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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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schon lang ein Dorn im Auge, mit funkelnden Augen kam sie ge-
schlichen.

Frau Hadwig erschloß den Käfig und überantwortete ihr den Vo-
gel, der Staar aber, dem schon die scharfen Krallen das Gefieder
zausten und etliche Schwungfedern geknickt hatten, ersah noch ein
Gelegenheitlein und entwischte durch einen Spalt am Fenster.

Bald war er verschwunden, ein schwarzer Punkt im Nebel.

Eigentlich, sprach Frau Hadwig, hätt' ich ihn auch im Käfig be-
halten können. Praxedis, was meinst du?

Meine Herrin hat bei Allem Recht was sie thut, erwiederte diese.

Praxedis, fuhr Frau Hadwig fort, hol mir meinen Schmuck. Mich
gelustet, eine goldene Armspange anzulegen.

Da ging Praxedis, die immerwillige, und brachte der Herzogin
Schmuckkästchen. Das war von getriebenem Silber, mit starken un-
fertigen Strichen waren etliche Gestalten darin angebracht in erhabener
Arbeit, der Heiland als guter Hirt, und Petrus mit dem Schlüssel,
und Paulus mit dem Schwert, sammt allerhand Blattwerk und reich
verschlungener Zierrath, als wenn es früher zu Aufbewahrung von
Reliquien gedient hätte. Es war durch Herrn Burkhard eingebracht
worden, doch sprach er nie gern davon, denn er kam zu selber Zeit
von einer Fehde heimgeritten, darin er einen burgundischen Bischof
schwer überrannt und niedergeworfen hatte.

Wie die Herzogin das Kästchen aufschlug, gleißten und glänzten
die Kleinodien mannigfalt auf dem rothen Sammtfutter. Bei solchen
Denkzeichen der Erinnerung kommen allerhand alte Geschichten heran-
geschwirrt. Auch das Bildniß des griechischen Prinzen Constantin lag
dort, zierlich, geleckt und sonder Geist vom byzantiner Meister auf
Goldgrund gemalt.

Praxedis, sprach Frau Hadwig, wie wär's geworden, wenn ich
deinem spitznasigen, gelbwangigen Prinzen die Hand gereicht hätte?

Meine Herrin, war Praxedis Antwort, es wäre sicher gut geworden.

Ei, fuhr Frau Hadwig fort, erzähl' mir Etwas von deiner lang-
weiligen Heimath, ich möchte mir gern vorstellen, was ich für einen
Einzug in Constantinopolis gehalten hätte.

O Fürstin, sprach Praxedis, meine Heimath ist schön -- weh-
müthig ließ sie ihr dunkles Aug' in die neblige Ferne gleiten -- und

ſchon lang ein Dorn im Auge, mit funkelnden Augen kam ſie ge-
ſchlichen.

Frau Hadwig erſchloß den Käfig und überantwortete ihr den Vo-
gel, der Staar aber, dem ſchon die ſcharfen Krallen das Gefieder
zausten und etliche Schwungfedern geknickt hatten, erſah noch ein
Gelegenheitlein und entwiſchte durch einen Spalt am Fenſter.

Bald war er verſchwunden, ein ſchwarzer Punkt im Nebel.

Eigentlich, ſprach Frau Hadwig, hätt' ich ihn auch im Käfig be-
halten können. Praxedis, was meinſt du?

Meine Herrin hat bei Allem Recht was ſie thut, erwiederte dieſe.

Praxedis, fuhr Frau Hadwig fort, hol mir meinen Schmuck. Mich
geluſtet, eine goldene Armſpange anzulegen.

Da ging Praxedis, die immerwillige, und brachte der Herzogin
Schmuckkäſtchen. Das war von getriebenem Silber, mit ſtarken un-
fertigen Strichen waren etliche Geſtalten darin angebracht in erhabener
Arbeit, der Heiland als guter Hirt, und Petrus mit dem Schlüſſel,
und Paulus mit dem Schwert, ſammt allerhand Blattwerk und reich
verſchlungener Zierrath, als wenn es früher zu Aufbewahrung von
Reliquien gedient hätte. Es war durch Herrn Burkhard eingebracht
worden, doch ſprach er nie gern davon, denn er kam zu ſelber Zeit
von einer Fehde heimgeritten, darin er einen burgundiſchen Biſchof
ſchwer überrannt und niedergeworfen hatte.

