige Lampe
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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