schule üblich, dann vertiefte er sich ganz in des Kuchens Aufzehrung und überließ die Frage von den Antipoden einer späteren Zukunft ..
Praxedis wandte sich zu Ekkehard: Die Herzogin läßt Euch kund thun, sprach sie mit verstelltem Ernst, daß sie gesonnen, zum Studium des Virgilius zurückzukehren; sie ist begierig zu vernehmen, wie der Königin Dido Geschicke sich weiter abspinnen. Heute Abend beginnen wir; Ihr sollt ein freundlich Gesicht dazu machen, fuhr sie leiseren Tones fort, es ist eine zarte Aufmerksamkeit, Euch zu beweisen, daß trotz der Schriften gewisser Herren das Vertrauen auf Euere Wissen- schaft nicht geschwunden.
Es war so. Ekkehard aber erschrack. Wieder in der alten Weise mit den zwei Frauen zusammen sein: schon der Gedanke that ihm weh. Er konnte noch immer nicht vergessen, daß einst ein Charfrei- tagmorgen gewesen.
Da schlug er seinen Neffen auf die Schulter, daß der zusammen- fuhr. Du kommst hier nicht in die Ferien zum Fischfangen und Vogelstellen, Burkard! sprach er, heute Nachmittag lesen wir Virgil mit der gnädigen Herzogin, du wirst dabei sein.
Er gedachte den Knaben als schirmende Abwehr zwischen die Her- zogin und seine Gedanken zu stellen.
Wohl! sprach Burkard mit kirschrothblauen Lippen, Virgilius ist mir lieber als Jagen und Reiten, und ich werd' die Frau Herzogin bitten, mir von ihrem Griechischen Etwas zu lehren. Nach jenem Besuch, wo sie Euch mit fortgenommen, haben die Klosterschüler oft- mals gesagt, sie wisse mehr griechisch als alle ehrwürdigen Väter des Klosters zusammen, sie habe es durch Zauberei erlernt. Und wenn ich auch im Griechischen der Erste bin ...
Dann kann dir's nicht fehlen, daß du in fünf Jahren Abt und in zwanzig Jahren heiliger Vater zu Rom wirst, sprach Praxedis spottend. Einstweilen fließt dort der Burgbrunnen, das Blau deiner Lippen zu tilgen ...
Um die vierte Abendstunde harrte Ekkehard im säulengetragenen Gemach seiner Gebieterin, die Lesung der Aeneide wieder aufzunehmen. Ueber ein halb Jahr war abgelaufen, daß Virgilius Ruhe gehabt. Ekkehard war beklommen, er hatte die Fenster weit aufgethan. Wohl- thuende Kühle des Abends strömte herein.
ſchule üblich, dann vertiefte er ſich ganz in des Kuchens Aufzehrung und überließ die Frage von den Antipoden einer ſpäteren Zukunft ..
Praxedis wandte ſich zu Ekkehard: Die Herzogin läßt Euch kund thun, ſprach ſie mit verſtelltem Ernſt, daß ſie geſonnen, zum Studium des Virgilius zurückzukehren; ſie iſt begierig zu vernehmen, wie der Königin Dido Geſchicke ſich weiter abſpinnen. Heute Abend beginnen wir; Ihr ſollt ein freundlich Geſicht dazu machen, fuhr ſie leiſeren Tones fort, es iſt eine zarte Aufmerkſamkeit, Euch zu beweiſen, daß trotz der Schriften gewiſſer Herren das Vertrauen auf Euere Wiſſen- ſchaft nicht geſchwunden.
Es war ſo. Ekkehard aber erſchrack. Wieder in der alten Weiſe mit den zwei Frauen zuſammen ſein: ſchon der Gedanke that ihm weh. Er konnte noch immer nicht vergeſſen, daß einſt ein Charfrei- tagmorgen geweſen.
Da ſchlug er ſeinen Neffen auf die Schulter, daß der zuſammen- fuhr. Du kommſt hier nicht in die Ferien zum Fiſchfangen und Vogelſtellen, Burkard! ſprach er, heute Nachmittag leſen wir Virgil mit der gnädigen Herzogin, du wirſt dabei ſein.
