Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Ihr wollt unser Bergbruder sein? sprach er gutmüthig zu Ekke- Ekkehard war verlegen ob der wilden Erscheinung. Ich gedachte den Bruder Gottschalk zu besuchen, erwiederte er. Beim Strahl! da kommt Ihr zu spät, sprach der Senn. Der Mach' ihm keine Angst! sprach die Maid und stieß den Sennen an. Deßwegen mögt Ihr Euch doch bei uns festsetzen, sprach der Senn. Ekkehard sah zweifelhaft in den starren Höhlenraum. Es that Er weiß nicht wo die Ebenalp steht! sprach das Hirtenkind mit- Ihr Kienspan brannte noch. Sie wandte sich dem Innern der Höhle zu, die Männer folgten 21*
Ihr wollt unſer Bergbruder ſein? ſprach er gutmüthig zu Ekke- Ekkehard war verlegen ob der wilden Erſcheinung. Ich gedachte den Bruder Gottſchalk zu beſuchen, erwiederte er. Beim Strahl! da kommt Ihr zu ſpät, ſprach der Senn. Der Mach' ihm keine Angſt! ſprach die Maid und ſtieß den Sennen an. Deßwegen mögt Ihr Euch doch bei uns feſtſetzen, ſprach der Senn. Ekkehard ſah zweifelhaft in den ſtarren Höhlenraum. Es that Er weiß nicht wo die Ebenalp ſteht! ſprach das Hirtenkind mit- Ihr Kienſpan brannte noch. Sie wandte ſich dem Innern der Höhle zu, die Männer folgten 21*
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Ihr wollt unſer Bergbruder ſein? ſprach er gutmüthig zu Ekke-
hard, und reichte ihm die Hand, Recht ſo!
Ekkehard war verlegen ob der wilden Erſcheinung.
Ich gedachte den Bruder Gottſchalk zu beſuchen, erwiederte er.
Beim Strahl! da kommt Ihr zu ſpät, ſprach der Senn. Der
hat ſich verfallen im vorigen Herbſt,
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es war eine böſe Geſchichte.
Schaut auf! — er wies ihm eine Felswand in die Tiefe, — auf
jenen Hang iſt er in's Laubſammeln gegangen, ich hab' ihm ſelber
geholfen: da fuhr er auf einmal empor, als hätt' ihn eine Schlange
gebiſſen, gegenüber auf den hohen Kaſten hat er gedeutet, heilige
Anaſtaſia, rief er, du biſt wieder ganz und ſtehſt auf beiden Füßen
und winkſt mit beiden Armen!... auf und davon iſt er geſprungen,
als wär' zwiſchen dem Fels unten und dem hohen Kaſten drüben kein
Thal und kein Abgrund, mit kyrie eleison! ging's in die gräuliche
Tiefe — Gott hab ihn ſelig! Aber erſt im heurigen Frühjahr haben
wir den Leichnam gefunden, zerklemmt in den Felſen, und die Läm-
mergeier waren drüber und haben einen Arm und ein Bein vertragen,
kein Menſch weiß wohin ...
Mach' ihm keine Angſt! ſprach die Maid und ſtieß den Sennen an.
Deßwegen mögt Ihr Euch doch bei uns feſtſetzen, ſprach der Senn.
Ihr bekommt, was wir dem Gottſchalk gaben, Milch und Käs und
drei Ziegen in Stall, die mögen graſen wo ſie wollen. Im Nothfall
mögt Ihr auch mehr heiſchen, wir hier oben ſind keine Geizkrägen
und Mußmehlſpalter. Ihr predigt uns dafür an den Sonntagen und
ſprecht den Segen über Alm und Weiden, daß Wetter und Bergſturz
kein Verderb bringen, und läutet die Tagszeit.
Ekkehard ſah zweifelhaft in den ſtarren Höhlenraum. Es that
ihm wunderwohl, Menſchen in der Nähe zu wiſſen, aber räthſelhaft
war's woher ſie kamen. Sind eure Almen in des Berges Tiefe?
fragte er lächelnd.
Er weiß nicht wo die Ebenalp ſteht! ſprach das Hirtenkind mit-
leidig. Ich will's Euch zeigen!
Ihr Kienſpan brannte noch.
Sie wandte ſich dem Innern der Höhle zu, die Männer folgten
ihr. Da ging's durch enge dunkle Wölbung in's Innere des Berges,
niedergeſtürztes Geſtein ſperrte den Pfad, oft mußten ſie gebückt wei-
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