Wittfrau hatte ihn dem heiligen Pirminius zum Heil ihrer Seele vergabt. Jetzt saß ein Klostermaier drauf, ein wilder Mann mit knorrigem Schädel und harten Gedanken drin; er hatte viel Knechte und Mägde und Roß und Zugvieh und gedieh wohl, denn die kupfer- braunen Schlangen, die in Stall und Hof nisteten, pflegte er recht- schaffen und ließ die Milchschüssel in der Stallecke nie leer werden, also daß sie ganz zahm und fröhlich in dem Stroh herum spielten und Niemanden ein Leides thaten. Die Schlangen sind des Hofes Segen, sprach der Alte oftmals, das ist bei uns Bauern anders als an des Kaisers Hof.
Seit zwei Tagen aber hatte der Klostermaier keine gute Stunde mehr gehabt. Die schweren Gewitter schufen ihm Sorge für Frucht und Feld. Als ihrer drei sonder Schaden vorübergegangen waren, ließ er anspannen und einen Sack vormjährigen Roggen aufladen, und fuhr hinüber zum Diacon am Singener Kirchlein. Der lachte auf seinem Stockzahn wie des Klostermaiers Gespann aus dem Walde vorgefahren kam, er kannte seinen Kunden. Seine Pfründe war mager, aber aus der Menschen Thorheit fiel ihm immer noch ein hinlängliches ab, daß er seine Wassersuppen schmelzen konnte.
Der Klostermaier hatte seinen Kornsack bei ihm abgeladen und gesagt: Meister Otfried, Ihr habt Euer Sach brav gemacht und von meinen Aeckern das Wetter ordentlich weggebetet. Vergeßt mich nicht, wenn's wiederum zu donnern kommt!
Und der Diaconus hatte ihm geantwortet: Ich denk, Ihr habt mich gesehen, wie ich unter dem Kirchenthürlein stand, nach dem Schlangenhof gewendet, und aus dem Weihbrunn drei Kreuze gegen das Wetter gespritzt hab, und den Spruch von den heiligen drei Nä- geln dazu, der hat Schauer und Hagel landabwärts gejagt.212) Euer Roggen könnt' ein gut Brod geben, Klostermaier, wenn noch ein Stümplein Gerstenkorn dazu gefügt wäre.
Da war der Klostermaier wieder heimgefahren, und gedachte just ein Säcklein mit Gerste zu richten, als verdiente Zulage für seinen Anwalt beim Himmel: aber schon wieder thürmte sich ein giftschwarz Gewölk auf, und wie es tiefdunkel über dem Eichwald stand, kam ein weißgrau Wölklein heraufgezüngelt, das hatte fünf Zacken, wie Finger einer Hand, und schwoll an, und schoß Blitze, und war ein
Wittfrau hatte ihn dem heiligen Pirminius zum Heil ihrer Seele vergabt. Jetzt ſaß ein Kloſtermaier drauf, ein wilder Mann mit knorrigem Schädel und harten Gedanken drin; er hatte viel Knechte und Mägde und Roß und Zugvieh und gedieh wohl, denn die kupfer- braunen Schlangen, die in Stall und Hof niſteten, pflegte er recht- ſchaffen und ließ die Milchſchüſſel in der Stallecke nie leer werden, alſo daß ſie ganz zahm und fröhlich in dem Stroh herum ſpielten und Niemanden ein Leides thaten. Die Schlangen ſind des Hofes Segen, ſprach der Alte oftmals, das iſt bei uns Bauern anders als an des Kaiſers Hof.
Seit zwei Tagen aber hatte der Kloſtermaier keine gute Stunde mehr gehabt. Die ſchweren Gewitter ſchufen ihm Sorge für Frucht und Feld. Als ihrer drei ſonder Schaden vorübergegangen waren, ließ er anſpannen und einen Sack vormjährigen Roggen aufladen, und fuhr hinüber zum Diacon am Singener Kirchlein. Der lachte auf ſeinem Stockzahn wie des Kloſtermaiers Geſpann aus dem Walde vorgefahren kam, er kannte ſeinen Kunden. Seine Pfründe war mager, aber aus der Menſchen Thorheit fiel ihm immer noch ein hinlängliches ab, daß er ſeine Waſſerſuppen ſchmelzen konnte.