Wie die Herzogin das Käſtchen aufſchlug, gleißten und glänzten
die Kleinodien mannigfalt auf dem rothen Sammtfutter. Bei ſolchen
Denkzeichen der Erinnerung kommen allerhand alte Geſchichten heran-
geſchwirrt. Auch das Bildniß des griechiſchen Prinzen Conſtantin lag
dort, zierlich, geleckt und ſonder Geiſt vom byzantiner Meiſter auf
Goldgrund gemalt.

Praxedis, ſprach Frau Hadwig, wie wär's geworden, wenn ich
deinem ſpitznaſigen, gelbwangigen Prinzen die Hand gereicht hätte?

Meine Herrin, war Praxedis Antwort, es wäre ſicher gut geworden.

Ei, fuhr Frau Hadwig fort, erzähl' mir Etwas von deiner lang-
weiligen Heimath, ich möchte mir gern vorſtellen, was ich für einen
Einzug in Conſtantinopolis gehalten hätte.

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müthig ließ ſie ihr dunkles Aug' in die neblige Ferne gleiten — und

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[6/0028] ſchon lang ein Dorn im Auge, mit funkelnden Augen kam ſie ge- ſchlichen. Frau Hadwig erſchloß den Käfig und überantwortete ihr den Vo- gel, der Staar aber, dem ſchon die ſcharfen Krallen das Gefieder zausten und etliche Schwungfedern geknickt hatten, erſah noch ein Gelegenheitlein und entwiſchte durch einen Spalt am Fenſter. Bald war er verſchwunden, ein ſchwarzer Punkt im Nebel. Eigentlich, ſprach Frau Hadwig, hätt' ich ihn auch im Käfig be- halten können. Praxedis, was meinſt du? Meine Herrin hat bei Allem Recht was ſie thut, erwiederte dieſe. Praxedis, fuhr Frau Hadwig fort, hol mir meinen Schmuck. Mich geluſtet, eine goldene Armſpange anzulegen. Da ging Praxedis, die immerwillige, und brachte der Herzogin Schmuckkäſtchen. Das war von getriebenem Silber, mit ſtarken un- fertigen Strichen waren etliche Geſtalten darin angebracht in erhabener Arbeit, der Heiland als guter Hirt, und Petrus mit dem Schlüſſel, und Paulus mit dem Schwert, ſammt allerhand Blattwerk und reich verſchlungener Zierrath, als wenn es früher zu Aufbewahrung von Reliquien gedient hätte. Es war durch Herrn Burkhard eingebracht worden, doch ſprach er nie gern davon, denn er kam zu ſelber Zeit von einer Fehde heimgeritten, darin er einen burgundiſchen Biſchof ſchwer überrannt und niedergeworfen hatte. Wie die Herzogin das Käſtchen aufſchlug, gleißten und glänzten die Kleinodien mannigfalt auf dem rothen Sammtfutter. Bei ſolchen Denkzeichen der Erinnerung kommen allerhand alte Geſchichten heran- geſchwirrt. Auch das Bildniß des griechiſchen Prinzen Conſtantin lag dort, zierlich, geleckt und ſonder Geiſt vom byzantiner Meiſter auf Goldgrund gemalt. Praxedis, ſprach Frau Hadwig, wie wär's geworden, wenn ich deinem ſpitznaſigen, gelbwangigen Prinzen die Hand gereicht hätte? Meine Herrin, war Praxedis Antwort, es wäre ſicher gut geworden. Ei, fuhr Frau Hadwig fort, erzähl' mir Etwas von deiner lang- weiligen Heimath, ich möchte mir gern vorſtellen, was ich für einen Einzug in Conſtantinopolis gehalten hätte. O Fürſtin, ſprach Praxedis, meine Heimath iſt ſchön — weh- müthig ließ ſie ihr dunkles Aug' in die neblige Ferne gleiten — und

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/28>, abgerufen am 21.11.2024.