Jetzt flog Ekkehard's Denken oftmals zu seinem treuen Gespan, er stund wieder mit ihm unter der rundbogigen säulengetragenen Vor- halle, er betete mit ihm an den alten Königsgräbern und am Stein- sarg des blinden Herzog Thassilo, er wandelte mit ihm durch die schat- tigen Gänge des Klostergartens und lauschte seinen Worten, -- und was Conrad damals gesprochen, war hehr und gut, denn er schaute mit dem Aug' eines Dichters in die Welt und es war als müßten Blumen am Weg aufsprießen und die Vögel lustig begleitend drein schmettern, wenn sein Mund sich aufthat zu honigsüßer Rede.
Schau auf, Kind Gottes! hatte Conrad einmal zum jungen Freund gesagt, da sie von der Warte des Gartens hinabschauten in's Land, dort wo die weißen Sanddünen aus dem Feld aufragen, ist ehmals Fluß gewesen und Strömung des Neckar: so geht die Spur vergan- gener Menschengeschichten durch die Felder der Nachkommen und es ist schön, wenn sie deß Acht haben. Und hier am Rhein ist heiliger Boden, es wäre Zeit, daß wir das sammeln was drauf gewachsen, eh' uns das leidige Trivium und Quadruvium den Sinn dafür abtödtet.
Und an fröhlichen Vacanztagen war Conrad mit ihm in Oden- wald gewandert, da rieselte im grünen Birkenthal versteckt eine Quelle, draus tranken sie und Conrad sprach: Neige dein Haupt, hier ist der Todtenhain und Hagen's Buche und Siegfried's Bronn, hier ward dem besten aller Recken vom grimmen Hagen der Speer in Rücken gerannt, daß die Blumen allenthalb von rothem Blut erthauten, dort auf dem Sedelhof hat Chriemhildis um den Erschlagenen getrauert, bis des Hunnenkönigs Boten kamen, um die junge Wittib zu wer- ben -- und er erzählte ihm all die alten Mären von der Königsburg zu Worms und vom Nibelungen Schatz und von Chriemhildis' Rache, und seine Augen sprühten: Schlag ein! rief er dem jungen Freunde zu, wenn wir Männer sind und des Sanges geübt, wollen wir ein Denkmal setzen den Geschichten am Rhein; es gährt und braust schon in mir wie ein gewaltig Lied von Heldentapferkeit und Noth und Rache und Tod, und die Kunst des hörnen Siegfried, sich zu festen und zu feyen, weiß ich, wenn's auch keine Drachen mehr zu erschlagen und kein Blut mehr abzukochen gibt: wer mit heiligem Sinn die Waldluft schlürft und die Stirn mit dem Morgenthaue netzt, dem geht
Jetzt flog Ekkehard's Denken oftmals zu ſeinem treuen Geſpan, er ſtund wieder mit ihm unter der rundbogigen ſäulengetragenen Vor- halle, er betete mit ihm an den alten Königsgräbern und am Stein- ſarg des blinden Herzog Thaſſilo, er wandelte mit ihm durch die ſchat- tigen Gänge des Kloſtergartens und lauſchte ſeinen Worten, — und was Conrad damals geſprochen, war hehr und gut, denn er ſchaute mit dem Aug' eines Dichters in die Welt und es war als müßten Blumen am Weg aufſprießen und die Vögel luſtig begleitend drein ſchmettern, wenn ſein Mund ſich aufthat zu honigſüßer Rede.
Schau auf, Kind Gottes! hatte Conrad einmal zum jungen Freund geſagt, da ſie von der Warte des Gartens hinabſchauten in's Land, dort wo die weißen Sanddünen aus dem Feld aufragen, iſt ehmals Fluß geweſen und Strömung des Neckar: ſo geht die Spur vergan- gener Menſchengeſchichten durch die Felder der Nachkommen und es iſt ſchön, wenn ſie deß Acht haben. Und hier am Rhein iſt heiliger Boden, es wäre Zeit, daß wir das ſammeln was drauf gewachſen, eh' uns das leidige Trivium und Quadruvium den Sinn dafür abtödtet.
