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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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grimm warf er seinen Reichsapfel zu Boden und sprach: Um meine
Tochter hat noch Keiner geworben, der nicht den Kopf verloren, was
bringt ihr mir solchen Schimpf über das Meer? Ihr seid Alle ge-
fangen! Und ließ sie in einen Kerker werfen, da schien weder Sonne
noch Mond drein und bekamen nur Wasser sich zu laben und
weinten sehr.

Wie die Kunde zum König Rother kam, da ward ihm sein Herz
sehr traurig und er saß auf einem Stein und sprach zu Niemand.
Dann faßte er den Entschluß, in Reckenweise über Meer zu fahren,
um seinen getreuen Sendboten beizuspringen. Und er war verwarnt
vor den Griechen, daß man dort die Wahrheit übergülden müsse, so
man Etwas beschaffen wolle, darum hieß er seine Recken eidlich ange-
loben, daß sie alle vorgäben, er heiße nicht Rother sondern Dieterich
und sei landflüchtig vor dem König Rother und gehre Hilfe bei dem
Griechenkaiser. Also fuhren sie über Meer.

Und Rother nahm seine Harfe an Schiffes Bord, denn bevor
seine zwölf Gesandten die Anker gelichtet, war er mit der Harfe an
Strand gekommen und hatte drei Singweisen gegriffen das sollte ihnen
ein Angedenken sein: und kommet ihr je in Noth und höret die
Weisen erklingen, so ist Rother helfend euch nah!

Es war ein Ostertag und der Kaiser Constantin war nach dem
Hippodrom ausgeritten, da hielt Rother seinen Einzug. Und alle
Bürgersleute von Constantinopel liefen zusammen; das war noch nie
erschaut, denn Rother brachte auch seine Riesen mit sich: der erste
hieß Asprian und trug eine Stahlstange die war vierundzwanzig
Ellen lang, der zweite hieß Widolt und war so wildwüthig, daß sie
ihn in Ketten mitführen mußten, der dritte hieß Abendroth.

Und viel tapfere Degen kamen mit Rother geritten, und zwölf
Wagen mit Schätzen fuhren an, und war solche Pracht, daß die Kai-
serin sprach: O weh wie dumm sind wir gewesen, daß wir unsere
Tochter dem König Rother versagten; was muß der für ein Mann
sein, der solche Helden vertreibt über die Meere!

König Rother trug einen güldenen Harnisch und einen purpurnen
Waffenrock und zwei Reihen schöner Ringe am Arm, und beugte sein
Knie vor dem Griechenkaiser und sprach: Mich Fürsten Dieterich hat

grimm warf er ſeinen Reichsapfel zu Boden und ſprach: Um meine
Tochter hat noch Keiner geworben, der nicht den Kopf verloren, was
bringt ihr mir ſolchen Schimpf über das Meer? Ihr ſeid Alle ge-
fangen! Und ließ ſie in einen Kerker werfen, da ſchien weder Sonne
noch Mond drein und bekamen nur Waſſer ſich zu laben und
weinten ſehr.

Wie die Kunde zum König Rother kam, da ward ihm ſein Herz
ſehr traurig und er ſaß auf einem Stein und ſprach zu Niemand.
Dann faßte er den Entſchluß, in Reckenweiſe über Meer zu fahren,
um ſeinen getreuen Sendboten beizuſpringen. Und er war verwarnt
vor den Griechen, daß man dort die Wahrheit übergülden müſſe, ſo
man Etwas beſchaffen wolle, darum hieß er ſeine Recken eidlich ange-
loben, daß ſie alle vorgäben, er heiße nicht Rother ſondern Dieterich
und ſei landflüchtig vor dem König Rother und gehre Hilfe bei dem
Griechenkaiſer. Alſo fuhren ſie über Meer.

Und Rother nahm ſeine Harfe an Schiffes Bord, denn bevor
ſeine zwölf Geſandten die Anker gelichtet, war er mit der Harfe an
Strand gekommen und hatte drei Singweiſen gegriffen das ſollte ihnen
ein Angedenken ſein: und kommet ihr je in Noth und höret die
Weiſen erklingen, ſo iſt Rother helfend euch nah!

