Sein Weib? sprach die Herzogin boshaft. Wenn er aber kein Weib hat? --
Drüben erscholl ein brausend Jubelgelächter. Sie hatten den hunnischen Vetter auf ein Brett gesetzt und trugen ihn erhoben, wie einst den Heerführer auf dem Schild bei der Königswahl, über die Wiese. Er that etliche Freudensprünge über ihren Häuptern.
-- und kein Weib haben darf? sprach Ekkehard zerstreut. Seine Stirn glühte. Er deckte sie mit der Rechten. Wohin er schaute schmerzte ihn das Aug. Dort das Gewirre des Hochzeitjubels -- hier die Herzogin, fern die leuchtenden Gebirge: es war ihm unendlich weh, aber seine Lippen blieben geschlossen. Sei stark und still! sprach er zu sich selber.
Er war in Wahrheit nicht mehr wie früher. Der stille Bücher- friede der Mönchsklause war von ihm gewichen, Kampf und Hun- nennoth hatten sein Denken geweitet, der Herzogin Zeichen von Huld sein Herz entzweit. Im Gang des Tages, im Traum der Nacht ver- folgte ihn das Bild, wie sie ihm Reliquie und Schwert des Gatten umgehangen, und in bösen Stunden zogen Vorwürfe nebelgleich durch seine Seele, daß er's so schweigend hingenommen. Frau Hadwig ahnte nicht, was in ihm kochte; sie dachte gleichgiltiger von ihm, seit ver- meintlich Nichtverstehen ihres Zuvorkommens sie gedemüthigt; aber wenn sie ihn wieder sah, Kummer auf der hohen Stirn und fragende Schwermuth im Aug', so erneute sich das alte Spiel.
Wenn Ihr solche Freude am Landbau habt, sprach sie leicht, ich wüßt Euch Rath. Der Abt von Reichenau hat mich geärgert. Die Perle meiner Hofgüter mir abschwatzen wollen, als wär's eine Brodkrumme, die man vom Tisch schüttelt ohne umzuschauen!
-- Es rauschte im Gebüsch, sie nahmen es nicht wahr. Ein dunkler Schimmer zog sich durch die Blätter -- war's ein Fuchs, oder eines Mönchs Gewand?
Ich will Euch als Verwalter drauf setzen, fuhr Frau Hadwig fort, da habt Ihr all' die Herrlichkeit vollauf, deren Anblick Euch heute schwermüthig macht, und noch mehr. Mein Saspach liegt fröhlich am Rhein, der alte Kaiserstuhl rühmt sich der Ehre, daß er zuerst in all unsern Landen die Weinrebe trug, -- und sind ehrliche Leute dort, wenn sie auch eine unfeine Sprache sprechen.
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Sein Weib? ſprach die Herzogin boshaft. Wenn er aber kein Weib hat? —
Drüben erſcholl ein brauſend Jubelgelächter. Sie hatten den hunniſchen Vetter auf ein Brett geſetzt und trugen ihn erhoben, wie einſt den Heerführer auf dem Schild bei der Königswahl, über die Wieſe. Er that etliche Freudenſprünge über ihren Häuptern.
— und kein Weib haben darf? ſprach Ekkehard zerſtreut. Seine Stirn glühte. Er deckte ſie mit der Rechten. Wohin er ſchaute ſchmerzte ihn das Aug. Dort das Gewirre des Hochzeitjubels — hier die Herzogin, fern die leuchtenden Gebirge: es war ihm unendlich weh, aber ſeine Lippen blieben geſchloſſen. Sei ſtark und ſtill! ſprach er zu ſich ſelber.
Er war in Wahrheit nicht mehr wie früher. Der ſtille Bücher- friede der Mönchsklauſe war von ihm gewichen, Kampf und Hun- nennoth hatten ſein Denken geweitet, der Herzogin Zeichen von Huld ſein Herz entzweit. Im Gang des Tages, im Traum der Nacht ver- folgte ihn das Bild, wie ſie ihm Reliquie und Schwert des Gatten umgehangen, und in böſen Stunden zogen Vorwürfe nebelgleich durch ſeine Seele, daß er's ſo ſchweigend hingenommen. Frau Hadwig ahnte nicht, was in ihm kochte; ſie dachte gleichgiltiger von ihm, ſeit ver- meintlich Nichtverſtehen ihres Zuvorkommens ſie gedemüthigt; aber wenn ſie ihn wieder ſah, Kummer auf der hohen Stirn und fragende Schwermuth im Aug', ſo erneute ſich das alte Spiel.