Und an fröhlichen Vacanztagen war Conrad mit ihm in Oden- wald gewandert, da rieſelte im grünen Birkenthal verſteckt eine Quelle, draus tranken ſie und Conrad ſprach: Neige dein Haupt, hier iſt der Todtenhain und Hagen's Buche und Siegfried's Bronn, hier ward dem beſten aller Recken vom grimmen Hagen der Speer in Rücken gerannt, daß die Blumen allenthalb von rothem Blut erthauten, dort auf dem Sedelhof hat Chriemhildis um den Erſchlagenen getrauert, bis des Hunnenkönigs Boten kamen, um die junge Wittib zu wer- ben — und er erzählte ihm all die alten Mären von der Königsburg zu Worms und vom Nibelungen Schatz und von Chriemhildis' Rache, und ſeine Augen ſprühten: Schlag ein! rief er dem jungen Freunde zu, wenn wir Männer ſind und des Sanges geübt, wollen wir ein Denkmal ſetzen den Geſchichten am Rhein; es gährt und braust ſchon in mir wie ein gewaltig Lied von Heldentapferkeit und Noth und Rache und Tod, und die Kunſt des hörnen Siegfried, ſich zu feſten und zu feyen, weiß ich, wenn's auch keine Drachen mehr zu erſchlagen und kein Blut mehr abzukochen gibt: wer mit heiligem Sinn die Waldluft ſchlürft und die Stirn mit dem Morgenthaue netzt, dem geht
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Jetzt flog Ekkehard's Denken oftmals zu ſeinem treuen Geſpan,
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ſarg des blinden Herzog Thaſſilo, er wandelte mit ihm durch die ſchat-
tigen Gänge des Kloſtergartens und lauſchte ſeinen Worten, — und
was Conrad damals geſprochen, war hehr und gut, denn er ſchaute
mit dem Aug' eines Dichters in die Welt und es war als müßten
Blumen am Weg aufſprießen und die Vögel luſtig begleitend drein
ſchmettern, wenn ſein Mund ſich aufthat zu honigſüßer Rede.
Schau auf, Kind Gottes! hatte Conrad einmal zum jungen Freund
geſagt, da ſie von der Warte des Gartens hinabſchauten in's Land,
dort wo die weißen Sanddünen aus dem Feld aufragen, iſt ehmals
Fluß geweſen und Strömung des Neckar: ſo geht die Spur vergan-
gener Menſchengeſchichten durch die Felder der Nachkommen und es
iſt ſchön, wenn ſie deß Acht haben. Und hier am Rhein iſt heiliger
Boden, es wäre Zeit, daß wir das ſammeln was drauf gewachſen,
eh' uns das leidige Trivium und Quadruvium den Sinn dafür
abtödtet.
Und an fröhlichen Vacanztagen war Conrad mit ihm in Oden-
wald gewandert, da rieſelte im grünen Birkenthal verſteckt eine Quelle,
draus tranken ſie und Conrad ſprach: Neige dein Haupt, hier iſt der
Todtenhain und Hagen's Buche und Siegfried's Bronn, hier ward
dem beſten aller Recken vom grimmen Hagen der Speer in Rücken
gerannt, daß die Blumen allenthalb von rothem Blut erthauten, dort
auf dem Sedelhof hat Chriemhildis um den Erſchlagenen getrauert,
bis des Hunnenkönigs Boten kamen, um die junge Wittib zu wer-
ben — und er erzählte ihm all die alten Mären von der Königsburg
zu Worms und vom Nibelungen Schatz und von Chriemhildis' Rache,
und ſeine Augen ſprühten: Schlag ein! rief er dem jungen Freunde
zu, wenn wir Männer ſind und des Sanges geübt, wollen wir ein
Denkmal ſetzen den Geſchichten am Rhein; es gährt und braust ſchon
in mir wie ein gewaltig Lied von Heldentapferkeit und Noth und
Rache und Tod, und die Kunſt des hörnen Siegfried, ſich zu feſten
und zu feyen, weiß ich, wenn's auch keine Drachen mehr zu erſchlagen
und kein Blut mehr abzukochen gibt: wer mit heiligem Sinn die
Waldluft ſchlürft und die Stirn mit dem Morgenthaue netzt, dem geht
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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