Es war ein Oſtertag und der Kaiſer Conſtantin war nach dem
Hippodrom ausgeritten, da hielt Rother ſeinen Einzug. Und alle
Bürgersleute von Conſtantinopel liefen zuſammen; das war noch nie
erſchaut, denn Rother brachte auch ſeine Rieſen mit ſich: der erſte
hieß Asprian und trug eine Stahlſtange die war vierundzwanzig
Ellen lang, der zweite hieß Widolt und war ſo wildwüthig, daß ſie
ihn in Ketten mitführen mußten, der dritte hieß Abendroth.

Und viel tapfere Degen kamen mit Rother geritten, und zwölf
Wagen mit Schätzen fuhren an, und war ſolche Pracht, daß die Kai-
ſerin ſprach: O weh wie dumm ſind wir geweſen, daß wir unſere
Tochter dem König Rother verſagten; was muß der für ein Mann
ſein, der ſolche Helden vertreibt über die Meere!

König Rother trug einen güldenen Harniſch und einen purpurnen
Waffenrock und zwei Reihen ſchöner Ringe am Arm, und beugte ſein
Knie vor dem Griechenkaiſer und ſprach: Mich Fürſten Dieterich hat

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[293/0315] grimm warf er ſeinen Reichsapfel zu Boden und ſprach: Um meine Tochter hat noch Keiner geworben, der nicht den Kopf verloren, was bringt ihr mir ſolchen Schimpf über das Meer? Ihr ſeid Alle ge- fangen! Und ließ ſie in einen Kerker werfen, da ſchien weder Sonne noch Mond drein und bekamen nur Waſſer ſich zu laben und weinten ſehr. Wie die Kunde zum König Rother kam, da ward ihm ſein Herz ſehr traurig und er ſaß auf einem Stein und ſprach zu Niemand. Dann faßte er den Entſchluß, in Reckenweiſe über Meer zu fahren, um ſeinen getreuen Sendboten beizuſpringen. Und er war verwarnt vor den Griechen, daß man dort die Wahrheit übergülden müſſe, ſo man Etwas beſchaffen wolle, darum hieß er ſeine Recken eidlich ange- loben, daß ſie alle vorgäben, er heiße nicht Rother ſondern Dieterich und ſei landflüchtig vor dem König Rother und gehre Hilfe bei dem Griechenkaiſer. Alſo fuhren ſie über Meer. Und Rother nahm ſeine Harfe an Schiffes Bord, denn bevor ſeine zwölf Geſandten die Anker gelichtet, war er mit der Harfe an Strand gekommen und hatte drei Singweiſen gegriffen das ſollte ihnen ein Angedenken ſein: und kommet ihr je in Noth und höret die Weiſen erklingen, ſo iſt Rother helfend euch nah! Es war ein Oſtertag und der Kaiſer Conſtantin war nach dem Hippodrom ausgeritten, da hielt Rother ſeinen Einzug. Und alle Bürgersleute von Conſtantinopel liefen zuſammen; das war noch nie erſchaut, denn Rother brachte auch ſeine Rieſen mit ſich: der erſte hieß Asprian und trug eine Stahlſtange die war vierundzwanzig Ellen lang, der zweite hieß Widolt und war ſo wildwüthig, daß ſie ihn in Ketten mitführen mußten, der dritte hieß Abendroth. Und viel tapfere Degen kamen mit Rother geritten, und zwölf Wagen mit Schätzen fuhren an, und war ſolche Pracht, daß die Kai- ſerin ſprach: O weh wie dumm ſind wir geweſen, daß wir unſere Tochter dem König Rother verſagten; was muß der für ein Mann ſein, der ſolche Helden vertreibt über die Meere! König Rother trug einen güldenen Harniſch und einen purpurnen Waffenrock und zwei Reihen ſchöner Ringe am Arm, und beugte ſein Knie vor dem Griechenkaiſer und ſprach: Mich Fürſten Dieterich hat

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/315>, abgerufen am 22.11.2024.