Er gedachte den Knaben als ſchirmende Abwehr zwiſchen die Her- zogin und ſeine Gedanken zu ſtellen.
Wohl! ſprach Burkard mit kirſchrothblauen Lippen, Virgilius iſt mir lieber als Jagen und Reiten, und ich werd' die Frau Herzogin bitten, mir von ihrem Griechiſchen Etwas zu lehren. Nach jenem Beſuch, wo ſie Euch mit fortgenommen, haben die Kloſterſchüler oft- mals geſagt, ſie wiſſe mehr griechiſch als alle ehrwürdigen Väter des Kloſters zuſammen, ſie habe es durch Zauberei erlernt. Und wenn ich auch im Griechiſchen der Erſte bin ...
Dann kann dir's nicht fehlen, daß du in fünf Jahren Abt und in zwanzig Jahren heiliger Vater zu Rom wirſt, ſprach Praxedis ſpottend. Einſtweilen fließt dort der Burgbrunnen, das Blau deiner Lippen zu tilgen ...
Um die vierte Abendſtunde harrte Ekkehard im ſäulengetragenen Gemach ſeiner Gebieterin, die Leſung der Aeneide wieder aufzunehmen. Ueber ein halb Jahr war abgelaufen, daß Virgilius Ruhe gehabt. Ekkehard war beklommen, er hatte die Fenſter weit aufgethan. Wohl- thuende Kühle des Abends ſtrömte herein.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0296"n="274"/>ſchule üblich, dann vertiefte er ſich ganz in des Kuchens Aufzehrung<lb/>
und überließ die Frage von den Antipoden einer ſpäteren Zukunft ..</p><lb/><p>Praxedis wandte ſich zu Ekkehard: Die Herzogin läßt Euch kund<lb/>
thun, ſprach ſie mit verſtelltem Ernſt, daß ſie geſonnen, zum Studium<lb/>
des Virgilius zurückzukehren; ſie iſt begierig zu vernehmen, wie der<lb/>
Königin Dido Geſchicke ſich weiter abſpinnen. Heute Abend beginnen<lb/>
wir; Ihr ſollt ein freundlich Geſicht dazu machen, fuhr ſie leiſeren<lb/>
Tones fort, es iſt eine zarte Aufmerkſamkeit, Euch zu beweiſen, daß<lb/>
trotz der Schriften gewiſſer Herren das Vertrauen auf Euere Wiſſen-<lb/>ſchaft nicht geſchwunden.</p><lb/><p>Es war ſo. Ekkehard aber erſchrack. Wieder in der alten Weiſe<lb/>
mit den zwei Frauen zuſammen ſein: ſchon der Gedanke that ihm<lb/>
weh. Er konnte noch immer nicht vergeſſen, daß einſt ein Charfrei-<lb/>
tagmorgen geweſen.</p><lb/><p>Da ſchlug er ſeinen Neffen auf die Schulter, daß der zuſammen-<lb/>
fuhr. Du kommſt hier nicht in die Ferien zum Fiſchfangen und<lb/>
Vogelſtellen, Burkard! ſprach er, heute Nachmittag leſen wir Virgil<lb/>
mit der gnädigen Herzogin, du wirſt dabei ſein.</p><lb/><p>Er gedachte den Knaben als ſchirmende Abwehr zwiſchen die Her-<lb/>
zogin und ſeine Gedanken zu ſtellen.</p><lb/><p>Wohl! ſprach Burkard mit kirſchrothblauen Lippen, Virgilius iſt<lb/>
mir lieber als Jagen und Reiten, und ich werd' die Frau Herzogin<lb/>
bitten, mir von ihrem Griechiſchen Etwas zu lehren. Nach jenem<lb/>
Beſuch, wo ſie Euch mit fortgenommen, haben die Kloſterſchüler oft-<lb/>
mals geſagt, ſie wiſſe mehr griechiſch als alle ehrwürdigen Väter des<lb/>
Kloſters zuſammen, ſie habe es durch Zauberei erlernt. Und wenn<lb/>
ich auch im Griechiſchen der Erſte bin ...</p><lb/><p>Dann kann dir's nicht fehlen, daß du in fünf Jahren Abt und<lb/>
in zwanzig Jahren heiliger Vater zu Rom wirſt, ſprach Praxedis<lb/>ſpottend. Einſtweilen fließt dort der Burgbrunnen, das Blau deiner<lb/>
Lippen zu tilgen ...</p><lb/><p>Um die vierte Abendſtunde harrte Ekkehard im ſäulengetragenen<lb/>
Gemach ſeiner Gebieterin, die Leſung der Aeneide wieder aufzunehmen.<lb/>
Ueber ein halb Jahr war abgelaufen, daß Virgilius Ruhe gehabt.<lb/>
Ekkehard war beklommen, er hatte die Fenſter weit aufgethan. Wohl-<lb/>
thuende Kühle des Abends ſtrömte herein.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[274/0296]
ſchule üblich, dann vertiefte er ſich ganz in des Kuchens Aufzehrung
und überließ die Frage von den Antipoden einer ſpäteren Zukunft ..
