Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Ekkehard sah vor sich nieder. Ich kann's Euch auch ausmalen, ohne daß ich zu schildern weiß, Es rauschte wieder im Gebüsch. .. und denket darüber nach wie der Wein wird und besinnt Euch Der Gefragte war kaum der Schilderung gefolgt. Wer? sagte Wer anders als Eure Gebieterin, die sich ihr herzoglich Recht Und dann? fragte er weiter. Dann? dann werd' ich Erkundigungen einziehen, wie Meister Ekkehard Und dann? fragte er noch einmal. Sein Ton war seltsam. Dann werd' ich sprechen mit den Worten der Schrift: Wohl Ekkehard stand gleich einem Betäubten. Er hob seinen Arm, er .. Zu selber Zeit schritt ein Mann vorsichtig aus dem Gebüsch Ekkehard ſah vor ſich nieder. Ich kann's Euch auch ausmalen, ohne daß ich zu ſchildern weiß, Es rauſchte wieder im Gebüſch. .. und denket darüber nach wie der Wein wird und beſinnt Euch Der Gefragte war kaum der Schilderung gefolgt. Wer? ſagte Wer anders als Eure Gebieterin, die ſich ihr herzoglich Recht Und dann? fragte er weiter. Dann? dann werd' ich Erkundigungen einziehen, wie Meiſter Ekkehard Und dann? fragte er noch einmal. Sein Ton war ſeltſam. Dann werd' ich ſprechen mit den Worten der Schrift: Wohl Ekkehard ſtand gleich einem Betäubten. Er hob ſeinen Arm, er .. Zu ſelber Zeit ſchritt ein Mann vorſichtig aus dem Gebüſch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0250" n="228"/> <p>Ekkehard ſah vor ſich nieder.</p><lb/> <p>Ich kann's Euch auch ausmalen, ohne daß ich zu ſchildern weiß,<lb/> wie Virgilius. Denkt Euch, es iſt Herbſt — Ihr habt ein geſund<lb/> Leben geführt, mit der Sonne heraus, mit den Hühnern zu Bett —<lb/> jetzt kommt die Weinleſe, von allen Bergrücken ſteigen Knechte und<lb/> Mägde zu Euch hernieder, den Hängkorb gefüllt mit Trauben, Ihr<lb/> ſteht am Thor . .</p><lb/> <p>Es rauſchte wieder im Gebüſch.</p><lb/> <p>.. und denket darüber nach wie der Wein wird und beſinnt Euch<lb/> auf weſſen Wohl Ihr ihn trinken wollt, der Vogeſenwald ſchaut ſo<lb/> licht und blau zu Euch herüber wie hier die Hörner der Alpen, da<lb/> kommt's mit Roß und Wagen vom alten Breiſach her, die Heerſtraße<lb/> ſtäubt, Ihr hebet das Haupt, nun, Meiſter Ekkehard, wer wird ange-<lb/> zogen kommen?</p><lb/> <p>Der Gefragte war kaum der Schilderung gefolgt. Wer? ſagte<lb/> er ſcheu.</p><lb/> <p>Wer anders als Eure Gebieterin, die ſich ihr herzoglich Recht<lb/> nicht vergeben wird zu prüfen, wie ihre Diener ſchalten.</p><lb/> <p>Und dann? fragte er weiter.</p><lb/> <p>Dann? dann werd' ich Erkundigungen einziehen, wie Meiſter Ekkehard<lb/> ſeiner Pflicht oblag, und ſie werden Alle ſagen: er iſt brav und<lb/> ernſt und wenn er nicht ſo viel denken und ſinnen und in ſeinen Per-<lb/> gamenten leſen wollte, wär' er uns noch lieber ...</p><lb/> <p>Und dann? fragte er noch einmal. Sein Ton war ſeltſam.</p><lb/> <p>Dann werd' ich ſprechen mit den Worten der Schrift: Wohl<lb/> du guter und getreuer Knecht! du warſt treu über Weniges,<lb/> ich will dich über Vieles ſetzen. Zeuch ein zum Freudenmahl deines<lb/> Herrn.</p><lb/> <p>Ekkehard ſtand gleich einem Betäubten. Er hob ſeinen Arm, er<lb/> ließ ihn wieder ſinken, eine Thräne zitterte in ſeinem Aug'. Er war<lb/> ſehr unglücklich.</p><lb/> <p>.. Zu ſelber Zeit ſchritt ein Mann vorſichtig aus dem Gebüſch<lb/> heraus. Wie er wieder Wieſengrund unter den Füßen fühlte, ließ er<lb/> die gehobene Kutte nieder fallen. Er ſchaute bedeutſam auf die Beiden<lb/> zurück und nickte mit dem Haupte, wie Einer der eine Entdeckung<lb/> gemacht. Er war auch nicht hingegangen um Veilchen zu pflücken.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [228/0250]
Ekkehard ſah vor ſich nieder.
Ich kann's Euch auch ausmalen, ohne daß ich zu ſchildern weiß,
wie Virgilius. Denkt Euch, es iſt Herbſt — Ihr habt ein geſund
Leben geführt, mit der Sonne heraus, mit den Hühnern zu Bett —
jetzt kommt die Weinleſe, von allen Bergrücken ſteigen Knechte und
Mägde zu Euch hernieder, den Hängkorb gefüllt mit Trauben, Ihr
ſteht am Thor . .
Es rauſchte wieder im Gebüſch.
.. und denket darüber nach wie der Wein wird und beſinnt Euch
auf weſſen Wohl Ihr ihn trinken wollt, der Vogeſenwald ſchaut ſo
licht und blau zu Euch herüber wie hier die Hörner der Alpen, da
kommt's mit Roß und Wagen vom alten Breiſach her, die Heerſtraße
ſtäubt, Ihr hebet das Haupt, nun, Meiſter Ekkehard, wer wird ange-
zogen kommen?
Der Gefragte war kaum der Schilderung gefolgt. Wer? ſagte
er ſcheu.
Wer anders als Eure Gebieterin, die ſich ihr herzoglich Recht
nicht vergeben wird zu prüfen, wie ihre Diener ſchalten.
Und dann? fragte er weiter.
Dann? dann werd' ich Erkundigungen einziehen, wie Meiſter Ekkehard
ſeiner Pflicht oblag, und ſie werden Alle ſagen: er iſt brav und
ernſt und wenn er nicht ſo viel denken und ſinnen und in ſeinen Per-
gamenten leſen wollte, wär' er uns noch lieber ...
Und dann? fragte er noch einmal. Sein Ton war ſeltſam.
Dann werd' ich ſprechen mit den Worten der Schrift: Wohl
du guter und getreuer Knecht! du warſt treu über Weniges,
ich will dich über Vieles ſetzen. Zeuch ein zum Freudenmahl deines
Herrn.
Ekkehard ſtand gleich einem Betäubten. Er hob ſeinen Arm, er
ließ ihn wieder ſinken, eine Thräne zitterte in ſeinem Aug'. Er war
ſehr unglücklich.
.. Zu ſelber Zeit ſchritt ein Mann vorſichtig aus dem Gebüſch
heraus. Wie er wieder Wieſengrund unter den Füßen fühlte, ließ er
die gehobene Kutte nieder fallen. Er ſchaute bedeutſam auf die Beiden
zurück und nickte mit dem Haupte, wie Einer der eine Entdeckung
gemacht. Er war auch nicht hingegangen um Veilchen zu pflücken.
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