Der Kloſtermaier hatte ſeinen Kornſack bei ihm abgeladen und geſagt: Meiſter Otfried, Ihr habt Euer Sach brav gemacht und von meinen Aeckern das Wetter ordentlich weggebetet. Vergeßt mich nicht, wenn's wiederum zu donnern kommt!
Und der Diaconus hatte ihm geantwortet: Ich denk, Ihr habt mich geſehen, wie ich unter dem Kirchenthürlein ſtand, nach dem Schlangenhof gewendet, und aus dem Weihbrunn drei Kreuze gegen das Wetter geſpritzt hab, und den Spruch von den heiligen drei Nä- geln dazu, der hat Schauer und Hagel landabwärts gejagt.212) Euer Roggen könnt' ein gut Brod geben, Kloſtermaier, wenn noch ein Stümplein Gerſtenkorn dazu gefügt wäre.
Da war der Kloſtermaier wieder heimgefahren, und gedachte juſt ein Säcklein mit Gerſte zu richten, als verdiente Zulage für ſeinen Anwalt beim Himmel: aber ſchon wieder thürmte ſich ein giftſchwarz Gewölk auf, und wie es tiefdunkel über dem Eichwald ſtand, kam ein weißgrau Wölklein heraufgezüngelt, das hatte fünf Zacken, wie Finger einer Hand, und ſchwoll an, und ſchoß Blitze, und war ein
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Wittfrau hatte ihn dem heiligen Pirminius zum Heil ihrer Seele
vergabt. Jetzt ſaß ein Kloſtermaier drauf, ein wilder Mann mit
knorrigem Schädel und harten Gedanken drin; er hatte viel Knechte
und Mägde und Roß und Zugvieh und gedieh wohl, denn die kupfer-
braunen Schlangen, die in Stall und Hof niſteten, pflegte er recht-
ſchaffen und ließ die Milchſchüſſel in der Stallecke nie leer werden,
alſo daß ſie ganz zahm und fröhlich in dem Stroh herum ſpielten
und Niemanden ein Leides thaten. Die Schlangen ſind des Hofes
Segen, ſprach der Alte oftmals, das iſt bei uns Bauern anders als
an des Kaiſers Hof.
Seit zwei Tagen aber hatte der Kloſtermaier keine gute Stunde
mehr gehabt. Die ſchweren Gewitter ſchufen ihm Sorge für Frucht
und Feld. Als ihrer drei ſonder Schaden vorübergegangen waren,
ließ er anſpannen und einen Sack vormjährigen Roggen aufladen,
und fuhr hinüber zum Diacon am Singener Kirchlein. Der lachte
auf ſeinem Stockzahn wie des Kloſtermaiers Geſpann aus dem Walde
vorgefahren kam, er kannte ſeinen Kunden. Seine Pfründe war mager,
aber aus der Menſchen Thorheit fiel ihm immer noch ein hinlängliches
ab, daß er ſeine Waſſerſuppen ſchmelzen konnte.
Der Kloſtermaier hatte ſeinen Kornſack bei ihm abgeladen und
geſagt: Meiſter Otfried, Ihr habt Euer Sach brav gemacht und von
meinen Aeckern das Wetter ordentlich weggebetet. Vergeßt mich nicht,
wenn's wiederum zu donnern kommt!
Und der Diaconus hatte ihm geantwortet: Ich denk, Ihr habt
mich geſehen, wie ich unter dem Kirchenthürlein ſtand, nach dem
Schlangenhof gewendet, und aus dem Weihbrunn drei Kreuze gegen
das Wetter geſpritzt hab, und den Spruch von den heiligen drei Nä-
geln dazu, der hat Schauer und Hagel landabwärts gejagt.
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Euer
Roggen könnt' ein gut Brod geben, Kloſtermaier, wenn noch ein
Stümplein Gerſtenkorn dazu gefügt wäre.
Da war der Kloſtermaier wieder heimgefahren, und gedachte juſt
ein Säcklein mit Gerſte zu richten, als verdiente Zulage für ſeinen
Anwalt beim Himmel: aber ſchon wieder thürmte ſich ein giftſchwarz
Gewölk auf, und wie es tiefdunkel über dem Eichwald ſtand, kam
ein weißgrau Wölklein heraufgezüngelt, das hatte fünf Zacken, wie
Finger einer Hand, und ſchwoll an, und ſchoß Blitze, und war ein
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/271>, abgerufen am 01.10.2024.
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