Praxedis wandte ſich zu Ekkehard: Die Herzogin läßt Euch kund
thun, ſprach ſie mit verſtelltem Ernſt, daß ſie geſonnen, zum Studium
des Virgilius zurückzukehren; ſie iſt begierig zu vernehmen, wie der
Königin Dido Geſchicke ſich weiter abſpinnen. Heute Abend beginnen
wir; Ihr ſollt ein freundlich Geſicht dazu machen, fuhr ſie leiſeren
Tones fort, es iſt eine zarte Aufmerkſamkeit, Euch zu beweiſen, daß
trotz der Schriften gewiſſer Herren das Vertrauen auf Euere Wiſſen-
ſchaft nicht geſchwunden.
Es war ſo. Ekkehard aber erſchrack. Wieder in der alten Weiſe
mit den zwei Frauen zuſammen ſein: ſchon der Gedanke that ihm
weh. Er konnte noch immer nicht vergeſſen, daß einſt ein Charfrei-
tagmorgen geweſen.
Da ſchlug er ſeinen Neffen auf die Schulter, daß der zuſammen-
fuhr. Du kommſt hier nicht in die Ferien zum Fiſchfangen und
Vogelſtellen, Burkard! ſprach er, heute Nachmittag leſen wir Virgil
mit der gnädigen Herzogin, du wirſt dabei ſein.
Er gedachte den Knaben als ſchirmende Abwehr zwiſchen die Her-
zogin und ſeine Gedanken zu ſtellen.
Wohl! ſprach Burkard mit kirſchrothblauen Lippen, Virgilius iſt
mir lieber als Jagen und Reiten, und ich werd' die Frau Herzogin
bitten, mir von ihrem Griechiſchen Etwas zu lehren. Nach jenem
Beſuch, wo ſie Euch mit fortgenommen, haben die Kloſterſchüler oft-
mals geſagt, ſie wiſſe mehr griechiſch als alle ehrwürdigen Väter des
Kloſters zuſammen, ſie habe es durch Zauberei erlernt. Und wenn
ich auch im Griechiſchen der Erſte bin ...
Dann kann dir's nicht fehlen, daß du in fünf Jahren Abt und
in zwanzig Jahren heiliger Vater zu Rom wirſt, ſprach Praxedis
ſpottend. Einſtweilen fließt dort der Burgbrunnen, das Blau deiner
Lippen zu tilgen ...
Um die vierte Abendſtunde harrte Ekkehard im ſäulengetragenen
Gemach ſeiner Gebieterin, die Leſung der Aeneide wieder aufzunehmen.
Ueber ein halb Jahr war abgelaufen, daß Virgilius Ruhe gehabt.
Ekkehard war beklommen, er hatte die Fenſter weit aufgethan. Wohl-
thuende Kühle des Abends ſtrömte herein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/296>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.