Wenn Ihr ſolche Freude am Landbau habt, ſprach ſie leicht, ich wüßt Euch Rath. Der Abt von Reichenau hat mich geärgert. Die Perle meiner Hofgüter mir abſchwatzen wollen, als wär's eine Brodkrumme, die man vom Tiſch ſchüttelt ohne umzuſchauen!
— Es rauſchte im Gebüſch, ſie nahmen es nicht wahr. Ein dunkler Schimmer zog ſich durch die Blätter — war's ein Fuchs, oder eines Mönchs Gewand?
Ich will Euch als Verwalter drauf ſetzen, fuhr Frau Hadwig fort, da habt Ihr all' die Herrlichkeit vollauf, deren Anblick Euch heute ſchwermüthig macht, und noch mehr. Mein Saspach liegt fröhlich am Rhein, der alte Kaiſerſtuhl rühmt ſich der Ehre, daß er zuerſt in all unſern Landen die Weinrebe trug, — und ſind ehrliche Leute dort, wenn ſie auch eine unfeine Sprache ſprechen.
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Sein Weib? ſprach die Herzogin boshaft. Wenn er aber kein
Weib hat? —
Drüben erſcholl ein brauſend Jubelgelächter. Sie hatten den
hunniſchen Vetter auf ein Brett geſetzt und trugen ihn erhoben, wie
einſt den Heerführer auf dem Schild bei der Königswahl, über die
Wieſe. Er that etliche Freudenſprünge über ihren Häuptern.
— und kein Weib haben darf? ſprach Ekkehard zerſtreut. Seine
Stirn glühte. Er deckte ſie mit der Rechten. Wohin er ſchaute
ſchmerzte ihn das Aug. Dort das Gewirre des Hochzeitjubels —
hier die Herzogin, fern die leuchtenden Gebirge: es war ihm unendlich
weh, aber ſeine Lippen blieben geſchloſſen. Sei ſtark und ſtill! ſprach
er zu ſich ſelber.
Er war in Wahrheit nicht mehr wie früher. Der ſtille Bücher-
friede der Mönchsklauſe war von ihm gewichen, Kampf und Hun-
nennoth hatten ſein Denken geweitet, der Herzogin Zeichen von Huld
ſein Herz entzweit. Im Gang des Tages, im Traum der Nacht ver-
folgte ihn das Bild, wie ſie ihm Reliquie und Schwert des Gatten
umgehangen, und in böſen Stunden zogen Vorwürfe nebelgleich durch
ſeine Seele, daß er's ſo ſchweigend hingenommen. Frau Hadwig ahnte
nicht, was in ihm kochte; ſie dachte gleichgiltiger von ihm, ſeit ver-
meintlich Nichtverſtehen ihres Zuvorkommens ſie gedemüthigt; aber
wenn ſie ihn wieder ſah, Kummer auf der hohen Stirn und fragende
Schwermuth im Aug', ſo erneute ſich das alte Spiel.
Wenn Ihr ſolche Freude am Landbau habt, ſprach ſie leicht, ich
wüßt Euch Rath. Der Abt von Reichenau hat mich geärgert. Die
Perle meiner Hofgüter mir abſchwatzen wollen, als wär's eine
Brodkrumme, die man vom Tiſch ſchüttelt ohne umzuſchauen!
— Es rauſchte im Gebüſch, ſie nahmen es nicht wahr. Ein
dunkler Schimmer zog ſich durch die Blätter — war's ein Fuchs,
oder eines Mönchs Gewand?
Ich will Euch als Verwalter drauf ſetzen, fuhr Frau Hadwig fort,
da habt Ihr all' die Herrlichkeit vollauf, deren Anblick Euch heute
ſchwermüthig macht, und noch mehr. Mein Saspach liegt fröhlich
am Rhein, der alte Kaiſerſtuhl rühmt ſich der Ehre, daß er zuerſt in
all unſern Landen die Weinrebe trug, — und ſind ehrliche Leute dort,
wenn ſie auch eine unfeine Sprache ſprechen.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/249>, abgerufen am 04.12.2024.
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