Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Leiden der Jugend. Er kam auch über Ekkehard, trotz Herzeleid und Die erste Dämmerung des Morgens zog über dem Haupte des Es war ein keck halbwildes Wesen von gelblicher Hautfarbe und Heiliger Gallus beschirme mich vor neuer Versuchung! dachte Es klang nicht wie die Stimme eines weiblichen Dämon. Ekkehard war noch schlaftrunken. Er gähnte. Vergelt's Gott! Weil Ihr mich soeben nicht verschluckt habt! lachte sie und eh' er Bald kam sie wieder. Ein graubärtiger Senn, in eine Decke von Der Vater will's nicht glauben! rief sie Ekkehard entgegen. Bedächtig schaute der Hirt auf den fremden Gast. Er war ein Leiden der Jugend. Er kam auch über Ekkehard, trotz Herzeleid und Die erſte Dämmerung des Morgens zog über dem Haupte des Es war ein keck halbwildes Weſen von gelblicher Hautfarbe und Heiliger Gallus beſchirme mich vor neuer Verſuchung! dachte Es klang nicht wie die Stimme eines weiblichen Dämon. Ekkehard war noch ſchlaftrunken. Er gähnte. Vergelt's Gott! Weil Ihr mich ſoeben nicht verſchluckt habt! lachte ſie und eh' er Bald kam ſie wieder. Ein graubärtiger Senn, in eine Decke von Der Vater will's nicht glauben! rief ſie Ekkehard entgegen. Bedächtig ſchaute der Hirt auf den fremden Gaſt. Er war ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0344" n="322"/> Leiden der Jugend. Er kam auch über Ekkehard, trotz Herzeleid und<lb/> einſamer Felswildniß.</p><lb/> <p>Die erſte Dämmerung des Morgens zog über dem Haupte des<lb/> Kamor auf, nur der Tagſtern<note xml:id="ed257" next="#edt257" place="end" n="257)"/> ſchien noch in ſchöner Farbe, da<lb/> fuhr Ekkehard aus dem Schlummer. Es war ihm als hab' er ein<lb/> luſtig ſcharfes Hirtenjauchzen gehört. Dann glänzte im tiefen dunkeln<lb/> Grund der Höhle ein Licht auf. Er glaubte zu träumen, als läg'<lb/> er noch im Kerker, und Praxedis nahe befreiend. Aber das Licht kam<lb/> näher, Fackelglanz brennenden Kienſpans; eine hochgeſchürzte Maid<lb/> trug die einfache Leuchte. Er ſprang auf. Unerſchrocken ſtand ſie<lb/> vor ihm und ſprach: Gott willkommen!</p><lb/> <p>Es war ein keck halbwildes Weſen von gelblicher Hautfarbe und<lb/> ſprühenden Augen, aus den Flechten des dunkelſchwarzen Haares glänzte<lb/> eine ſchwere ſilberne Nadel in Form eines Löffels, der geflochtene Korb<lb/> auf dem Rücken und der Alpſtock in der Rechten bezeichnete die Be-<lb/> wohnerin der Berge.</p><lb/> <p>Heiliger Gallus beſchirme mich vor neuer Verſuchung! dachte<lb/> Ekkehard, aber ſie rief vergnügt: Gott willkommen noch einmal! Der<lb/> Vater wird recht froh ſein, daß wir einen neuen Bergbruder haben.<lb/> Man merkt's an der wenigen Milch der Kühe, ſagt er immer, daß<lb/> der alte Gottſchalk todt iſt.</p><lb/> <p>Es klang nicht wie die Stimme eines weiblichen Dämon.</p><lb/> <p>Ekkehard war noch ſchlaftrunken. Er gähnte. Vergelt's Gott!<lb/> ſprach die Maid. Warum vergelt's Gott? fragte er.</p><lb/> <p>Weil Ihr mich ſoeben nicht verſchluckt habt! lachte ſie und eh' er<lb/> weiter fragen konnte, woher und wohin, ſprang ſie mit dem Kienſpan<lb/> zurück und verſchwand in der Höhle.</p><lb/> <p>Bald kam ſie wieder. Ein graubärtiger Senn, in eine Decke von<lb/> Lämmerfell gehüllt, folgte ihr.</p><lb/> <p>Der Vater will's nicht glauben! rief ſie Ekkehard entgegen.</p><lb/> <p>Bedächtig ſchaute der Hirt auf den fremden Gaſt. Er war ein<lb/> rauher Mann, der einſt in grüner Jugendzeit beim altherkömmlichen<lb/> Kraftſpiel des Steinſtoßens den hundertpfündigen Feldſtein wohl über<lb/> zwanzig Schritte weit von ſich geſchleudert, ohne einen Fuß zu ver-<lb/> rücken; ſein gebräuntes Antlitz und ſeine ſehnigen nackten Arme waren<lb/> itzt noch Denkzeichen alter ungeſchwächter Kraft.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [322/0344]
Leiden der Jugend. Er kam auch über Ekkehard, trotz Herzeleid und
einſamer Felswildniß.
Die erſte Dämmerung des Morgens zog über dem Haupte des
Kamor auf, nur der Tagſtern
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ſchien noch in ſchöner Farbe, da
fuhr Ekkehard aus dem Schlummer. Es war ihm als hab' er ein
luſtig ſcharfes Hirtenjauchzen gehört. Dann glänzte im tiefen dunkeln
Grund der Höhle ein Licht auf. Er glaubte zu träumen, als läg'
er noch im Kerker, und Praxedis nahe befreiend. Aber das Licht kam
näher, Fackelglanz brennenden Kienſpans; eine hochgeſchürzte Maid
trug die einfache Leuchte. Er ſprang auf. Unerſchrocken ſtand ſie
vor ihm und ſprach: Gott willkommen!
Es war ein keck halbwildes Weſen von gelblicher Hautfarbe und
ſprühenden Augen, aus den Flechten des dunkelſchwarzen Haares glänzte
eine ſchwere ſilberne Nadel in Form eines Löffels, der geflochtene Korb
auf dem Rücken und der Alpſtock in der Rechten bezeichnete die Be-
wohnerin der Berge.
Heiliger Gallus beſchirme mich vor neuer Verſuchung! dachte
Ekkehard, aber ſie rief vergnügt: Gott willkommen noch einmal! Der
Vater wird recht froh ſein, daß wir einen neuen Bergbruder haben.
Man merkt's an der wenigen Milch der Kühe, ſagt er immer, daß
der alte Gottſchalk todt iſt.
Es klang nicht wie die Stimme eines weiblichen Dämon.
Ekkehard war noch ſchlaftrunken. Er gähnte. Vergelt's Gott!
ſprach die Maid. Warum vergelt's Gott? fragte er.
Weil Ihr mich ſoeben nicht verſchluckt habt! lachte ſie und eh' er
weiter fragen konnte, woher und wohin, ſprang ſie mit dem Kienſpan
zurück und verſchwand in der Höhle.
Bald kam ſie wieder. Ein graubärtiger Senn, in eine Decke von
Lämmerfell gehüllt, folgte ihr.
Der Vater will's nicht glauben! rief ſie Ekkehard entgegen.
Bedächtig ſchaute der Hirt auf den fremden Gaſt. Er war ein
rauher Mann, der einſt in grüner Jugendzeit beim altherkömmlichen
Kraftſpiel des Steinſtoßens den hundertpfündigen Feldſtein wohl über
zwanzig Schritte weit von ſich geſchleudert, ohne einen Fuß zu ver-
rücken; ſein gebräuntes Antlitz und ſeine ſehnigen nackten Arme waren
itzt noch Denkzeichen alter ungeſchwächter Kraft.
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